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# taz.de -- Energieförderung von gestern: Atomkraft aus Elysium
> Mehrere EU-Staaten fordern, die Atomenergie wie erneuerbare Energien zu
> fördern. Ein Offenbarungseid, der zeigt, dass sich die Kernkraft nicht
> mehr rechnet.
Bild: Frankreich, Polen und Tschechien müssen fürchten, von einer europäisch…
BERLIN taz | Laut eines Berichtes der Süddeutschen Zeitung wollen
Frankreich, Großbritannien, Polen und Tschechien von der EU die Erlaubnis,
Atomenergie ähnlich wie erneuerbare Energien zu fördern. Offizielle
Begründung: Europa will bekanntlich langfristig seine CO2-Emissionen massiv
senken, das müsse „technologieneutral“ erfolgen. Hauptsache, keine
Klimagase, egal mit welcher Technik.
Eine bessere Werbung für die Energiewende könnte es eigentlich nicht geben.
Kernkraftwerke werden seit über 50 Jahren gebaut, entwickelt, staatlich
gefördert und gepäppelt. Die BürgerInnen werden dabei stets über die wahren
Kosten des Unterfangens schlichtweg im Dunkeln gelassen.
Wenn eine Technologie nach all dieser Zeit nicht wettbewerbsfähig ist, dann
eben weg damit. Tschernobyl, Fukushima, die Gefahr vor Terroranschlägen auf
Atomkraftwerke, die Proliferation von Atomwaffen, die ungeklärte
Endlagerfrage, all diese Debatten würden genug Argumente liefern, die Pläne
der drei Atomstaaten Großbritannien, Frankreich, Tschechien und des
Möchtegern-Atomstaats Polen als Irrwitz einer von der Atomlobby
gehirngewaschenen Politik zu verwerfen.
Doch all diese Argumente sind überhaupt nicht nötig. Die Botschaft des
Papiers ist schlicht: Atomkraft ist ökonomischer Schwachsinn und ohne
öffentliche Gelder nicht überlebensfähig. Man könnte fast meinen, die ganze
Aktion sei eine kommunikationspolitische Guerilla-Aktion von Greenpeace.
## Pläne sind nicht neu
Allerdings sind die Pläne aus Frankreich und Großbritannien, Atomkraft
erneuerbaren Energien gleich zu stellen, nicht neu - auch wenn Frankreich
das gemeinsame Papier bereits dementiert hat. Genauso wenig neu ist, das
Atomenergie gefördert wird.
Die direkten Subventionen, Steuererleichterungen und staatliche
Forschungsgelder für die Atomindustrie türmen sich laut einer
Greenpeace-Berechnung seit 1950 – in heutigen Preisen gerechnet – allein in
Deutschland auf über 200 Milliarden Euro auf. Versteckt und geheim, um den
Mythos der billigen Atomenergie aufrecht zu erhalten.
Die erneuerbaren Energien dagegen sind lang nicht so teuer, wie allgemein
angenommen. Das Problem ist, dass ihre Kosten maximal transparent bekannt
sind, ihr Gegenwert allerdings nicht. Sie senken die Energiepreise an der
Strombörse, sorgen für Arbeitsplätze, sind Strukturförderung für ländliche
Regionen, verteilen die Einnahmen aus der Energieerzeugung an Viele und
entlasten die Atmosphäre ohne Strahlenmüll zu hinterlassen.
Deutschland wird dem Atomvorstoß politisch schon aus merkelschem
Wahltaktikkalkül heraus nicht zustimmen können. Die FDP ist dagegen, die
Opposition sowieso und selbst EU-Energiekommissar Günther Oettinger (CDU)
steht der Sache „skeptisch“ gegenüber.
## Geringere ökonomische Anreize
Trotzdem steckt hinter der Initiative ein großes Problem. Die vier Länder,
die jetzt auf Atomkraft setzen, haben offenbar zu wenig ökonomische Anreize
für erneuerbare Energien. Vor allem Frankreich, Polen und Tschechien müssen
fürchten, von einer europäischen Energiewende kaum zu profitieren, weil
Unternehmen in Deutschland oder Spanien die Nase vorn haben.
Entsprechend gibt es in diesen Ländern auch kaum eine einflussreiche Lobby
für regenerative Energien. Am günstigsten überhaupt wäre die Energiewende,
wenn alle Europäer an einem Strang ziehen würden. Würden sie ihre
Potentiale an küstennaher Windkraft, Solarenergie im Süden, Biomasse im
Osten und Wasserkraft in den Gebirgen gemeinsam nutzen und vernetzen,
würden sich die schwankenden Ernten der erneuerbaren Energien am besten
ausgleichen.
Der Vorstoß der vier Staaten zeigt vor allen: Europa hat keine einheitliche
Energiepolitik.
13 Apr 2012
## AUTOREN
Ingo Arzt
## TAGS
Schwerpunkt Atomkraft
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