# taz.de -- Rot-schwarze Koalitionsvereinbarung: Das hat Berlin nicht verdient | |
> Rot-Schwarz wird nicht so schlimm? Pustekuchen! Nach den Verhandlungen zu | |
> Verkehr und Stadtentwicklung ist klar, welche Grausamkeiten auf die Stadt | |
> zukommen. | |
Bild: Das ist ihrer Hände Werk: die Chefs von Rot-Schwarz Frank Henkel (CDU) u… | |
## Teure neue Wohnungen | |
Wir haben verstanden: Das war das Signal von SPD und CDU an die | |
Protestierer, die sich zu Beginn der achten Runde der | |
Koalitionsverhandlungen am Dienstagmorgen im Foyer des Roten Rathauses | |
versammelt hatten. Die Mieterinnen und Mieter hatten beiden Parteien ein | |
Dossier übergeben, das vom alltäglichen Wahnsinn einer immer teureren | |
Mieterstadt erzählt. | |
Nach Ende der Verhandlungen zum Thema Wohnen und Bauen am Mittwochabend | |
muss man sagen: Rot-Schwarz hat nicht verstanden. Mehr als KleinKlein kam | |
nicht heraus. Im Gegenteil: Manche Beschlüsse könnten die Preistreiberei | |
auf dem Wohnungsmarkt sogar beschleunigen. Beispiel landeseigene | |
Wohnungsbaugesellschaften: Sie sollen Wohnungen für Bedürftige auch | |
unterhalb des Mietsspiegelwerts anbieten. Klingt gut, nur: Im Gegenzug | |
sollen sie eben auch Wohnungen an Besserverdienende weitaus teurer | |
vermieten dürfen, als es der Mietspiegel bislang erlaubt. Die Vereinbarung | |
zwischen SPD und CDU könnte ein Freibrief sein für die landeseigenen | |
Gesellschaften, mehr noch als bisher nach eigenem Gusto zu verfahren. Dort, | |
wo Wohnungen ohnehin schwer vermietbar sind - etwa im Norden Marzahns -, | |
werden sie etwas runtergehen mit den Preisen. In den Innenstadtbezirken | |
könnte dagegen eine neue Preisspirale angeheizt werden. | |
Beispiel Wohnungsbau: Hier will Rot-Schwarz 30.000 Wohnungen bauen. Dafür | |
soll die öffentliche Hand Grundstücke bereitstellen, das Baurecht | |
entschlacken, den Denkmalschutz liberalisieren. Tatsächlich wird keine | |
dieser Wohnungen günstiger werden als 8,50 Euro pro Quadratmeter plus | |
Nebenkosten. Immerhin: Das Quartiersmanagement bleibt. Logisch: Wer mehr | |
Not sät, wird auch mehr Notstandspolitik betreiben müssen. | |
## Die Bagger kommen | |
Geht es nach SPD und CDU, startet der Weiterbau der Autobahn A 100 zwischen | |
Neukölln und der Elsenbrücke in Treptow schon 2012, Bauende: 2018. Das | |
bekundeten Vertreter beider Parteien nach der jüngsten Verhandlungsrunde. | |
Voraussetzung dafür, dass das Bundesverwaltungsgericht bis dahin Klagen | |
gegen den Weiterbau abgelehnt hat. Auch der Weiterbau von der Elsenbrücke | |
bis zur Frankfurter Allee soll im Koalitionsvertrag stehen. Hier ist die | |
SPD zurückhaltender als die CDU. | |
Der Streit über den 3,2 Kilometer langen Weiterbau der A 100 zwischen dem | |
Autobahndreieck Neukölln und Treptow, den sogenannten 16. Bauabschnitt, | |
hatte die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Grünen platzen lassen. | |
Die Christdemokraten hingegen haben kein Problem mit dem Weiterbau. Sie | |
drängten sogar erfolgreich darauf, den folgenden 17. Bauabschnitt als | |
"politisches Planziel" in den Vertrag aufzunehmen. Die Union vertritt im | |
Kern die Auffassung, dass der Weiterbau ab Neukölln nur dann Sinn macht, | |
wenn man den Autobahn-Stadtring komplett schließt. Die SPD-Seite schränkte | |
ein, es gehe nur darum, sicherzustellen, dass der Bauabschnitt nicht aus | |
dem Bundesverkehrswegeplan verschwindet. | |
Einigkeit erzielten beide Parteien auch beim zweiten großen | |
Straßenbauprojekt, der "Tangentialen Verbindung Ost", kurz TVO. Dahinter | |
verbirgt sich die Idee einer kreuzungsfreien Schnellstraße, die die | |
östlichen und südöstlichen Bezirke mit dem Berliner Ring im Norden und der | |
A 113 im Süden verbinden soll. Ihr grundsätzlicher Verlauf wurde bereits | |
1969 im "Generalverkehrsplan der Hauptstadt der DDR" festgelegt. Ein | |
