# taz.de -- Parteitag in China: Wohlstand für alle | |
> KP-Chef Hu Jintao verspricht den 1,34 Milliarden Chinesen auf dem | |
> Parteitag die „Verdoppelung“ der Einkommen bis 2020. Wie, das bleibt | |
> seinem Nachfolger überlassen. | |
Bild: Fleisch für jeden: Hu Jintao verspricht den Chinesen eine Gesellschaft i… | |
PEKING taz | Der Kontrast könnte nicht größer sein: Die Anhänger des | |
wiedergewählten US-Präsidenten Barack Obama schlafen nach monatelangem | |
Wahlkampf und einer aufregenden Jubelnacht noch ihren Rausch aus. Zur | |
gleichen Zeit blättern in der Großen Halle des Volkes im Zentrum Pekings | |
2.286 Delegierte auf ihren Plätzen gelangweilt in Papieren herum oder | |
spielen mit ihren Smartphones. Geschlafen wird zwar auch – aber aus anderen | |
Gründen: Chinas Nochstaatsoberhaupt Hu Jintao hat noch keine Viertelstunde | |
gesprochen, da nicken die ersten Delegierten ein. | |
In China hat am Donnerstag der 18. Parteitag der regierenden Kommunisten | |
begonnen. Er ist deshalb so wichtig, weil die Delegierten eine neue Führung | |
für die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt absegnen. | |
Bei Chinas Kommunisten ist von Aufbruchstimmung aber nur wenig zu spüren. | |
Als die 40-köpfige Parteispitze zu dröhnender Kapellenmusik feierlich ihre | |
Plätze einnimmt, wird im Saal noch höflich geklatscht. Doch schon nach Hus | |
ersten Sätzen ist es mit dem Enthusiasmus vorbei. | |
## Kühn – aber nicht unmöglich | |
Dabei hat es die Rede durchaus in sich. Hu verspricht in seinem | |
90-minütigen Vortrag nichts Geringeres als eine Verdoppelung des | |
Pro-Kopf-Einkommens bis 2020. „Wenn wir die Ideale hegen, […] | |
unerschütterlich, hart und unermüdlich kämpfen, dann können wir den Aufbau | |
einer Gesellschaft mit bescheidenem Wohlstand erreichen“, erklärt Hu. Da | |
sind viele Wenns, die Ankündigung klingt kühn – aber völlig unmöglich | |
scheint es nicht zu sein. | |
China hat in den vergangenen 30 Jahren eine Entwicklung hinter sich, die | |
ihresgleichen sucht. Fast durchgehend zweistellige Wachstumsraten haben das | |
Riesenreich von einem völlig unterentwickelten Land zum reichsten | |
Schwellenland gemacht. Und vor allem in den vergangenen zwei Jahren wirkte | |
China – was die Zuwachsraten betrifft – wie eine Insel der Glückseligen. | |
Auf fast allen Erdteilen kriselte es. Nur in der Volksrepublik hat es | |
weiter geboomt. | |
Doch die Krise in den USA und Europa ist auch in der Volksrepublik zu | |
spüren. Die Exporte sind eingebrochen. Zugleich will auch der chinesische | |
Binnenmarkt nicht so recht in Schwung kommen. Um nur noch 7,4 Prozent ist | |
die chinesische Wirtschaft im dritten Quartal gewachsen – so schwach wie | |
seit drei Jahren nicht. | |
Das klingt in den Ohren krisengeplagter Europäer zwar immer noch nach viel. | |
Doch der Einbruch gibt zu denken. Stößt China mit seinem bisherigen | |
Wachstumsmodell nicht doch an seine Grenzen? Der US-Ökonom Barry | |
Eichengreen warnt schon lange: Eine zu stark auf Export getriebene | |
Industrie und ein weiterhin schwacher Binnenkonsum werde nun dazu führen, | |
dass es vorbei ist mit Chinas Traumraten. | |
Eichengreen zufolge war der bisherige Aufstieg vergleichsweise einfach. | |
Dazu waren stabile Verhältnisse und ein Heer an Arbeitskräften nötig, die | |
zu geringen Löhnen bereit waren, wenig anspruchsvolle Produkte | |
herzustellen. Nun aber steigen auch in China die Löhne. Damit muss aber | |
auch ein neues Wachstumsmodell her, das auf Innovation und hochwertige | |
Produkte setzt, die mit denen der Industriestaaten konkurrieren können. Das | |
wiederum bedarf nicht nur mehr Investition in Bildung und Forschung, | |
sondern auch Rechtssicherheit sowie der Bekämpfung von Korruption. Davon | |
ist China aber weit entfernt. | |
