# taz.de -- Gaddafis Hochburgen: Rebellen wollen neue Wege gehen | |
> In Libyen wird um die letzten Städte gekämpft. Die Rebellen versuchen nun | |
> ihre Taktik zu ändern und streiten derweil über ihre Führung. Amnesty | |
> kritisiert die EU-Reaktion auf die Flüchtlingskrise. | |
Bild: Wo es nach der Revolution in Libyen hingeht, weiß niemand so genau. | |
MISRATA/ISTANBUL dpa/afp | Die libyschen Rebellen wollen Sirte, die | |
Heimatstadt des verschwundenen Machthabers Muammar al-Gaddafi, binnen einer | |
Woche einnehmen. Das sagte der Rebellensprecher Mohammed Ibrahim am | |
Dienstag der Nachrichtenagentur dpa in einem Telefoninterview. | |
Ibrahim erklärte, seit Beginn des Angriffs auf die Küstenstadt Sirte hätten | |
die Aufständischen schon 50 ihrer Kämpfer verloren. Deshalb hätten sie | |
jetzt ihre Taktik geändert. "Wir werden jetzt alle Zufahrten nach Sirte | |
blockieren", sagte er. | |
In der Stadt Bani Walid, in der es ebenfalls noch kämpfende Truppen der | |
Gaddafi-Anhänger gibt, sollen in den vergangenen Tagen 24 Rebellen gefallen | |
sein. Auf dem Vormarsch sind die Rebellen nach eigenen Angaben in der | |
südlichen Wüstenstadt Sebha. Gaddafi wird in einer der drei Städte | |
vermutet. | |
## Streit im Übergangsrat | |
Eine Komitee der Aufständischen in der Hauptstadt Tripolis sprach sich | |
gegen die Bildung einer Übergangsregierung aus, "solange das Land noch | |
nicht vollständig befreit ist". Gleichzeitig erklärten die Rebellen, der | |
designierte Ministerpräsident der Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, sei | |
als Regierungschef keine Idealbesetzung, weil er sich während der | |
Revolution meist im Ausland aufgehalten habe. | |
Der Übergangsrat hatte Dschibril, der international gut vernetzt ist und | |
sehr gut Englisch spricht, in den vergangenen Monaten damit beauftragt, in | |
Europa und den USA um Unterstützung für die Rebellenführung zu werben. Auch | |
viele Rebellen aus Misrata sähen lieber einen anderen Regierungschef. | |
Einige Libyer befürchten, dass in ihrer neuen Regierung zu viele Politiker | |
"von Katars Gnaden" sitzen könnten. Der Golfstaat Katar hatte in den | |
vergangenen Monaten eine entscheidende Rolle in der Libyenkrise gespielt | |
und auch die Nato-Einsätze unterstützt. | |
Die Übergangsregierung hätte eigentlich bereits am vergangenen Sonntag | |
vorgestellt werden sollen. Wegen der Rivalitäten verschiedener | |
Gruppierungen wurde der Termin jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben. | |
Während in Libyen über die Führung gestritten wird, kritisiert Amnesty | |
International die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union (EU). | |
## Heftige Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik | |
Die Menschenrechtsorganisation hat die EU wegen des Umgangs mit dem | |
Flüchtlingsproblem im Libyen-Konflikt kritisiert. Derzeit befänden sich | |
etwa 5000 Flüchtlinge vornehmlich aus Schwarzafrika an den Grenzen Libyens | |
zu Tunesien und Ägypten, heißt es in einem Bericht der Organisation, der am | |
Dienstag veröffentlicht wurde. | |
Die Reaktion der EU auf das Elend der Menschen, die vor den Kämpfen in | |
Libyen geflohen seien, sei "bodenlos", sagte Nicolas Beger, Leiter des | |
Europa-Büros von Amnesty. Er forderte die EU-Staaten dringend auf, | |
Libyen-Flüchtlinge aufzunehmen, deren Lage sich immer weiter | |
verschlechtere. | |
So sei die Lage am ägyptischen Grenzübergang Salum "trostlos", erklärte die | |
Organisation. Die Menschen müssten in der Wüstengegend in improvisierten | |
Zelten schlafen, die sie aus Decken und Plastikplanen bestünden. | |
Bisher haben sich laut Amnesty acht europäische Staaten bereit erklärt, | |
Flüchtlinge aufzunehmen. Die insgesamt 700 angebotenen Plätze reichten aber | |
nicht aus. Das Verhalten der EU-Staaten sei umso unverständlicher als | |
mehrere europäische Staaten sich an der NATO-Mission in Libyen beteiligten, | |
sagte Beger. Sie seien damit Teil des Konflikts und mit Grund, dass die | |
Menschen gezwungen gewesen seien, aus dem Land zu fliehen. | |
20 Sep 2011 | |
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