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# taz.de -- Uni-Präsident über Verträge mit Privatfirmen: "Nicht die Werkban…
> Der Präsident der Technischen Uni Berlin verteidigt die Knebelverträge
> mit der Deutschen Bank. Die Abmachung über eine Forschungskontrolle durch
> die Bank sei gängiger Standard.
Bild: Dummies auf Kindersitzen in einem Testwagen während eines Schlittenversu…
taz: Herr Steinbach, ich möchte mir an Ihrer Uni eine Professur kaufen. Was
kostet das?
Jörg Steinbach: Das ist unbezahlbar. Die Formulierung, dass man bei uns
Professuren kaufen kann, ist falsch. Das gibt es nicht, das gab es nie, das
wird es auch nicht geben.
Sie haben sich ein Institut von der Deutschen Bank zahlen lassen. Die Bank
bestimmt, wer Professor wird und was gelehrt wird, sie darf Forschung
zensieren und das Marketing kontrollieren. Schämen Sie sich nicht?
Nein, ich schäme mich insofern nicht, weil erstens die Hälfte von dem, was
Sie gesagt haben, nicht stimmt und die andere Hälfte nie zum Tragen kam.
Was stimmt denn nicht?
Anders als es derzeit dargestellt wird, war an der Gründung dieses
Instituts nie etwas geheim. Der Prozess, dieses Institut zu gründen, ging
öffentlich durch die Gremien der Universität, und diese haben dem Vertrag
zugestimmt. Das heißt, es war kein Geheimvertrag.
Was stimmt außerdem nicht an den Vorwürfen?
Zensur hat nicht stattgefunden. Es gibt einen Vertrag zwischen der
Technischen und der Humboldt Universität Berlin sowie der Deutschen Bank
zur Gründung eines Instituts, dessen Kernbestandteil die Auftragsforschung
ist. Auftragsforschung ist seit 40 Jahren gang und gäbe. Der
Veröffentlichungsvorbehalt bezieht sich auf schützenswerte
Betriebsgeheimnisse der Deutschen Bank, die Eingang in die
Forschungsergebnisse gefunden haben.
Können Sie bitte die Stelle im Vertrag vorlesen, in der
"Betriebsgeheimnisse" stehen?
Ich habe den Vertrag jetzt nicht vorliegen. Aber in Paragraf 4 Absatz 1
werden Sie fündig.
Laut Absatz 5 durfte die Bank sich sämtliche Forschungsergebnisse zur
Freigabe vorlegen lassen. Dennoch heißt es dort: "Die namentliche Erwähnung
der DEUTSCHEN BANK in einer Veröffentlichung ist in jedem Fall nur mit
vorheriger schriftlicher Zustimmung der DEUTSCHEN BANK zulässig."
Dies ist ein völlig üblicher Passus, den wir mit so gut wie jedem
Unternehmen haben, das Auftragsforschung an unserer Universität betreibt.
Die Vertragspartner achten darauf, dass, wenn ihr Name erwähnt wird, dies
auch mit ausreichender Qualität geschieht.
Ist es üblich, dass die Vertragspartner über die Vergabe der Professuren
mitbestimmen?
Nein, und das war hier auch nicht der Fall. Die Deutsche Bank hat sich nur
das Recht erbeten, zu überprüfen, ob wir unsere Bewerber nach der
Bestenauswahl ermitteln. Ein Vertreter der Deutschen Bank hätte ein
Vetorecht gehabt für den Fall, dass wir in dem Verfahren Fehler gemacht
hätten. Das ist keine Einflussnahme in dem Sinne, dass jemand ausgesucht
werden musste, der der Deutschen Bank wohlgefällig ist. Es hat kein
strukturelles Einflussrecht existiert.
Was ist ein Veto anderes als ein struktureller Einfluss?
Sie müssen doch sehen, dass der Partner, der viel Geld in die Hand nimmt,
eine Verantwortung dafür trägt, was mit seinem Geld passiert.
Normalerweise macht das der Wissenschaftssenator - der demokratisch
legitimiert ist, die Qualität der berufenen Professoren zu überprüfen.
Warum sollte die Deutsche Bank das besser können?
Man könnte das Verfahren als die Parallelisierung eines Prozesses
bezeichnen, den der Senator von Berlin sowieso ausübt. Ich kann zumindest
verstehen, dass private Geldgeber ihre eigene Prüfung durchführen.
Sie selbst waren zehn Jahre lang Abteilungsleiter bei der Schering AG, ehe
Sie 1996 eine Professur für Anlage- und Sicherheitstechnik an der TU Berlin
bekamen. Können Sie das Kreuz und Quer von Wirtschaft und Wissenschaft
überhaupt noch kritisch einordnen?
