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# taz.de -- Deutsche Unterstützung für Diktaturen: Schnüffeltechnik für die…
> Die Unternehmensgruppe Gamma beliefert Diktaturen mit
> Überwachungstechnik. Zu ihren Kunden gehört auch das BKA.
Bild: Gegen statt für Diktatoren: Demonstrationen, das bessere Exportgut.
BERLIN taz | Deutsche Technik ist gefragt. Deutsche Überwachungstechnik
auch. Vor allem das Geschäft mit Schnüffelsoft- und -hardware ist in den
vergangenen Jahren gewachsen. Zu den eifrigen Abnehmern gehörten und
gehören Länder wie Syrien, Iran oder Mubaraks Ägypten. Länder, die der
Meinungsfreiheit den Kampf angesagt haben.
Das NDR-Magazin Zapp berichtete in Kooperation mit Wikileaks in der
vergangenen Woche, dass deutsche Unternehmen in Geschäfte mit Oman und wohl
auch mit Turkmenistan verwickelt sind. Beide Staaten sind bekannt für
Verstöße gegen die Meinungsfreiheit und für Zensur im Internet.
Interne Unternehmensdokumente geben nicht nur Einblick in die Verwicklung
der Münchener Firma Gamma International GmbH und ihres Schweizer
Partnerunternehmens Dreamlab Technologies AG in Geschäfte mit Oman und
Turkmenistan. Brisant ist, dass das deutsche Bundeskriminalamt Kunde der
Firmengruppe ist, zu der die Münchener Gamma International GmbH gehört.
##
## Branchenimmanenter Mangel an Transparenz
Die Gamma-Gruppe ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Markt für
Überwachungstechnik organisiert ist: Die Münchener Firma Gamma
International ist nur eines von mehreren englischen und deutschen
Unternehmen, die die Gamma-Gruppe unter ihrem Dach vereint. Zu diesem
Verbund gehört zudem das deutsch-schweizerische Unternehmen Elaman. Über
einige der Personen, die an diesen Unternehmen beteiligt sind, bestehen
wiederum Verbindungen zu anderen Sicherheitsunternehmen in Deutschland und
der Schweiz. Dieser Mangel an Transparenz scheint Geschäftsvoraussetzung in
der Branche.
Einer größeren Öffentlichkeit bekannt wurde die Gamma-Unternehmensgruppe
nach der Revolution in Ägypten. Im März erstürmten Demonstranten die
Zentrale der ägyptischen Staatssicherheit. Dort fanden sie ein geheimes
Angebot der britischen Gamma International Ltd. Das Unternehmen bot die
Produkte FinSpy und FinFly Lite feil - Überwachungssoftware der modernsten
Sorte. Fast 400.000 Euro waren hierfür veranschlagt. Den ägyptischen
Sicherheitsbehörden wurde ein Laptop mit einer Testversion überlassen. Sie
setzten ihn fünf Monate lang zur Bespitzelung von Oppositionellen ein.
Die in Ägypten angebotenen Produkte FinSpy und FinFly gehören zur
Gamma-Produktreihe FinFisher. Mit FinFisher ist es möglich, Computer und
Smartphones mit einem Trojaner zu infizieren. Hierfür gibt es - je nach
FinFisher-Produkt - verschiedene Möglichkeiten.
## Infizierte Computer hören und filmen unbemerkt mit
Eine Trojanerattacke ist etwa über das WLAN, per USB-Stick oder Fake-Update
in Programmen wie iTunes oder Adobe Flash Player möglich. Ist der Trojaner
einmal installiert, hat man die Kontrolle über den Computer oder das
Smartphone verloren. Der FinFisher-Nutzer kann nicht nur den gesamten
Inhalt des infizierten Geräts durchsuchen, sondern auch Chats und E-Mails
mitlesen, Skypetelefonate mithören oder Videokonferenzen anschauen. Zudem
lassen sich Kamera und Mikrofon des befallenen Geräts aus der Ferne
aktivieren. Die Technik ist auch für all jene nutzbar, die "keine
fortgeschrittenen IT-Kenntnisse" haben, verspricht ein Werbetext für das
FinFisher-Produkt FinSpy.
Ein besonders schlagkräftiges Produkt der FinFisher-Reihe heißt FinFly ISP.
Es ermöglicht die massenhafte Infizierung von Computern mit Spyware über
das Internet. Somit macht diese Technik den physischen Zugang oder
zumindest die Nähe zu dem attackierten Computer oder Smartphone
überflüssig, die normalerweise für den Erfolg von Trojanerattacken
garantiert sein muss.
FinFly ISP ist für Kunden interessant, die auf Schnittstellen des
Telekommunikationsnetzes Zugriff haben. Das können vor allem
Sicherheitsbehörden sein, die hierzu im Rahmen der staatlichen
Telekommunikationsüberwachung ermächtigt sind. Mithilfe von FinFly ISP
können sie ganze Bevölkerungs- und Nutzergruppen ausspähen. Zum Beispiel
Oppositionelle.
FinFly ISP funktioniert auf Grundlage der sogenannten
Infection-Proxy-Technik. Ihre Entwicklung geht auf die Schweizer Firma
Dreamlab Technologies AG zurück. Die technischen Fähigkeiten dieser kleinen
Firma haben es der Gamma International offensichtlich angetan. Wie interne
Dokumente belegen, die der taz vorliegen, ist die Münchener Firma mit der
Dreamlab AG eine "strategische Partnerschaft" eingegangen.
