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# taz.de -- Energie in Russland: Marode Atomwirtschaft
> Russische Regierungsvertreter sollen deutschen Stromkonzernen
> katastrophale Zustände in AKWs beschrieben haben. Russische Aktivisten
> fühlen sich bestätigt.
Bild: Von Tschernobyl nach Fukushima: Russische Atomkraftgegner ziehen die Para…
BERLIN/MÖNCHENGLADBACH Über die seltsamen Verstrickungen des
baden-württembergischen Energiekonzerns EnBW mit der russischen
Atomwirtschaft werden immer mehr Details bekannt.
Deutsche Atombosse sollen im Juli 2004 einen Vertrauten Wladimir Putins
getroffen haben. Die Vertreter von RWE und EnBW sollen damals erfahren
haben, dass die Russen Angst um die Sicherheit ihrer atomaren Anlagen
haben, berichtet die Süddeutsche Zeitung.
Die Lage sei besorgniserregend, soll der damalige Generalsekretär der
Regierungspartei Einiges Russland, Valery Bogomolov, laut einer Aktennotiz
gesagt haben. Russland könne nicht mehr für die Sicherheit seiner über 200
Reaktoren, 2.000 Lager für radioaktive Abfälle und andere 5.200 nuklearer
Quellen sorgen. Eon und Vattenfall sollen Protokolle erhalten haben –
allerdings schlug keiner der vier Konzerne damals Alarm.
## Aktivisten sehen sich bestätigt
Russlands Anti-Atom-Szene fühlt sich durch den Bericht bestätigt. „Wir
beklagen schon seit Jahren die fehlende Transparenz des russischen
Atomkonzerns Rosatom. Dies öffnet der Korruption Tür und Tor“, sagt
Christian Rinkewitsch von der St. Petersburger Umweltgruppe Eco-Perestroika
zur taz. Die Behörden würden sehr lax auf nachlässiges Verhalten der
Atomwirtschaft reagieren.
„Ein Gericht hat 2006 den Chef der Plutoniumfabrik Majak am Ural der
gesetzwidrigen Verklappung von flüssigem radioaktivem Müll in die Umwelt
überführt“, erzählt Rinkewitsch. „Und die Folgen? Der Beschuldigte wurde
noch im Gerichtssaal amnestiert.“
Die staatliche Behörde Rosatom leitet fast den gesamten atomindustriellen
Komplex des Landes. Gemeinsam mit Umweltgruppen aus dem Münsterland hatte
Eco-Perestroika gegen die Atommülltransporte von Gronau nach Sibirien
gekämpft, die in der Regel den Hafen von St. Petersburg passierten. Gerade
am Atomkraftwerk Leningradskaja, das St. Petersburg und Umgebung mit Strom
beliefert, habe man in den letzten Jahren beobachten können, wie gefährlich
Korruption in diesem Wirtschaftsbereich für die gesamte Bevölkerung sei,
beklagt Rinkewitsch.
Vor über zehn Jahren habe ein entlassener Angestellter des Atomkraftwerks
Sergej Charitonow berichtet, dass statt versprochener neuer Messgeräte
weiterhin die alten verwendet würden. „Ein Problem der russischen
Atomwirtschaft sind die absolut unzureichenden Sicherheitskontrollen.
Rosatom lässt sich nicht kontrollieren, auch nicht von staatlichen
Kontrollorganen“, so Rinkewitsch.
## Personalmangel und Unterfinanzierung
Auch internationale Organisationen haben kein Mandat für eine derartige
Kontrolle und kommen höchstens auf Einladung der russischen Regierung ins
Land. Die letzte Mission dieser Art der Internationalen Atomenergiebehörde
IAEA fand im November 2009 statt. Damals kam heraus, dass Russland zwar
Reformen in Sachen nuklearer Sicherheit auf den Weg gebracht hat. Dennoch
schreiben die Experten von Personalmangel und Unterfinanzierung bei den
Aufsichtsbehörden, zudem seien unabhängige Inspektionen der Nuklearanlagen
schwer.
Russland ist eines der Länder, dass sich trotz der Katastrophen von
Fukushima und Tschernobyl nicht von seiner Nuklearstrategie abbringen ließ.
Das Land betreibt derzeit 33 Atomreaktoren, 10 befinden sich im Bau, 17
weitere sind geplant.
Unterdessen erschüttert ein neuer Korruptionsskandal die russische
Atomwirtschaft. Am Sonntag hat ein Stadtgericht im sibirischen Tomsk
Haftbefehl gegen den Generaldirektor der Aktiengesellschaft „Sibirisches
Chemisches Kombinat“, Wladimir Korotkewitsch, seinen Stellvertreter und den
Generaldirektor der Firma „TVEL“ erlassen. Beide sollen beim Einkauf von
Brennstoffen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Die Firmen sind
Töchter von Rosatom. Die im nordrhein-westfälischen Gronau beheimatete
Firma Urenco entsorgte in Tomsk bis 2009 abgereichertes Uran.
26 Jun 2012
## AUTOREN
B. Clasen
I. Arzt
## TAGS
Atomenergie
Atom
Vattenfall
Schwerpunkt Atomkraft
Schwerpunkt Atomkraft
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