Im Gegenteil: Wenn man beide Seiten des Schreibtisches gesehen hat, kann
man vieles etwas gelassener beurteilen.
Im Juni läuft das umstrittene Bank-Projekt aus. Was passiert dann mit den
Professoren?
Die sind auf Lebenszeit verbeamtet. Es handelt sich um Strukturprofessuren.
Das heißt, Sie verbeamten Professoren, auf deren Auswahl die Deutsche Bank
Einfluss hatte. Ist das nicht bedenklich?
Noch mal: Es gab keine Einflussnahme darauf, wer dort berufen wurde.
Können Sie erklären, weshalb sich die betreffenden Professoren weigern, mit
Journalisten zu sprechen - wenn doch alles sauber ist?
Die Präsidenten haben den Vertrag unterzeichnet und nicht ein einzelner
Wissenschaftler. Es ist geübte Praxis, dass die Außenvertretung einer
Universität der Präsident wahrnimmt.
So einen "Maulkorberlass" hat einst Ihre Kollegin Monika Auweter-Kurz von
der Uni Hamburg verfügt - und wurde deswegen vom Hof gejagt.
Das hat mit einem Maulkorb nichts zu tun. Die Kollegen bevorzugen es aber,
dass die Öffentlichkeitsarbeit von der Pressestelle wahrgenommen wird.
Niemand bestreitet, dass es in Deutschland Auftragsforschung gibt.
Vielleicht können Sie erklären, inwiefern es die Wissenschaftsfreiheit
befördert, wenn die Deutsche Bank über die Uni-Post Werbemittel verteilen
darf?
Gar nicht.
Warum darf sie es dann?
Was der Beweggrund war, der Bank diese Rechte einzuräumen, darüber kann ich
nur spekulieren. Ich war damals noch nicht Präsident der TU. Das ist sicher
einer der Aspekte, die ich heute anders machen würde.
Das Institut ist vertraglich dazu angehalten, der Bank zu berichten, welche
Fortschritte es bei der Personalrekrutierung an Ihrer Uni gibt. Gehört das
zu Ihren öffentlichen Aufgaben?
Sicher nicht. Auch so was würde ich nicht noch mal in ein Vertragswerk
aufnehmen.
Haben Sie Verständnis für kritische Fragen?
Bei diesen Punkten habe ich hundertprozentiges Verständnis.
Sind Verträge dieser Art bei Ihnen der Normalfall?
60 bis 70 Prozent des Inhalts dieses Vertrags ist mit anderen Verträgen
vergleichbar, 30 Prozent sind eine firmenspezifische Besonderheit. Wieder
einen Anteil davon würden wir in neuen Verträgen nicht wieder aufnehmen.
Gibt es noch weitere solcher Verträge an Ihrer Uni?
Das will ich nicht ausschließen.
Wie bewerten Sie die Mitwirkungsrechte, die Sie der Deutschen Bank
eingeräumt haben, unterm Strich?
Der Vertrag ist sicher kein Best-Practice-Beispiel. Aber in den
wesentlichen Elementen wie der Berufung der Professoren und der Freigabe
von Forschungsergebnissen entspricht er dem gängigen Standard. Es gibt in
bestimmten Bereichen nun einmal Auftragsforschung. Man muss auch offen
benennen, dass dabei eine Universität nicht allein die Regeln bestimmt. Das
ist eine Gratwanderung, die schafft man mal mal besser, mal schlechter.
2.700 von gut 7.800 Ihrer Mitarbeiter werden von außen finanziert. Das
Volumen der sogenannten Drittmittel hat sich in fünf Jahren nahezu
verdoppelt, aber die staatlichen Zuschüsse wachsen nicht nennenswert. Bei
welchem Verhältnis fängt es an, gefährlich zu werden?
Wir haben derzeit einen jährlichen Drittmitteletat von etwa 145 Millionen
Euro. Davon kommt ein Drittel von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, ein
Drittel vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, der Europäischen
Union und Stiftungen - sowie ein Drittel direkt von der Industrie. Ich
halte diesen Anteil der Industrie für in Ordnung. Es sollte nicht mehr
sein, aber weniger auch nicht. Bei diesem Anteil der Industrieforschung wie
ich ihn gerade beschrieben habe, haben wir uns nun sicher nicht verkauft.
Wir sind keine verlängerte Werkbank der Industrie.
Wenn Sie dies nicht sind: Hat die TU einen Kodex für die Einrichtung von
Stiftungsprofessuren?
Formuliert haben wir das nicht. Aber das könnte man sich durchaus mal
überlegen.
1 Jun 2011
## AUTOREN
Martin Kaul
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