## Gefährliche Blasen | |
Der in Peking lebende US-Ökonom Michael Pettis sieht es gar noch | |
pessimistischer. Chinas Wachstum vor allem in den vergangenen Jahren war | |
getrieben von massiven staatlichen Investitionen. Die Privatwirtschaft | |
hingegen wurde dadurch von den großen Staatsbetrieben verdrängt. Diese | |
Strategie habe zu starken Verzerrungen auf den Märkten geführt, die in | |
einzelnen Branchen gefährliche Blasen geschaffen hätten – etwa in Chinas | |
Immobiliensektor. | |
Nicht alle Ökonomen sind besorgt. Der Staat habe unmittelbar als Reaktion | |
auf die schwere Weltwirtschaftskrise Ende 2008 mit gigantischen | |
Konjunkturhilfen und großzügiger Geldpolitik eingegriffen. Nun könnte | |
Chinas Führung allmählich umschichten: Weg vom staatlichen Investment, hin | |
zur Stärkung des Privatsektors, schreibt Nick Lardy vom Peterson Institute | |
im Wall Street Journal. Das verspreche weiter hohe Wachstumsraten. | |
Das stellt sich auch Chinas Führung so vor. Doch selbst wenn sie mit dieser | |
Strategie Erfolg haben sollte – führt sie dazu, dass sich die | |
Pro-Kopf-Einkommen innerhalb von acht Jahren verdoppeln? Parteichef Hu will | |
mit dieser Ankündigung letztlich eines unterstreichen: den | |
Alleinherrschaftsanspruch der KP – und zwar über 2020 hinaus. | |
9 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
## TAGS | |
China | |
Einkommen | |
China | |
China | |
China | |
Tibet | |
KP-Chef | |
Schwerpunkt USA unter Donald Trump | |
Barack Obama | |
China | |
China | |
USA | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Aktivisten in China: In Polizeigewahrsam gestorben | |
Während des Kongresses der KP Chinas sind mindestens zwei Aktivisten in | |
Polizeigewahrsam gestorben. Rund 100.000 Menschen sollen Opfer von | |
Repressalien geworden sein. | |
Chinas Militär nach dem Machwechsel: Oberbefehlshaber der größten Armee | |
Chinas Militärs unterstehen seit Maos Zeiten direkt der KP. Der neue | |
Parteichef Xi dürfte schon jetzt den Topposten in der Armee übernehmen, was | |
seine Position stärkt. | |
Debatte Chinas neue Mittelschicht: Sie wollen mehr als Wohlstand | |
Ein Viertel der Chinesen hat in den vergangenen 20 Jahren aus der Armut | |
herausgeschafft. Dennoch wächst die Unzufriedenheit. | |
Neue Führung in China: Leise Hoffnung für Tibet | |
Trotz der hohen Zahl an Selbstverbrennungen hegen Tibet-Aktivisten | |
„vorsichtigen Optimismus“. In die Kritik ist indes der Daimler-Konzern | |
geraten. | |
Die Ehefrau des KP-Chefs: Xi Jinpings bessere Hälfte | |
Sie war Chinas großer Fernsehstar, jetzt muss Peng Liyuan zurücktreten. | |
Denn ihr Mann wird neuer KP-Chef und Staatspräsident. | |
Wirtschaftspolitik in den USA: In der Blockadefalle | |
Barack Obama muss mit Staatsausgaben die Wirtschaft ankurbeln. Das mahnende | |
Beispiel Europa könnte auch die Republikaner überzeugen, die bisher alles | |
abblockten. | |
Reaktionen auf US-Wahl in China: Der Drache freut sich mit Obama | |
Chinas regierende Kommunisten sind erleichtert über die Wiederwahl von | |
US-Präsident Obama. Sie müssen nun während ihres Parteitages nicht mit | |
US-Kritik rechnen. | |
Kommentar Parteitag in China: Partei des Durchwurstelns | |
Flugerbot für Brieftauben und Modellflugzeuge: Ein Parteitag mit solch | |
absurden Vorschriften zeugt von der Nervosität des autoritären Regimes. | |
Höchste Sicherheitsstufe in Peking: Schwarze Gefängnisse | |
Sicher ist sicher: Hunderttausende Polizisten und weitere 1,4 Millionen | |
Freiwillige sollen für einen reibungslosen KP-Parteitag in Peking sorgen. | |
China vs. USA: Kampf der Superdupermächte | |
China und die USA: Zwei Supermächte, zwei neue Präsidenten. Aber welche | |
Nation ist die bessere? Ein – natürlich ganz objektiver – Vergleich. |