# taz.de -- Rüstungsindustrie in der Forschung: Bremer Uni streitet über Zivi… | |
> Ein Konzern stiftet eine Professur. Dann verlangt er, dass die Bremer | |
> Universität ihre 25 Jahre alte Klausel zum Verzicht auf Rüstungsforschung | |
> aufgibt. | |
Bild: Das Raumfahrtunternehmen ohb hatte erst kürzlich den Bundeswirtschaftsmi… | |
BREMEN taz | Es waren nur zwei Sätze, aber sie erhitzten die Gemüter an der | |
Bremer Universität: "Es gibt nur die eine Wahl", hatte der Vorsitzende des | |
Bremer Konzerns OHB, Marco Fuchs, am letzten Mittwoch dem Weser-Kurier | |
gesagt: "Entweder die Uni ändert ihre Zivilklausel, oder wir lassen die | |
Professur sein." | |
Fuchs Eltern, "Ehrenbürger" der Bremer Uni, reich geworden mit dem Bau von | |
strategisch überaus wichtigen Aufklärungssatelliten für die Bundeswehr, | |
hatten eine Professur für Raumfahrttechnologie gestiftet. 165.000 Euro | |
wollten sie sich das kosten lassen - jedes Jahr, bis 2021, wurde im | |
November 2010 beschlossen. | |
Seitdem hagelte es Kritik: Denn die einstige linke Reformuni hatte sich | |
1986 selbst dazu verpflichtet, "jede Beteiligung von Wissenschaft und | |
Forschung mit militärischer Nutzung bzw. Zielsetzung abzulehnen". Die | |
Klausel gilt bis heute - auf dem Papier. Denn tatsächlich arbeiten | |
verschiedene Hochschulinstitute seit Jahren mit militärnahen Akteuren | |
zusammen. | |
Die Kooperation mit OHB hat besonderen Unmut erregt: Die direkt neben dem | |
Unigelände ansässige Firma hat für die Bundeswehr das hunderte Millionen | |
Euro teure Radarsatellitensystem SAR-Lupe gebaut. "Wir werden weiter | |
Geschäfte mit der Bundeswehr machen", sagte Fuchs dem Weser-Kurier. Sie sei | |
ein "hochgeschätzter Kunde". | |
## Studenten sammeln Unterschriften | |
Ihn hat verärgert, dass Wissenschaftler und der AStA weiter öffentlich | |
gegen die OHB-Professur Stimmung machten. "Die Uni muss entscheiden, ob sie | |
mit uns zusammenarbeiten will." | |
Nur einen Tag später erklärte der Rektor der Bremer Universität Wilfried | |
Müller, dass die Uni "mit Nachdruck" zur OHB-Professur stehe und für diese | |
"außerordentlich dankbar" sei. Dabei handele es sich um | |
"Grundlagenforschung", der Akademische Senat (AS) der Universität habe der | |
Einrichtung zugestimmt. Die Zivilklausel müsse "aktualisiert werden, da | |
sich die geopolitische Gesamtsituation seit den 80er Jahren erheblich | |
verändert hat". | |
Der AStA schäumte. "Das läuft auf die Abschaffung der Klausel hinaus," | |
sagte Sprecher Sören Böhrnsen. "Die Uni lässt sich von OHB erpressen." Die | |
Studierendenvertreter sammelten in den drei Tagen nach Müllers Statement | |
über 500 Unterschriften für den Erhalt der Klausel. | |
Der Ökonom Wolfram Elsner, Mitglied im AS, sah sich über den Charakter der | |
OHB-Professur getäuscht. "Warum sollte Fuchs die Änderung der Klausel | |
fordern, wenn es sich nur um Grundlagenforschung handelt?" Seit zwei Jahren | |
werde diskutiert, ob die Klausel überarbeitet werden müsse - ergebnisoffen, | |
wie es stets hieß. "Und jetzt wird alles über den Haufen geworfen." | |
Bei der AS-Sitzung am Mittwoch ging eine Gruppe von Dekanen in die | |
Offensive: Sie brachten eine Beschlussvorlage ein, um die Zivilklausel zu | |
"überarbeiten". Mit Verweis auf das Massaker von Srebrenica oder den 11. | |
September argumentierte der Produktionstechnik-Professor Arnim von Gleich, | |
dass die Universität "positive Beiträge für den Schutz vor Gewalt und | |
Menschenrechtsverletzungen" leisten müsse - "auch wenn diese mit | |
Waffengewalt verteidigt werden müssen". Der Beschluss wurde vertagt. | |
15 Jun 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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