# taz.de -- Zivilklausel an der Universität Tübingen: Forschen für die Bunde… | |
> Die Universität Tübingen forscht im Auftrag der Bundeswehr. Das aber | |
> widerspricht der Zivilklausel, sagen Kritiker. Die Hochschule verteidigt | |
> sich nun. | |
Bild: Die Universität Tübingen betont in ihrer Stellungnahme den medizinische… | |
BERLIN taz | Ein Forschungsprojekt zur Therapie von Menschen, die | |
chemischen Kampfstoffen ausgesetzt waren, sorgt in Tübingen für Ärger. Die | |
Hochschule verteidigt das Projekt. Die Forschung diene ausschließlich | |
humanitären Zielen. Die Universität Tübingen wehrt sich gegen Vorwürfe, die | |
geltende "Zivilklausel" zu missachten. | |
In ihrer Grundordnung verpflichtet sich die Hochschule seit 2010, dazu: | |
"Lehre, Forschung und Studium sollen friedlichen Zwecken dienen." | |
[1][Gleichzeitig forscht ein Team des Universitätsklinikums seit 2007 bis | |
heute im Auftrag des Bundesverteidigungsministeriums]. | |
Wie der Leiter der Tübinger Forschungsgruppe, Bernd Antkowiak, nun | |
[2][gegenüber der taz erklärt], verfolge das Projekt keinerlei kriegerische | |
Zielsetzungen und stehe mit der "Zivilklausel" in Einklang. Konkret forscht | |
Antkowiaks Team daran, die Versorgung von Patienten zu verbessern, die an | |
einer Vergiftung durch Organophosphate leiden. Das sind chemische | |
Botenstoffe, die in Nervenkampfstoffen und Pestiziden vorkommen. | |
Das Bundesverteidigungsministerium stellt der Uni dafür insgesamt 486.218 | |
Euro für einen Zeitraum von vier Jahren zur Verfügungen, wie aus einer | |
Antwort des Ministeriums vom September auf eine Anfrage der Linkspartei | |
hervorgeht. Die Zusammenarbeit endet Ende September. | |
Nach Auskunft des Ministeriums handle es sich bei dem Projekt um | |
wehrmedizinische Forschung. Die Ergebnisse wurden auf der Medizinischen | |
C-Schutztagung der Bundeswehr im April 2011 vor internationalem | |
Fachpublikum vorgestellt. C steht für Schutz gegen Krankheitsverursacher | |
durch chemische Kampfstoffe. | |
Antkowiak betont in seiner Stellungnahme den medizinischen Nutzen der | |
Forschung. Organophosphate würden in zahlreichen Entwicklungsländern in der | |
Landwirtschaft zur Bekämpfung von Schädlingen eingesetzt und seien für die | |
Bevölkerung leicht zugänglich. Experten schätzten, dass jedes Jahr ca. | |
300.000 Menschen an den Folgen einer Organophosphatvergiftung sterben. Mit | |
dem Projekt sollten Instrumentarien entwickelt werden, um diese Patienten | |
erfolgreich zu therapieren. "Hierin liegt für mich persönlich eine zentrale | |
Motivation für die Durchführung dieser Forschungsarbeiten", schreibt | |
Antkowiak. Er verweist ferner darauf, dass Organophosphate als chemische | |
Waffen verwendet werden könnten, die sich sowohl gegen militärische | |
Einrichtungen als auch gegen die Zivilbevölkerung richteten. | |
Für Dietrich Schulze, der im Beirat der | |
NaturwissenschaftlerInnen-Initiative für Frieden und Zukunftsfähigkeit | |
sitzt, ist der Widerspruch zur Zivilklausel damit nicht entschärft. "Wenn | |
dem Projekt "eine ausschließlich humanitäre Motivation" zugrunde liegen | |
würde, müsste es aus Mitteln des Bundesforschungsministeriums oder anderen | |
zivilen Quellen gefördert werden", meint Schulze. Wenn die Bundeswehr mit | |
derartigen Beträgen Forschung finanziert, seien militärische Zwecke | |
maßgebend. | |
28 Sep 2011 | |
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## AUTOREN | |
Anna Lehmann | |
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