| # taz.de -- Guttenberg unter Druck: Verteidigung an der Heimatfront | |
| > Kabinett, Ausschuss, Bundestag: Der Mittwoch war für Minister Guttenberg | |
| > ein Tag voller Vorwürfe, unangenehmer Fragen und vieler | |
| > Verteidigungsreden. | |
| Bild: Seriös: Kanzlerin Merkel und Verteidigungsminister Guttenberg. Oder flap… | |
| BERLIN taz | Es ist kurz nach acht Uhr am Mittwoch, als die schwarze | |
| Dienstlimousine mit Karl-Theodor zu Guttenberg vor dem Paul-Löbe-Haus im | |
| Berliner Regierungsviertel hält. Mit schnellem Schritt geht der | |
| CSU-Verteidigungsminister in einem Tross von vier Personen durch die Halle | |
| des Abgeordnetenhauses. Er nimmt die Treppe aufwärts, um nicht vor dem | |
| Fahrstuhl warten zu müssen. Bloß keine Chancen für unangenehme Fragen | |
| geben. Denn die kommen an diesem Tag noch genug. | |
| An diesem Mittwoch muss sich der Minister verteidigen. Er muss Fragen | |
| beantworten, die durch die Skandale auf dem Schulschiff "Gorch Fock", beim | |
| Tod des Soldaten in Afghanistan und wegen des Öffnens von Feldpost | |
| entstanden sind. Die die Öffentlichkeit interessieren, und die | |
| Parlamentarier. | |
| Besonders zwei Fragen sind kritisch für Guttenberg: Warum hat er am | |
| Freitagabend vergangener Woche den Kommandanten der "Gorch Fock" | |
| suspendiert, obwohl er Stunden zuvor noch jede Art der Vorverurteilung im | |
| Parlament gegeißelt hat? Reagierte der Minister, weil ihm ein Bild-Reporter | |
| von neuen Enthüllungen erzählt hat? Und warum hat das Parlament nicht | |
| schneller erfahren, dass der tote Soldat in Afghanistan nicht beim | |
| Waffenreinigen, sondern bei Angebereien durch einen Schuss eines anderen | |
| Soldaten ums Leben gekommen ist? | |
| Als Guttenberg um kurz nach acht den Raum zur Vorbesprechung mit den fünf | |
| Obleuten der Fraktionen betritt, warten die Parlamentarier bereits mit | |
| gezückten Stiften. 15 Minuten sind nur angesetzt, später am Vormittag muss | |
| Guttenberg in den Verteidigungsausschuss. Ins Kreuzverhör. Guttenberg wolle | |
| vorher ins Kabinett, obwohl er seinen Staatssekretär schicken könnte, | |
| beklagt sich am Vorabend die Opposition. Zeit gewinnen. | |
| Um 8.15 Uhr verlässt Guttenberg das Obleutegespräch. Die erste Etappe des | |
| Tages ist geschafft. Doch es folgen weitere. Der Mittwoch ist für ihn ein | |
| Hürdenlauf von Anschuldigungen und Verteidigung. Keine Pause. Vielleicht | |
| einer der schwersten Tage in seiner bisher so unkomplizierten | |
| Ministerkarriere. | |
| Um 9.30 Uhr hat SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann eine | |
| Presserunde im Reichstag zum Gespräch geladen. "Die Affäre zeigt, dass | |
| Guttenberg sein Amt nicht im Griff hat", sagt Oppermann. Er spricht von | |
| ungeheuren Vorgängen. Die Opposition erhöht den Druck. | |
| Während Oppermann noch Zitat um Zitat gegen Guttenberg produziert, sitzt | |
| der im Kabinett. Kein Thema seien die Krisen dort, verbreiten die | |
| Spindoktor des Ministers. Um halb elf trifft der Minister im Paul-Löbe-Haus | |
| wieder ein. | |
| Diesmal geht der Minister einen Raum weiter, in den Ausschusssaal 2.700. Im | |
| großen Kreis sitzen die Abgeordneten mit dem Minister. Die Regeln sind | |
| klar: Es gibt mehrere Runden, jede Fraktion hat begrenzte Rede- und | |