## Viel Geld aus Oman
Als "Beitrag" von Dreamlab zu dieser Kooperation zählt ein Dokument aus dem
Jahr 2011 auch "Infection-Proxy-Lösungen (FinFly ISP)" auf, "bestehend aus
Hardware, Software und Dienstleistungen". Gamma bietet im Gegenzug einen
weltweiten "Vertriebszugang zu Kunden aus den Bereichen Regierung,
Ermittlungsbehörden, Dienste, Militär und mit hoheitlichen Aufgaben
betraute Privatfirmen".
Weltweit. Das umfasst Regierungen in undemokratischen Ländern. Dokumenten
aus dem Jahr 2010 zufolge reisten Vertreter der Firmen Gamma und Dreamlab
auch nach Oman und Turkmenistan, um ihre Produkte zu bewerben.
Zumindest im Fall Omans mit Erfolg. "Infection-Proxy-Lösungen" seien 2010
"vor Ort" aufgebaut worden, so ein Angebotsschreiben der Dreamlab AG an die
Gamma International vom Dezember 2010. Das bezieht sich auf das intern so
genannte "Project O" - wobei O wohl für Oman steht -, für das die Firma
Dreamlab im März desselben Jahres einen Angebotsentwurf für die Gamma
International GmbH vorbereitet hatte.
In diesem Angebot listen die Schweizer die Bereitstellung und den Aufbau
von Infection-Proxy-Technik im Sultanat auf, inklusive Schulung und Wartung
der Geräte. Für den potenziellen Kunden ein teurer Spaß. Allein für diesen
Teil des Projekts kalkuliert Dreamlab mit einem Auftragsvolumen von rund
450.000 Schweizer Franken.
## Wer den Handel mit Oman abschloß, bleibt unklar
Ein "Plan zur Projektimplementierung von Project O" verzeichnet einen
detaillierten Projektablauf für August und September 2010, in dem von der
Hard- und Softwareinstallation bis hin zum Training vor Ort alles Wichtige
enthalten ist. Sogar an eine mehrtägige Projektpause während des Ramadan
wurde gedacht.
Eine wohl für Kundentrainings angefertigte Power-Point-Präsentation von
Dreamlab gibt auf 67 Seiten detaillierten Einblick in Funktion und
Bedienung der installierten FinFly-ISP-Technik. Sollte etwas mit den
Überwachungsanlagen nicht funktionieren, beruhigen die Dreamlab-Vertreter,
sollten sich die Kunden nicht sorgen: "We fix things together."
Ansprechpartner war offenbar das staatliche Telekommunikationsunternehmen
Omantel. Der omanische Anbieter deckt das volle Telekommunikationsspektrum
ab: Fest- und Mobilnetz sowie Internet. Das Installieren von
Iproxy-Systemen ermöglicht in einem solchen Netz die Überwachung der
Bevölkerung. Im Zeichen politischer Demonstrationen, die in Oman in den
vergangenen Monaten wiederholt gewaltsam niedergeschlagen wurden, mag dies
nicht unwillkommen sein.
Wer das Projekt letztlich nach Oman verkauft hat, bleibt unklar. Die
Münchener Gamma International GmbH stellt über einen Anwalt fest, selbst
keine Exporte oder Installationen von Spyware oder
Infection-Proxy-Produkten in Oman oder in Turkmenistan getätigt zu haben.
Hierbei bezieht sie sich nicht auf die anderen Firmen der
Unternehmensgruppe, sondern nur auf die deutsche Gamma International.
## Weder Entwicklung noch Verkauf sind strafbar
Die Dreamlab AG dementiert auf Anfrage nicht, an den beiden Projekten
beteiligt gewesen zu sein: "Zu internen geschäftlichen Aktivitäten und
ihren Beziehungen zu Partnerunternehmen oder Kunden gibt Dreamlab keine
Auskünfte an Dritte."
So unmoralisch Außenstehenden solche Geschäfte erscheinen: Strafbar sind
weder Entwicklung noch Verkauf von Überwachungstechnik. Auch nicht, wenn
Geschäfte mit repressiven Regierungen gemacht werden, die damit alle
Überwachungsmöglichkeiten erhalten. Produkte zur Überwachung von
Telekommunikation fallen mehrheitlich weder unter nationale noch unter
europäische Exportregeln. Dies gilt gerade für Spyware, deren Bedeutung für
den Überwachungsmarkt die Politik bislang nicht erkannt hat.
Es gibt noch nicht einmal Pläne, den Export solcher Produkte zu
kontrollieren. Eine Initiative des Grünen-Abgeordneten Reinhard Bütikofer,
dies zu ändern, scheiterte jüngst im Europäischen Parlament. Firmen wie die
Gamma-Gruppe können weiterhin ihren Geschäfte nachgehen.
Auch die deutschen Behörden nehmen offenbar wenig Anstoß an den
Geschäftspraktiken der Gamma-Gruppe. So macht das Bundeskriminalamt
Geschäfte mit Gamma. Darauf weist eine Antwort der Bundesregierung auf eine
Kleine Anfrage der Linken-Bundestagsfraktion hin. Wie die Ermittler auf
genauere Nachfrage für diesen Artikel hin mündlich mitteilen, testet das
BKA momentan die Gamma-Software FinSpy - wohl ebenjene Technik, die im März
2011 auch in Ägypten gefunden wurde.
FinSpy könnte den sogenannten Bundestrojaner ersetzen, eine Software zur
Quellentelekommunikationsüberwachung. Unklar ist noch, ob das Produkt auch
"den technischen, rechtlichen und fachlichen Vorgaben und Erwartungen"
genügt, so das BKA. Die Behörde habe die Software deshalb vorerst nur "zu
Testzwecken erworben". Die Berichte über die Geschäfte der Gamma-Gruppe
seien "bekannt und werden derzeit bewertet".
15 Dec 2011
## AUTOREN
H. Burmester
J. Goetz
J. Klofta
A. Ruprecht
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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Trojaner
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