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# taz.de -- Libysche Frauen solidarisieren sich: Gleiche Rechte statt Scharia
> Frauen haben während der Revolution eine wichtige Rolle gespielt, im
> Übergangsrat sitzt hingegen nur eine. Auch die Ankündigung, die Scharia
> anzuwenden, sorgt für Unmut.
Bild: Ohne Schleier - und das ist auch gut so: eine junge Frau in Tripolis.
TRIPOLIS taz | Wie alle Aufstandsbewegungen wären auch die libyschen
Rebellen bislang nicht so erfolgreich gewesen, hätten sie nicht auf die
Unterstützung ihrer Mütter, Ehefrauen und Schwestern bauen können. Frauen
haben demonstriert, Flugblätter verteilt, sie haben die Komitees, die den
Kern der neuen Verwaltung bilden, mit aufgebaut. Sie haben für die Kämpfer
gekocht, die Verletzten medizinisch versorgt und Kurierdienste geleistet,
aber auch Waffen geschmuggelt, Informationen über die Stellungen des
Regimes gesammelt und an die Rebellen weitergegeben. Vereinzelt haben
Frauen zu den Waffen gegriffen.
Trotzdem ist dort, wo die Rebellen faktisch die Macht übernommen haben, die
Politik eine reine Männersache. In den Büros der Interimsverwaltung in der
Hauptstadt Tripolis trifft man nur Männer. Unter den mehr als vierzig
Mitgliedern des Nationalen Übergangsrats findet sich nur eine einzige Frau.
Angesichts dessen befürchten viele Frauen, beim Aufbau des neuen Libyen an
den Rand gedrängt zu werden. Dazu trägt auch die Ankündigung des
Übergangsrats bei, dass die Scharia künftig die wichtigste Grundlage der
Gesetzgebung sein werde und Libyen ein gemäßigter islamischer Staat werden
solle. Dies hatte der Vorsitzende des Rats, Mustafa Abdul Dschalil, am
Dienstag angekündigt.
Nun muss Scharia nicht bedeuten, dass Frauen wie in Saudi-Arabien nicht
allein das Haus verlassen können oder nicht arbeiten und Auto fahren
dürfen. In vielen islamischen Ländern wird im Zivilstandsrecht die Scharia
angewendet. Weil es sie benachteiligt, wehren sich allerdings vielerorts
Frauengruppen dagegen. In Libyen hat die Ankündigung unter Frauen wie
Männern die Alarmglocken klingeln lassen. Sie fürchten, dass sich in der
ohnehin konservativen Gesellschaft jene Islamisten durchsetzen, die Frauen
am Herd sehen wollen.
Dass Frauen in der Politik mitreden, sei nicht wichtig, sagte eine junge
Büroangestellte. Zusammen mit zwei Freundinnen wartet sie vor einer kleinen
Klinik, als Einzige trägt sie kein Kopftuch. Allzu viel Freiheit sei auch
nicht gut, sagt sie. Ihre Freundinnen widersprechen heftig. Auch wenn es
ein ferner Traum sei, müssten die Frauen die Möglichkeit haben,
gegebenenfalls auch hohe Staatsämter zu bekleiden, sagt eine.
## Demokratie statt Scharia
In zwei Punkten sind sich die Freundinnen jedoch einig: Sie wollen eine
wirkliche Demokratie und auf keinen Fall die Einführung der Scharia. Sie
wollen wie bisher arbeiten und künftig vor allem reisen können. So sieht es
auch eine Computerspezialistin, die ihr Gesicht mit dem Nikab, dem
Gesichtsschleier, verdeckt hat. Sie sei zwar gläubig, aber in der Politik
habe die Religion nichts verloren. Sie wolle Gleichberechtigung.
Gaddafi hat den Frauen während seiner Herrschaft den Zugang zum
Arbeitsmarkt ermöglicht. Eines seiner Markenzeichen war die weibliche
Leibwache, es gab aber auch Polizistinnen. Die Kadettenschule für Frauen in
Tripolis ist heute geschlossen und ihre Zukunft ungewiss. Frauen schafften
es aber auch in hohe Positionen in der Verwaltung. Und gerade unter ihnen
hatte der "Bruder Führer" zum Teil seine eifrigsten Anhängerinnen.
Vorstellungen darüber, wie ihre Demokratie künftig aussehen soll, haben
viele Frauen wie auch die Männer derzeit erst in Ansätzen. Aber eines
wollen sie unbedingt: ihre Regierung wählen sowie Meinungs- und
Versammlungsfreiheit. In Tripolis haben sich Frauen inzwischen
zusammengeschlossen, um sich Gehör zu verschaffen.
16 Sep 2011
## AUTOREN
Inga Rogg
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