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# taz.de -- Todesfälle in der Bundeswehr: Gefährlich für Guttenberg
> Der Untersuchungsausschuss zu Kundus hat seine Beweisaufnahme noch nicht
> beendet. Jetzt soll er auch die jüngsten Skandale bei der Armee klären.
> Guttenberg weiter unter Druck.
Bild: Zunehmend allein im Haus? Minister Guttenberg im Bundestag.
BERLIN taz | Am kommenden Donnerstag laden die Verteidigungspolitiker des
Deutschen Bundestags zu einem kaum mehr beachteten Ereignis: dem
Untersuchungsausschuss zur Kundus-Affäre. Seit Monaten werden dort Zeugen
verhört, auch Bundesverteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU)
musste vorsprechen. Im Raum steht der Vorwurf, dass rund um das
Bombardement eines Tanklasters im September 2009, bei dem viele Zivilisten
starben, der Minister zu Unrecht Staatssekretär und Generalinspekteur
entlassen hat. Es geht um einen vorenthaltenen Feldjägerbericht. Und um
Informationsfluss in der Bundeswehr.
Der Ausschuss sollte am 10. Februar seine Beweisaufnahme beenden, doch wenn
es nach den Grünen geht, gibt es noch eine Extrarunde. Jetzt sollen im
selben Ausschuss auch die drei aktuellen Skandale rund um die tote Kadettin
auf der "Gorch Fock", den erschossenen Soldaten und die geöffnete Feldpost
in Afghanistan geklärt werden. "Der Auftrag des bestehenden
Untersuchungsausschusses muss erweitert werden", fordert
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin. Denn wieder geht es um einen
Feldjägerbericht, um eine Entlassung eines hochrangigen Militärs und um
Informationsfluss in der Bundeswehr.
Die Affäre ist gefährlich für Guttenberg geworden, denn er muss sich
mehreren Vorwürfen stellen. Im Zentrum steht die mangelnde Information des
Parlaments. Er soll den Kommandanten der "Gorch Fock", Norbert Schatz,
voreilig von seinen Aufgaben entbunden haben. Und im Fall des toten
Soldaten wurden Dutzende Abgeordnete schlecht informiert.
Am Freitagmittag vergangener Woche spricht Guttenberg im Parlament zu
Afghanistan. Er macht einige Vorbemerkungen zu den Fällen, die sein
Ministerium erschüttern. Sie sollen "rückhaltlos aufgeklärt werden", erst
dann sollten "notfalls harte Konsequenzen" gezogen werden. Guttenberg
betont, er wolle "keine Mutmaßungen", sondern "auf Grundlage von Tatsachen"
entscheiden. Wenige Stunden später erfährt Guttenberg in Hessen auf dem Weg
zu einem Termin von den neuen Enthüllungen der Bild-Zeitung im Fall "Gorch
Fock". Die Bild wird am kommenden Tag, gestützt auf die Aussage eines
Offiziersanwärters, weitere Details zum Tod der Kadettin und über
Repression an Bord berichten. "Es reicht", soll Guttenberg gerufen haben,
dann hat er ohne weitere Rücksprache die Suspendierung des Kommandanten
veranlasst. Es sind zu diesem Zeitpunkt noch vier Tage, bis die
Untersuchungskommission planmäßig bei der "Gorch Fock" in Argentinien
ankommt. Wird Guttenberg von Zeitungsberichten gesteuert?
Am Montag muss sich Guttenbergs Sprecher Steffen Moritz in der
Bundespressekonferenz den Journalisten stellen. Was genau war die Grundlage
der Entscheidung, Kommandant Schatz von seinen Aufgaben zu entbinden.
Moritz bleibt im Ungefähren. Es sei "eine Gesamtabwägung" gewesen, die
immer wieder stattfinde. Moritz betont zudem, dass Schatz nur für den
Verlauf der Ermittlungen suspendiert worden sei. Doch in einer
Pressemitteilung aus dem Verteidigungsministerium am Samstag ist davon
keine Rede. Dort steht lediglich: "Der Verteidigungsminister hat den
Inspekteur der Marine beauftragt, den Kommandanten des Schulschiffs ,Gorch
Fock' von seinen Pflichten zu entbinden." Dass diese zeitlich beschränkt
sein soll, erfährt die Öffentlichkeit erst später.
Am Samstag unterrichtet Verteidigungsstaatssekretär Wolf die Obleute der
Bundestagsfraktionen über den Fall Schatz. "Nach Kenntniserlangung weiterer
Vorwürfe zu Missständen und Fehlverhalten" auf der "Gorch Fock" sei die
Entscheidung gefallen, steht in dem Schreiben, das der taz vorliegt. Welche
das sind, bleibt das Ministerium schuldig.
Der SPD-Obmann Rainer Arnold fragte nach - ohne Antwort. Auch die
angekündigte telefonische Unterrichtung der Obleute bleibt aus. "Ich bitte
um Verständnis", schreibt Staatssekretär Wolf an Arnold in einer SMS, man
werde erst am Mittwoch im Verteidigungsausschuss zu den Fällen Stellung
nehmen.
Dann muss sich Verteidigungsminister Guttenberg auch im Fall des Soldaten
erklären, der bei Waffenspielereien durch die Kugel eines Kollegen
getroffen wurde. Der Vorfall ereignete sich am 17. Dezember 2010. Minister
Guttenberg betont, dass er schon kurz danach von der Anwesenheit einer
zweiten Person geredet habe.
Am 20. Dezember aber trifft am Morgen eine Delegation von 14
Bundestagsabgeordneten sowie Guttenbergs Staatssekretär Thomas Kossendey in
Masar-i-Scharif ein. Die Delegation wird Zeuge der Trauerfeier für den
Soldaten. Der anwesende General Hans-Werner Fritz, so erinnern sich
Teilnehmer, spricht lediglich von "dem gefallenen Soldaten". Nur durch
Gespräche am Rande erfahren die Parlamentarier davon, dass eine zweite
Person dabei war. Im Feldjägerbericht, der der taz vorliegt, steht, dass
das Zelt des Getöteten mit "11 Soldaten belegt" war. "Die
Informationspolitik gegenüber dem Parlament ist für mich inakzeptabel",
sagt der Grüne Sven-Christian Kindler, der zur Delegation gehörte.
Es ist keine Kleinigkeit, wenn in Deutschland dem Parlament in so schweren
Fällen Wissen vorenthalten wird. Die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee,
alle Mandate und Auslandseinsätze gehen von den Abgeordneten aus. Seit
Tagen beschweren sich Abgeordnete darüber, dass sie keine Informationen
erhalten. Guttenberg scheint das nicht zu stören.
24 Jan 2011
## AUTOREN
Gordon Repinski
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