# taz.de -- Überwachte Kommunikation: Feind liest mit | |
> Weil Braunschweigs Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) und seine | |
> Verwaltung die Internetaktivitäten der Ratsfraktionen protokollieren, | |
> boykottieren die Piraten den städtischen Netzzugang. | |
Bild: Der große Bruder schaut zu: In Braunschweig kann die Verwaltung den E-Ma… | |
BRAUNSCHWEIG taz | Kaum sind sie bei der Kommunalwahl im September in den | |
Rat der Stadt gewählt, sorgen die Piraten in Braunschweig für Wirbel: Sie | |
warnen vor der Überwachung des Internetzugangs der Ratsfraktionen durch die | |
Stadtverwaltung. Und haben mittlerweile nicht nur Braunschweigs Grüne, | |
sondern auch die Landesdatenschutzbehörde auf den Plan gerufen. | |
Gespeichert wird in Braunschweig weit mehr als es die umstrittene | |
Vorratsdatenspeicherung vorgesehen hat, die das Bundesverfassungsgericht | |
2010 für rechtswidrig erklärt hat, lautet die Kritik der Piraten. Zwei | |
Monate lang hält die Stadtverwaltung die Aktivitäten von Nutzern des | |
kostenfreien städtischen Internetzugangs fest. | |
Protokolliert werden Zugriffe auf das Internet, Rechneradressen, | |
Benutzernamen, bei E-Mails nicht nur Absender- und Empfängeradresse, | |
sondern auch die Betreffzeile. Das gilt für Mitarbeiter der | |
Stadtverwaltung, die den städtischen Zugang nutzen, ebenso wie für die | |
Ratsfraktionen. Und deren Internetaktivitäten könnten so "lückenlos | |
überwacht werden", warnt Piraten-Fraktionschef Jens-Wolfhard | |
Schicke-Uffmann. | |
Aufgefallen ist den Piraten die Speicherpraxis gleich nach ihrem Einzug in | |
Rathaus: Um den städtischen Netzzugang nutzen zu können, sollte die neu | |
gebildete Fraktion Dienstanweisungen mit entsprechenden Regelungen | |
unterschreiben. Zudem sollte sie sich in den Anweisungen verpflichten, die | |
Chronik ihres Internetbrowsers, in dem alle besuchten Internetseiten | |
gespeichert sind, über 20 Tage nicht zu löschen. | |
Die Piraten weigerten sich - derzeit gehen sie über einen eigenen Zugang | |
ins Netz. In einem Ratsantrag fordern sie Braunschweigs Oberbürgermeister | |
Gert Hoffmann (CDU) jetzt auf, den Fraktionen "selbstbestimmtes Arbeiten" | |
zu ermöglichen. Er soll einen Zugang zum Internet ohne Datenspeicherung zur | |
Verfügung stellen. | |
Alle anderen Fraktionen haben die städtischen Bedingungen längst | |
abgesegnet. Auch die Grünen, denen die Bedeutung der städtischen | |
Dienstanweisungen "einfach nicht bewusst gewesen ist", wie ihr | |
Vize-Fraktionschef Gerald Heere einräumt. Mittlerweile fordern auch sie | |
unprotokollierten Netzzugang und äußern in einem offenen Brief an | |
Oberbürgermeister Hoffmann "massive Bedenken" über die städtische | |
Speicherwut. Dass die Stadtverwaltung eine überwachende Funktion gegenüber | |
den Ratsfraktionen einnehme, sehe man "vor dem Hintergrund einer | |
notwendigen und gewünschten Gewaltenteilung sehr kritisch", heißt es in dem | |
Brief der Grünen. | |
Die Stadt gibt sich wortkarg: Man prüfe derzeit den Ratsantrag der Piraten, | |
ist die einzige Stellungnahme, die die taz nach mehrfacher Anfrage bekam. | |
Oberbürgermeister Hoffmann hatte die Kritik zuvor gegenüber Medien | |
zurückgewiesen: Seit Jahren nutzten die Fraktionen den städtischen | |
Internetzugang, Beschwerden habe es bisher nicht gegeben. Er selbst | |
"verstehe von solchen Dingen nichts" und interessiere sich auch nicht | |
dafür, erklärte Hoffmann der Lokalpresse. | |
Mehr Auskunft über ihre Speicher- und Protokollpraxis wird die Stadt | |
Niedersachsens Datenschutzbeauftragten geben müssen: Auch die haben sich | |
zwischenzeitlich eingeschaltet und die Stadt aufgefordert, bis Donnerstag | |
Stellung zu nehmen. "Wir werden uns das sehr genau anschauen", kündigt | |
Behördensprecher Michael Knaps an. | |
Bei allem Bemühen um die Sicherheit des eigenen Datenverarbeitungssystems | |
und die Dienstaufsicht über ihre Mitarbeiter müsse die Stadt den Schutz | |
persönlicher Daten gewährleisten. "Dies gilt natürlich umso mehr für | |
Personen, die keiner Dienstaufsicht durch die Stadtverwaltung unterliegen - | |
wie zum Beispiel die Mitglieder der Ratsfraktionen", sagt Knaps. | |
6 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Teresa Havlicek | |
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