# taz.de -- Debatte Schwarz-Grün: Was spricht gegen Schwarz-Grün? | |
> Ist Schwarz-Grün undenkbar und eine viel zu spannunsgeladene | |
> Konstruktion? Oder vielversprechender und flexibler als Rot-Grün? Ein Pro | |
> und Contra. | |
Bild: Geht gar nicht? Geht doch? | |
## ALLES | |
Bündnisse mit Angela Merkel enden für die Koalitionspartner unschön. Die | |
SPD bekam, nachdem sie vier Jahre im Maschinenraum der großen Koalition | |
geschuftet hatte, 23 Prozent, so wenig wie seit 1893 nicht. Der FDP droht | |
2013 das Scheitern an der Fünfprozenthürde. Und jetzt sollen die Grünen als | |
Nächstes an der Seite der ewigen Kanzlerin vertrocknen? | |
Um skeptisch auf Schwarz-Grün zu blicken, muss man nicht über die Zukunft | |
spekulieren. Die Erfahrungen sind beredt genug. Bislang hat Schwarz-Grün | |
nur auf lokaler Ebene funktioniert. Schon auf Landesebene in Hamburg und im | |
Saarland endeten solche Regierungen in Niederlagen. Gewiss haben dabei | |
regionale Gründe eine Rolle gespielt, etwa der Rückzug des liberalen | |
CDU-Mannes Ole von Beust. Renate Künast hat 2011 schon mit zaghaften | |
Angeboten Richtung CDU die Chancen der Grünen in Berlin ruiniert und die | |
eigene Klientel in Richtung Piraten vertrieben. | |
Ohne Testlauf in einem relevanten Bundesland aber wird es keine | |
schwarz-grüne Bundesregierung geben. Das Wagnis, parteiintern | |
unkalkulierbare Fliehkräfte freizusetzen, wäre für beide zu groß. Da mag | |
das politische Feuilleton Schwarz-Grün als längst überfälliges Bündnis von | |
Alt- und Neubürgertum beschwören. | |
## Höchststrafe für die Grünen … | |
Bis zum Wahltag werden auch alle Grünen verbissen jeden Gedanken an eine | |
Koalition mit Merkel ausschließen. Schließlich inszeniert man ja einen | |
Lagerwahlkampf Rot-Grün gegen Schwarz-Gelb. Nach der Wahl müsste die grüne | |
Parteiführung dann für eine schwarz-grüne Koalition in einem Reißschwenk | |
das vorher Undenkbare zum Normalen erklären. Um das verständliche | |
Misstrauen der eigenen Klientel zu besänftigen, wären sie gezwungen, in | |
Koalitionsverhandlungen Enormes zu erreichen. Sonst stünden sie als | |
opportunistische Funktionspartei da, als triste Erbverwalter der FDP. Das | |
wäre für die Grünen, die über ein unerschütterlich moralisches Selbstbild | |
verfügen, die Höchststrafe. | |
Aber auch die Merkel-Union stünde mit Schwarz-Grün massiv unter Druck. Die | |
Lektion aus Hamburg war eindeutig. Dort gingen 2011 mehr als die Hälfte der | |
Unionswähler von der Fahne – auch weil sie in der Bildungspolitik den | |
Grünen nachgegeben hatte. Wenn die Union in Kernbereichen zu weit auf die | |
Grünen zu geht, stürzt sie ab. | |
Schwarz-Grün wäre eine Konstruktion mit gewaltiger innerer Spannung. Denn | |
in gewisser Weise legt Schwarz-Grün die Lebenslüge beider Parteien frei. | |
Die Grünen inszenieren sich als linke, soziale Gerechtigkeitspartei, sind | |
de facto aber weitenteils eine Art Öko-FDP geworden. | |
Die Merkel-CDU inszeniert sich als konservative-christliche | |
Wertegemeinschaft, faktisch ist sie rundgeschliffen, profilschwach und auf | |
Machterhalt konzentriert. Gerade in einem schwarz-grünen Bündnis müssten | |
Union und Grüne beweisen, das sie sind, was sie nicht mehr sind: | |
konservative Traditionskompanie und linke Umverteiler. | |
Deshalb wird es 2013 nichts mit Schwarz-Grün. Und ob zuvor Katrin | |
Göring-Eckardt oder Claudia Roth auf Wahlplakaten lächeln durften, spielt | |
