# taz.de -- China vs. USA: Kampf der Superdupermächte | |
> China und die USA: Zwei Supermächte, zwei neue Präsidenten. Aber welche | |
> Nation ist die bessere? Ein – natürlich ganz objektiver – Vergleich. | |
Bild: Es schwankt die Stimmung zwischen Depression (Jobs!) und Jubel (’merica… | |
Wie läuft der Wahlkampf ab? | |
USA: Das „Rennen um das Weiße Haus“ ist hochwertige TV-Unterhaltung und | |
dabei ungefähr so transparent und sportlich wie Wrestling. Spötter | |
behaupten, dass es völlig gleichgültig sei, ob Republikaner oder Demokraten | |
am Ruder sind, solange die Spötter über ein ausreichendes Einkommen und | |
eine Krankenversicherung verfügen. | |
China: Ein Wahlkampf findet gewissermaßen hinter verriegelten Türen statt | |
und ist für den Steuerzahler entsprechend kostengünstig | |
(Erfrischungsgetränke, Knabbersachen). Wer am Ende das Land regiert, wird | |
ungefähr so offen und demokratisch verhandelt wie die Frage, wer die | |
Deutsche Bank oder den VW-Konzern lenken darf. Wer unterliegt, wird | |
hingerichtet (auf Bewährung). | |
Welche Nation ist wendiger? | |
USA: Vor nicht einmal 130 Jahren benahm sich diese Nation noch exakt so, | |
wie sie es heute gerne China vorwirft. Als Charles Dickens 1842 in die USA | |
reiste, entdeckte er zu seinem hellen Entsetzen massenhaft Raubdrucke | |
seiner Romane in New Yorker Buchhandlungen. Heute hat das Land den | |
Reichtum, nach dem alle anderen streben, längst erreicht. Jetzt geht es um | |
das Bewahren von Recht, Ordnung und Gesetz. Deshalb sind die USA so wendig | |
wie ein voll beladener Supertanker im Panamakanal. Jeder „change“ kann nur | |
ein gradueller sein (solange man krankenversichert ist). | |
China: Das Land befindet sich in wirtschaftlicher Hinsicht noch im | |
Teenageralter. Es wächst irrsinnig schnell, wirkt oft verschlossen und | |
bockig. Unterdessen wird vom Lastwagen bis zu „Harry Potter“ alles | |
raubkopiert, was Gewinn verspricht. Rowling, wohlgemerkt, nicht Dickens. | |
Aber auch hier stehen große Veränderungen, vielleicht sogar „große Sprüng… | |
an. Noch weiß allerdings niemand, in welche Richtung sich das Land | |
verändern wird. Oder wann. | |
Wie begeistert ist das Volk? | |
USA: Es schwankt die Stimmung zwischen Depression (Jobs!) und Jubel | |
(’mericah!). Noch immer sind die US-Bürger vom Sendungsbewusstsein ihrer | |
großen Nation durchdrungen, dem Rest der Welt „westliche Werte“ zu | |
vermitteln, vor allem dann, wenn die Provision für die Wertevermittlung so | |
ungeheuer hoch ist. | |
China: Weil es ungefähr eine Milliarde mehr Chinesen als Amerikaner gibt, | |
gibt es in absoluten Zahlen auch mehr Idioten in China, die sich trefflich | |
zu außenpolitischen Zwecken einspannen lassen (vor Botschaften | |
demonstrieren, Krieg fordern). | |
Die Pressefreiheit? | |
USA: Das harte Zupacken der mitunter protofaschistisch anmutenden Cops | |
gerade im Verlauf der Wall-Street-Proteste und die Inhaftierung von | |
Journalisten, die ihre Quellen nicht preisgeben, lässt das Land von | |
Woodward und Bernstein im Index der Pressefreiheit Jahr um Jahr zuverlässig | |
tiefer rutschen. Zuletzt stand es auf Platz 49 (von 177). Generell gilt: | |
„He who pays the piper calls the tune“, wie der Amerikaner sagt. Recht hat | |
er. | |
China: Interviews müssen abgesegnet werden, Unliebsames wird zensiert, | |
Unbotmäßige werden hart rangenommen, tendenziell reagieren die Mächtigen | |
sehr empfindlich auf die vierte Macht im Staate. Schlimmer als in China | |
steht’s nur in völlig bekloppten Deppenstaaten wie Iran, Syrien und | |
