# taz.de -- Notfallpläne für Atomunfall in Deutschland: Mit Evakuierung über… | |
> Auf einen Unfall wie den in Fukushima sind die deutschen Notfallpläne | |
> nicht eingestellt. Das Strahlenschutzamt warnt. Das | |
> Bundesumweltministerium wiegelt ab. | |
Bild: Mit einer radioaktiven Wolke wie in Japan wären die deutschen Behörden … | |
BERLIN taz | Eine radioaktive Wolke, die sich im Norden bis nach Mannheim | |
und Heidelberg, im Süden über Karlsruhe erstreckt: Das wäre das Ergebnis | |
gewesen, wenn sich der GAU von Fukushima nicht in Japan, sondern am | |
Standort des deutschen Reaktors Philippsburg ereignet hätte. Und die | |
Behörden wären völlig überfordert gewesen, weil Maßnahmen wie Evakuierungen | |
oder die Gabe von Jodtabletten in weitaus größeren Gebieten notwendig | |
wären, als in den deutschen Katastrophenschutzplänen vorgesehen ist. | |
Zu diesen Ergebnissen kommt das Bundesamt für Strahlenschutz in einer | |
Analyse, die der taz vorliegt. Die Experten der obersten deutschen | |
Strahlenschutzbehörde haben darin die gemessene Strahlung von Fukushima und | |
vergleichbaren Szenarien mit realen Wetterbedingungen von Oktober und | |
Dezember 2010 auf die AKW-Standorte Philippsburg (Baden-Württemberg) und | |
Unterweser (Niedersachsen) übertragen. | |
Während die aktuellen Notfallpläne Evakuierungen oder das Verbot, sich im | |
Freien aufzuhalten, nur bis zu einer Entfernung von 10 Kilometern zum | |
Unglücksort vorsehen, können den Berechnungen zufolge Evakuierungen auch | |
noch in 24 Kilometern und die Pflicht zum Aufenthalt in Gebäuden noch in | |
100 Kilometern notwendig sein. | |
Grund für die großen Unterschiede: Die Grundlage für die bisherigen Pläne | |
war ein Szenario wie in Tschernobyl, bei dem große Mengen Strahlung über | |
einen kurzen Zeitraum freigesetzt werden. Wenn aber, wie in Fukushima, eine | |
geringere Menge Radioaktivität über einen sehr viel längeren Zeitraum | |
austritt, kann es sich durch wechselnde Windrichtungen über ein sehr viel | |
größeres Gebiet erstrecken. Die derzeitigen Planungen seien „nicht in allen | |
Belangen ausreichend“, folgern die Autoren. Die Umsetzung der Maßnahmen | |
komme „bei einer lang andauernden Freisetzung schnell an ihre Grenzen“. | |
Fertiggestellt wurde die Studie bereits im August vergangenen Jahres; | |
veröffentlich wurde sie bisher jedoch noch nicht. Das Bundesamt für | |
Strahlenschutz (BfS) äußerte sich auf Anfrage weder zu den Inhalten der | |
Studie noch zum Grund für die Nichtveröffentlichung, sondern verwies auf | |
die Zuständigkeit des Bundesumweltministeriums, dem die Behörde untersteht. | |
Dort werden die Ergebnisse der eigenen Experten infrage gestellt. Die | |
Ergebnisse des BfS beruhten auf einer „hypothetischen Übertragung der | |
Freisetzungen in Fukushima auf deutsche Anlagen“, heißt es in einer | |
Stellungnahme. Zudem bedürften die „Annahmen, die der Studie zugrunde | |
liegen, einer Überprüfung“, so das Ministerium. „Eine abschließenden | |
Bewertung, ob die Notfallschutzplanungen geändert werden müssen, kann erst | |
nach Abschluss dieser Überprüfungen und internationalen Konsultationen | |
vorgenommen werden.“ | |
Dass die Studie geheim gehalten werden sollte, bestreitet das Ministerium. | |
Sie werde später veröffentlicht. Wann das sein wird, blieb auf Anfrage | |
unbeantwortet – ebenso wie die Frage, ob und wann mit Konsequenzen zu | |
rechnen ist. | |
18 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Atomkraft | |
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