dabei keine Rolle. STEFAN REINECKE | |
## NICHTS | |
Katrin Göring-Eckardt grüne Spitzenkandidatin? Diese trutschige | |
Kirchenmaus? Da lachen ja die Hühner, die Renate Künast schon vor zehn | |
Jahren gerettet hat. So dachten vor dieser Urwahl fast alle. Und jetzt, | |
nach Göring-Eckardts Sieg? Dürften viele grüne Funktionäre so erschrocken | |
sein über das Votum ihrer Basis, dass sie eine schwarz-grüne Koalition auf | |
dem nächsten Parteitag erst recht ausschließen. Grüne Dialektik und grüne | |
Gefühle funktionieren nun mal so. Mit politischen Inhalten aber hat das | |
nichts zu tun. | |
Wenn es um konkrete Ziele und deren Erreichbarkeit ginge, wäre eine | |
Koalition mit der CDU längst möglich – und deutlich vielversprechender als | |
Rot-Grün. | |
Aber nein, kommt dann oft als Einwand, Schwarz-Grün geht nicht, schon | |
allein wegen der fremdenfeindlichen Grundhaltung der Union. Dabei steht | |
eines fest: Die drei deutschen Politiker, die in den letzten Jahren am | |
härtesten pauschal gegen Migranten gewettert haben, hießen: na? Richtig: | |
Thilo Sarrazin, Heinz Buschkowsky und Otto „Das Boot ist voll“ Schily. Alle | |
drei sind in der SPD. Ebenso wie Frank-Walter Steinmeier, der engagiert für | |
den Verbleib von Murat Kurnaz in Guantánamo sorgte – bis Merkel den Bremer | |
nach Deutschland zurückkehren ließ. | |
Und heute? Die erste migrationspolitische Forderung des | |
SPD-Spitzenkandidaten Peer Steinbrück: Alle deutschen Fußballer sollen die | |
deutsche Hymne singen! Ein Anliegen, das Merkel bisher völlig egal war. | |
## Ein Blick auf die SPD genügt … | |
Die grüne Mär von den größeren Gemeinsamkeiten mit der SPD beginnt also bei | |
der Integration und geht bei dem Wunsch nach einer linkeren Sozialpolitik | |
weiter, die jetzt angeblich auch Göring-Eckardt am Herzen liegt. Wer hat | |
die größeren sozialen Einschnitte beschlossen? Gerhard Schröder mithilfe | |
von Peter Hartz, Steinbrück, Göring-Eckardt und dem Rest der Grünen oder | |
die Kanzlerin Merkel? Und nein, die gesenkte Hoteliersteuer ist ein Fehler, | |
aber kein sozialer Einschnitt. | |
Ein anderer, echter Einschnitt war hingegen die Katastrophe in Fukushima. | |
Hier zerschellte nicht nur der Glaube vieler Christdemokraten an die | |
segensreiche Wirkung der Atomkraft, sondern auch die letzte Gemeinsamkeit | |
von SPD und Grünen, die sich überzeugend verkaufen ließ: Das Ziel, alle | |
Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten, hat sich erledigt. | |
Wenn es darauf ankommt, schaltet Merkel die gottverdammten Atomkraftwerke | |
sogar schneller ab, als Rot-Grün sich das auch nur vorstellen kann. Bei der | |
Energiewende wiederum hängt die SPD mindestens so anhänglich am Kohlestrom | |
wie die Union. Und Jürgen Trittin, die neue grüne Nummer eins, hält der | |
nicht noch die linke Fahne hoch? Nun ja. Er stimmte Merkels Atomausstieg | |
ebenso schnell zu wie sämtlichen Eurorettungspaketen. | |
Merkel hat ihre Flexibilität ausreichend bewiesen. Sollte die CDU-Basis | |
noch zögern, hat sie ein gutes Argument: Bei Schwarz-Grün hätte die Union | |
mehr Ministerposten als in einer großen Koalition. Und mit den SPD-Machos | |
Sigmar Gabriel oder Steinbrück will eigentlich keiner mehr. Auch die Grünen | |
nicht, wenn sie ehrlich wären. LUKAS WALLRAFF | |
11 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Lukas Wallraff | |
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