# taz.de -- Todesfälle bei der Bundeswehr: Guttenberg regiert mit "Bild" | |
> Der Verteidigungsminister entlässt den Kapitän der "Gorch Fock". Und zwar | |
> kurz nachdem er mit dem Boulevardblatt telefonierte. Kein Zufall, | |
> vermutet jetzt die SPD. | |
Bild: Offiziersanwärter auf der Gorch Fock. | |
Zwei ominöse Todesfälle in der Bundeswehr, geöffnete Briefe von Soldaten | |
aus Afghanistan und eine äußerst mangelhafte Informationspolitik des | |
Verteidigungsministerium bringen Karl Theodor zu Guttenberg (CSU) weiter in | |
die Bredouille. | |
Guttenberg entließ am Freitagabend, nachdem die Bild-Zeitung ihn über eine | |
eigene Geschichte in Kenntnis gesetzt hatte, Norbert Schatz, den Kapitän | |
des Segelschulschiffs "Gorch Fock." Auf dem Schiff war am 7. November die | |
25-jährige Marineschülerin Sarah S. tödlich verunglückt, als sie aus der | |
Takelage abstürzte. Danach gab es heftige Auseinandersetzungen zwischen | |
Mannschaft und Kapitän. Viele Soldaten kritisierten den unverantwortlichen | |
Drill auf dem Schiff, der der Grund für den Todesfall gewesen sein soll. | |
Bemerkenswert ist, dass der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold bereits im | |
Dezember Aufklärung über die Gerüchte über eine Meuterei auf der "Gorch | |
Fock" verlangt hatte. Ohne Ergebnis. Guttenberg war offenbar über den Fall | |
nicht im Bilde. | |
Die Frage drängt sich auf, ob der Minister im Fall eines Todes einer | |
Soldatin nicht verpflichtet ist zu wissen, was geschah. Die prompte | |
Entlassung nach dem Telefonat mit Bild überzeugt die Opposition nicht. | |
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier erklärte: "Ein Anruf von der | |
Bild-Zeitung, und einen Tag später ist alles anders. Der Kapitän der ,Gorch | |
Fock' ist entlassen. Das lässt vermuten, da wird noch viel aufzuräumen | |
sein." Es reiche nicht, "wieder Sündenböcke zu suchen". Guttenberg müsse, | |
so Steinmeier, persönlich Verantwortung übernehmen. | |
Eine Anspielung auf Guttenbergs Neigung, bei Krisen Untergebene zu feuern. | |
Als der Minister wegen der fahrlässigen Informationspolitik des | |
Ministeriums im Fall des Bundeswehr-und Nato-Angriffs auf Zivilisten in | |
Kundus kritisiert wurde, hatte er den Generalinspekteur der Bundeswehr, | |
Wolfgang Schneiderhan, vor die Tür gesetzt. | |
Brisant ist auch die Informationspolitik im Fall des 21-jährigen | |
Hauptgefreiten Oliver O., der am 17. Dezember in Afghanistan starb. Die | |
offizielle Version, dass es ein selbst verschuldeter Unfall war, erwies | |
sich vergangene Woche als falsch. Ein befreundeter Soldat hatte beim | |
"spielerischen Umgang mit Waffen", so der FDP-Wehrbeauftragten Hellmut | |
Königshaus, den tödlichen Schuss abgegeben. | |
Doch bei einer Sitzung des Verteidigungsausschusses am Mittwoch verbreitete | |
Guttenbergs Staatssekretär Thomas Kossendey noch immer die alte Version | |
"Unfall beim Waffenreinigen." Ein Verstoß gegen die Informationspflicht des | |
Ministers gegenüber dem Parlament, kritisiert der Militärexperte der | |
Linkspartei, Paul Schäfer. | |
Auch die FDP ist unzufrieden. Die FDP-Verteidigungsexpertin Elke Hoff | |
kritisierte das "Führungsversagen" des Ministers. Die CSU argwöhnte | |
hingegen, dass die auffällige Häufung der veröffentlichten Fälle auf das | |
Treiben des Wehrbeauftragten, des Liberalen Königshaus gehe, der damit | |
Guttenberg schaden wolle. CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich | |
kritisierte, dass es "schwierig wird, wenn man Spekulationen Raum gibt, | |
noch bevor alle Tatsachen ermittelt sind". Ein Vorwurf an Könighaus und die | |
FDP. | |
Der Fall ist somit auch Teil des Dauerzwists zwischen Außenminister Guido | |
Westerwelle (FDP) und zu Guttenberg, die sich bei dem zentralen | |
militärpolitischen Thema, dem Abzugstermin aus Afghanistan, beharken. | |
23 Jan 2011 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
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