Mittelstück zwischen Wuhlheide und Biesdorf soll nun vierspurig entstehen. | |
Wo genau, ist offen. | |
## Baut zu! Baut zu! | |
Als Senatsbaudirektorin Regula Lüscher vor zwei Jahren ihre Entwürfe für | |
das Rathausforum vorstellte, gab es Gegenwind nicht nur von der CDU. Auch | |
Kulturstaatssekretär André Schmitz lehnte die Weiterentwicklung des Areals | |
zwischen Spree und Fernsehturm als Freiraum ab. Seitdem standen sich zwei | |
Fraktionen nahezu unversöhnlich gegenüber: Die einen wollen an dieser | |
Stelle wieder die mittelalterliche Stadt aufleben lassen, die anderen einen | |
wichtigen Freiraum erhalten und verschönern. | |
Beim Rathausforum hat die Retrofraktion, zu der auch der Regierende | |
Bürgermeister gehört, nun einen Teilsieg errungen. "Wir wollen in einem | |
städtebaulichen Wettbewerb herausfinden, wie sich das Areal entwickeln | |
kann", sagte SPD-Verhandlungsführer Christian Gaebler am Mittwochabend. | |
Hätte es einen Freiraumwettbewerb gegeben, wäre der Punkt an Regula Lüscher | |
und die moderne SPD gegangen. Ein städtebaulicher Wettbewerb wird dagegen | |
eine Bebauung zum Ergebnis haben. Vorwärts in die Vergangenheit - die SPD | |
machts möglich. | |
Eine weitere Weichenstellung gab es für das Tempelhofer Feld. Die | |
Internationale Bauausstellung IBA 2020 soll nicht mehr, wie geplant, auf | |
dem Exflughafen stattfinden. Vielmehr soll sie, so Gaebler und sein | |
CDU-Kollege Bernd Krömer, unter dem Motto "Wissen, Wirtschaft und Wohnen" | |
über die ganze Stadt verteilt stattfinden. Eine Prioritätensetzung in | |
Richtung Wirtschaft also, die sich vor allem auf dem Gelände des dann | |
stillgelegten Flughafens Tegel präsentieren soll. Aber auch auf das | |
Tempelhofer Flugfeld könnte der wirtschaftliche Druck zunehmen, da hier mit | |
der Landesbibliothek bereits der Leuchtturm des IBA-Themas "Wissen" | |
entstehen soll. Gut möglich, dass der Park deutlich kleiner ausfällt als | |
geplant. | |
## Idyll Westberlin | |
Der Bahnhof Zoo soll wieder Fernbahnhof werden, wird im Koalitionsvertrag | |
als Ziel der künftigen rot-schwarzen Regierung stehen. Da aber weder die | |
Parteizentralen von SPD und CDU noch die Senatsverwaltung für Verkehr die | |
Fahrpläne der Deutschen Bahn festlegen, beschränkt sich dieses Ziel auf | |
eine reine Absichtserklärung. Dafür eingesetzt hatte sich die CDU, während | |
die SPD die Angelegenheit eher leidenschaftslos betrachtet. "Mehr als ein | |
Appell an die Deutsche Bahn ist da nicht möglich", sagte der taz Christian | |
Gaebler, der SPD-Verhandlungsführer für den Bereich Verkehr und | |
Stadtentwicklung. | |
Am Bahnhof Zoo in der City-West halten seit 2006 nur noch Regionalzüge und | |
S-Bahnen. Der Rang als Fernbahnhof, von dem der (West-)Berliner über 100 | |
Jahre die weite Welt aufbricht, ist seither weg. Widerstand einer | |
Bürgerinitiative hatte keinen Erfolg. | |
Die Degradierung entsprang allerdings nicht der Willkür der Deutschen Bahn, | |
sondern deren Bahnhofskonzept für Berlin. Das sah und sieht einen | |
Hauptbahnhof in der Stadtmitte und je einen vorgelagerten Halt in jeder | |
Himmelsrichtung vor: im Westen Spandau, im Norden Gesundbrunnen sowie | |
Südkreuz und Ostbahnhof. Ein zweiter Halt im Westen der Stadt am Zoo, | |
gerade mal drei S-Bahn-Stationen vom Hauptbahnhof entfernt, läuft diesem | |
Konzept gänzlich zuwider. | |
Das kratzte die CDU wenig - sie hielt an ihrer Forderung fest. Ihr | |
Generalsekretär Bernd Krömer lastete es zudem dem bisherigen rot-roten | |
Senat an, dass der Bahnhof Zoo abgestuft wurde. Diesen Fehler der | |
Vorgängerregierung wolle man korrigieren, sagte er. SPD-Kollege Gaebler | |
vermochte hingegen nicht nachvollziehen, wie und wo Rot-Rot dafür | |
verantwortlich war. | |
10 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Uwe Rada | |
Stefan Alberti | |
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