| Fragezeit. | |
| Besonders wegen der Suspendierung des Kommandanten der "Gorch Fock" gerät | |
| Guttenberg unter Druck. Aufgrund welcher Informationen hat er die | |
| Entscheidung getroffen, wollen die SPD-Abgeordneten Hans-Peter Bartels und | |
| Rainer Arnold wissen. Guttenberg verweist auf den ebenfalls anwesenden | |
| Admiral Axel Schimpf. Dieser spricht von einer "politisch-medial-explosiven | |
| Mischung", die auf den Kommandanten zugekommen sei. Deshalb habe man ihn | |
| schützen wollen. Dann fragt der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour nach, | |
| warum Guttenbergs Haus nicht klargemacht habe, dass die Suspendierung | |
| vorläufig war. Er liest die Pressemitteilung des Ministeriums vor, in der | |
| keine Rede von "vorläufig" war. | |
| Während sich die Abgeordneten so über Stunden behaken, warten draußen immer | |
| mehr Journalisten. Wege werden vom Wachpersonal mit Mühe freigehalten. | |
| Guttenbergs Sprecher lehnt an einem Fahrstuhl und teilt seine Sicht der | |
| Dinge mit. Keine Staatsaffäre sei die Sache, sagt er. Was soll er auch | |
| sonst sagen? Es ist 12.30 Uhr. Dass Guttenberg jetzt erst Halbzeit hat, | |
| ahnt da noch niemand. | |
| Gegen 13.30 Uhr beginnt die Stimmung vor dem Saal unruhig zu werden. Immer | |
| wieder öffnet sich die Tür - nie ist es der Minister. Drei Stunden ist er | |
| nun im Kreuzverhör. Einzelne Abgeordnete kommen kurz heraus, um sich zu | |
| erfrischen. Sie berichten von einem aggressiven Ton, von aufgekratzter | |
| Stimmung. "Nicht souverän" sei der Minister, sagt die Opposition. Wann | |
| kommt Guttenberg? Noch 30 Minuten, heißt es irgendwann. Nach einer halben | |
| Stunde sind es immer noch 15 Minuten. Viel später sind es noch fünf. | |
| Um 14.30 Uhr ist es so weit. Lächelnd kommt Guttenberg aus dem Raum, er | |
| geht auf die Kameras zu. Sofort bildet sich eine Traube um ihn. Es habe | |
| lange gedauert, sagt er. "Zum Teil haben sich die Fragen im Kreis gedreht", | |
| windet er sich. "Die Diskussion wird auf dem Rücken der Soldaten | |
| ausgetragen." Der Grüne Nouripour sagt später: | |
| "Guttenberg stellt sich so lange vor die Soldaten, bis nur noch sein Rücken | |
| zu sehen ist." | |
| Guttenberg dreht nach einigen Fragen ab. Wieder läuft er durch das | |
| Paul-Löbe-Haus mit strammem Schritt. So wie morgens, als der Tag des | |
| Verhörs begann. Auf dem Weg zum Auto sagt er, die Sitzung sei überhaupt | |
| nicht anstrengend gewesen, die Sachlage schließlich klar. | |
| "Rechts!", ruft sein Personenschützer, als der Minister in hohem Tempo auf | |
| das falsche Auto zusteuert. Sein Sprecher kommt auf ihn zu, will ihm eine | |
| Info mit auf den Weg geben. Doch er zieht zurück. "Machen wir gleich", sagt | |
| er. Da ist die Tür zu, und die Limousine braust davon. | |
| Der nächste Termin. Aktuelle Stunde im Bundestag. Thema: "Die öffentliche | |
| Diskussion über die Falsch- und Nichtunterrichtung des Deutschen | |
| Bundestages durch den Bundesminister der Verteidigung zu Vorfällen in der | |
| Bundeswehr." | |
| Wieder reden. Wieder Vorwürfe. Wieder diese Parlamentarier. | |
| 27 Jan 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Gordon Repinski | |
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