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# taz.de -- Private Hochschulsponsoren: Die Mäzene besser kontrollieren
> Der Wissenschaftssoziologe Richard Münch ist gegen eine enge
> Zusammenarbeit von Universitäten und Unternehmen. Die akademische
> Freiheit müsse gewahrt bleiben.
Bild: An der Technischen Universität München werden 23 Professoren von der In…
BERLIN taz | Was die Berliner können, können die Bayern noch besser. An der
Technischen Universität München (TUM) werden derzeit 23 von 460 Professuren
von Unternehmen finanziert. Überhaupt ist Bayern das Bundesland, in dem es
laut einer Studie des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft im
Jahre 2009 mit 114 die meisten Stiftungsprofessuren gab - Lehrstühle also,
die in der Regel für fünf Jahre von Unternehmen, Stiftungen oder Mäzenen
bezahlt werden.
Der Bamberger Soziologieprofessor Richard Münch kritisierte die
Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Wirtschaft scharf. "Bei der
Kooperation öffentlicher Forschungseinrichtungen mit privaten Geldgebern
muss strikt darauf geachtet werden, dass die akademische Freiheit und der
freie Zugang aller zum generierten Wissen gewahrt bleiben", sagte Münch der
taz.
Münch ist mit seinem Buch "Globale Eliten, lokale Autoritäten: Bildung und
Wissenschaft unter dem Regime von PISA, McKinsey & Co" der maßgebliche
Kritiker der Ökonomisierung der Bildung. Die Kooperation zwischen
Wissenschaft und Wirtschaft sei ein starker internationaler Trend, sagte
Münch. An den Universitäten stagniere die Grundausstattung, stattdessen
werde die Finanzierung auch durch Mittel der Industrie ausgebaut.
## Ähnliche Verträge
"Auf der Seite der Industrie wurden im Zuge der Kosteneinsparung durch
'Outsourcing' eigene Forschungsabteilungen abgebaut und die Kooperation mit
Universitäten wurde ausgebaut", so Münch. "Das bringt eine zunehmende
Abhängigkeit der Forschung von den Interessen der Sponsoren mit sich." Je
mehr dadurch der Spielraum für die zweckfreie Grundlagenforschung
eingeschränkt werde, um so mehr leide die langfristige Fähigkeit zu
Innovationen.
Die Realität bestätigt Münchs Thesen. Die Zahl der privat finanzierten
Stellen an den staatlichen Hochschulen wächst. Nach der Studie des
Stifterverbandes, Sprachrohr für rund 3.000 Unternehmen, Stiftungen und
Privatpersonen, belief sich die Zahl der Stiftungsprofessuren im Jahr 2009
bundesweit auf 660. In der Zwischenzeit könnte es an die 1.000 geben, wie
Frank Stäudner vom Stifterverband, einschätzt.
Er gehe davon aus, dass es an anderen Hochschulen ähnliche Verträge wie
zwischen Deutscher Bank und den Berliner Unis gebe. Die Freiheit der
Wissenschaft werde dabei in keinem der Fälle verletzt, glaubt Stäudner.
"Jeder Wissenschaftler kann ja frei entscheiden, ob er mit einem
Unternehmen kooperiert." Und je näher die Forschung am Unternehmen, desto
strenger seien eben die Regeln.
"Solche Vereinbarungen wie in Berlin, etwa Mitsprache bei der Besetzung von
Lehrstühlen, wären bei uns nicht möglich", betont hingegen Ulrich Marsch,
Sprecher der TUM. Allerdings hätten Firmen in der Vergangenheit immer
wieder versucht, solche Bedingungen in Verträge hineinzuverhandeln.
## 2,2 Milliarden Euro
Insgesamt steckten Unternehmen laut Institut der deutschen Wirtschaft im
Jahre 2009 rund 2,2 Milliarden Euro in die Unis - das sind rund 10 Prozent
der Summe, die Bund und Länder für die Uni-Grundfinanzierung ausgeben.
Kaum eine Hochschule kann auf Drittmittel verzichten. Die Universität könne
sich damit neue Forschungsfelder erschließen, meint TUM-Sprecher Marsch. Im
Jahre 2009 richtete die Uni etwa ein neues Institut für Lehrerbildung und
Bildungsforschung ein. Für die TUM School of Education wurden vier
Stiftungsprofessuren im Wert von 15 Millionen eingeworben; Mitarbeiter
also, die nicht auf der Gehaltsliste des Freistaats stehen. "Dieses
Institut wäre ohne privates Engagement nicht möglich gewesen", meint
Marsch.
Einen Lehrstuhl für Wirtschaftsethik stiftete Siemens-Chef Peter Löscher im
vergangenen Jahr obendrein aus seiner Privatschatulle; ganz uneigennützig.
Für Forschung, die Professoren oder Institute im Auftrag von Unternehmen
annehmen, gelten Sonderregelungen. Es sei an der TUM und bundesweit
Standard, dass Ergebnisse aus dieser Auftragsforschung vor Veröffentlichung
den Auftraggebern vorgelegt würden.
Wer kennt andere Fälle illegitimer Einflussnahme der Wirtschaft auf die
Universität? Bitte per E-Mail an [1][[email protected]]. Die taz geht der
Frage weiter nach.
1 Jun 2011
## LINKS
[1] /[email protected]
## AUTOREN
Anna Lehmann
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