Turkmenistan. Im Grunde aber benimmt sich China auch nicht anders als Til | |
Schweiger. | |
Wie geht’s der Wirtschaft? | |
USA: Es ist kompliziert. Die größte Volkswirtschaft der Welt gilt als | |
„Verbraucherwirtschaft“, weil der gewöhnliche Konsument genug „Geld in d… | |
Hand“ nehmen kann, um den Unternehmen einen überdurchschnittlich großen | |
Teil ihrer Umsätze zu bescheren. Die schwere Industrie liegt trotz einer | |
Erholung etwa der Autoindustrie darnieder, 80 Prozent des | |
Bruttoinlandsproduktes werden mit Dienstleistungen erwirtschaftet. | |
Produziert wird gerne in und exportiert wird am liebsten aus: China. Die | |
exorbitante Staatsverschuldung wurde unlängst mit einer „Bremse“ | |
ausgestattet (luftgekühlt, ABS). | |
China: Es ist auch kompliziert. China hält seinen Renminbi beziehungsweise | |
„Yuan“ künstlich billig, damit es auch weiterhin günstige Plastikentchen | |
und Gummischnuller exportieren kann. Daneben aber holt auch die Industrie | |
tapfer auf, bald werden wir alle in schnittigen Modellen von BYD, BAW oder | |
Great Wall Motor herumfahren. Währungsreserven von rund 2.000 Milliarden | |
Dollar lassen China weltweit auftreten wie der große Bellheim: „Ich scheiß | |
euch zu mit meinem Geld!“ | |
Wie steht es um den Glauben? | |
USA: Hier wird auf Teufel komm raus geglaubt. Juden repräsentieren die | |
Intelligenz (Jon Stewart, Comedy Central, Wall Street), evangelikale | |
Christen die Dummheit (Bill O’Reilly, Fox News, Bible Belt) – selbst die | |
Atheisten (Richard Dawkins) sind in den USA noch fanatischer als die | |
Muslime. | |
China: Kommunisten! Konfuzius! Zwar gibt es Buddhismus und Taoismus, aber | |
auch das sind bekanntlich drollige Religionen ohne richtigen Gott oder | |
anständigen Klerus. Der ordinäre Chinese lässt sich also nicht vom Glauben | |
leiten, geschweige denn dafür mobilisieren. | |
Wer ist stärker? | |
USA: Den Koreakrieg wollte US-General McArthur noch mit Atombomben auf | |
chinesische Städte beenden, bevor er von seinem etwas umsichtigeren | |
Präsidenten nach Hause geholt wurde. Noch heute haben die USA mehr als | |
5.000 atomare Sprengköpfe am Start, die Chinesen nur kümmerliche 145. Da | |
ist noch Luft nach oben. | |
China: Allein im Heer sind ungefähr 1,25 Millionen Soldaten beschäftigt, | |
rund 700.000 mehr als in der US Army. Da ist noch Luft nach unten, zumal | |
auch die Marine schwächelt. Kürzlich wurde der neue Flugzeugträger | |
spazieren gefahren, ein antikes Gebrauchtmodell der russischen | |
Schwarzmeerflotte. Das enorme Sicherheitsbedürfnis der USA lässt auf | |
mangelndes Selbstvertrauen schließen. | |
Wer hat mehr Geschichte? | |
USA: Wäre die Weltgeschichte ein abendfüllender Spielfilm, man könnte durch | |
ein Zwinkern an der falschen Stelle den Auftritt der Vereinigten Staaten | |
glatt verpassen. 44 Präsidentschaften klingen nach viel, sind es aber | |
nicht. | |
China: Der Aufstieg zur Weltmacht ist in historischer Hinsicht eigentlich | |
nur die Rückkehr nach einem kurzen Nickerchen. Je nach Zählweise hat China | |
in seiner bis ins Dunkel der Mythologie zurückreichenden Geschichte 408 | |
oder 829 kaiserliche Herrscher erlebt. | |
Fazit: Wenn die USA das moderne Rom sind, ist die EU das alte Griechenland. | |
China wäre demnach mit den Hunnen gleichzusetzen, die möglicherweise ja | |
auch Chinesen waren. Es bleibt also alles beim Alten. Die Welt ist groß und | |
bietet genug Platz für zwei Super-, ach was: Superdupermächte. | |
3 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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