| # taz.de -- Die Zukunft von Claudia Roth: Die Gefallene | |
| > Die Urwahl hat die Parteivorsitzende Claudia Roth tief verletzt. Wird sie | |
| > sich noch einmal als Chefin zur Wahl stellen? Führende Grüne beknien sie, | |
| > nicht hinzuwerfen. | |
| Bild: Blickt sie in die Zukunft? Oder will sie von der lieber nichts wissen? Cl… | |
| Um zu verstehen, was das Urwahlergebnis für Claudia Roth bedeutet, hilft | |
| es, kurz zurückzublicken: Es ist Landtagswahlkampf in | |
| Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2011. | |
| Ein kleines Land mit großen Problemen, zum Beispiel vielen Neonazis – und | |
| mit fürchterlich schwachen Grünen. Der Minilandesverband verfehlte bei | |
| Wahlen regelmäßig die 5-Prozent-Hürde, dieses Mal soll es klappen. Die | |
| Chefin kommt. Sogar zu kleinsten Dorfveranstaltungen reist Roth an, fährt | |
| 4.500 Kilometer mit ihrem grün lackierten Wahlkampfbus durch das weite, | |
| menschenleere Land, schläft auf der Rückbank. | |
| Die Politikerin, mit einer Unterbrechung seit fast zehn Jahren Vorsitzende, | |
| reibt sich auf für ihre Partei. „Claudia brennt wie eine Kerze an zwei | |
| Enden“, sagen Parteifreunde. Die 57-Jährige gilt als Frau der Basis, kennt | |
| fast jeden Kreisverbandschef persönlich. Kein anderer Spitzengrüner pflegt | |
| Kontakte zu den Niederungen so sorgfältig wie sie. Die Basis ist Roths | |
| Verankerung, ihre Verbündete, ihre Machtquelle. Es muss für Roth eine | |
| unglaubliche Demütigung sein, dass nur ein Viertel der Mitglieder sie im | |
| Bundestagswahlkampf ganz vorn sehen will. | |
| Als Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke das für Roth vernichtende Ergebnis | |
| am Samstag verkündet, ziehen ihre Vertrauten sofort Mauern um sie auf. Ihr | |
| Sprecher lehnt jede Stellungnahme ab, politische Freunde bitten um | |
| Verständnis, dass sie nichts über Telefongespräche mit Roth nach dem | |
| Einschlag des Votums erzählen wollen. Nur einer verrät, was alle wissen: | |
| „Das hat Claudia tief gekränkt.“ | |
| ## Glückwünsche auf Facebook | |
| Roth selbst meldet sich mit zwei knappen Sätzen [1][auf ihrem | |
| Facebook-Account]. Um 10.28 Uhr am Samstag, eine knappe halbe Stunde nach | |
| der Ergebnisbekanntgabe: „Ich gratuliere von Herzen Jürgen Trittin und | |
| Katrin Göring-Eckardt. Das ist Demokratie!“ Mit dem lockeren Grundton | |
| täuscht sie über ihr Verletztsein hinweg. Roth bittet sich Bedenkzeit aus, | |
| um über ihre politische Zukunft nachzudenken. | |
| Plötzlich steht eine brisante Frage im Raum: Wird sich Roth nach diesem | |
| Votum auf dem Parteitag kommende Woche in Hannover noch einmal als Chefin | |
| zur Wahl stellen? Oder wirft sie hin? | |
| In der Partei wird Letzteres am Wochenende wie ein drohender GAU | |
| analysiert. Roth wird bekniet weiterzumachen. Jürgen Trittin und Katrin | |
| Göring-Eckardt wünschen sich bereits am Samstag, dass sie wieder antritt. | |
| Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann ruft sie am | |
| Sonntagmorgen an, um sie seiner Solidarität zu versichern. Er erinnert sie | |
| in dem Gespräch daran, dass sie als Vorsitzende auf Parteitagen immer | |
| hervorragende Ergebnisse bekommen habe. | |
| Andere Parteifreunde schließen sich an: Roth habe die Grünen „in den | |
| vergangenen Jahren maßgeblich zusammengehalten und immer integrierend | |
| gewirkt“, sagt Fraktionsvize Frithjof Schmidt. „Ich kenne niemanden in der | |
| Partei, der nicht hofft, dass sie dies als Vorsitzende auch im wichtigen | |
| Wahljahr tut.“ Toni Hofreiter, Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag, | |
| sagt: „Claudia Roth sollte wieder antreten. Sie ist eine sehr gute | |
| Parteivorsitzende.“ Das Ergebnis der Urwahl sei kein Urteil der Basis | |
| darüber gewesen, ob Roth eine gute Vorsitzende sei oder nicht, sagt | |
| Hofreiter. „Es ging ausschließlich darum, wer in das Spitzenduo soll.“ | |
| ## Starkes Pflichtbewusstsein | |
| Wird die emotionale Roth dieser Deutung folgen? Sie lässt Dinge | |
| bekanntermaßen nah an sich heran, und ganz von der eigenen Person trennen | |
| lässt sich ein solcher Schlag nicht. Gleichzeitig hat Roth ein starkes | |
| Pflichtbewusstsein – und weiß, wie sehr ihr Rückzug kurz vor dem Wahljahr | |
| der Partei schaden würde. | |
| Mit Schrecken malen sich ihre Parteifreunde bereits den Fall des Falles | |
| aus: Ohne Roth schwächelten die Grünen in der linksökologischen | |
| Kernklientel, was – zusammen mit einem ähnlichen Problem der SPD wegen Peer | |
| Steinbrück – fatal wirken könnte. Ohne Roth und ihr Netzwerk wäre die | |
| Partei im Wahlkampf schwerer zu mobilisieren. | |
| Und ohne Roth, das nicht zuletzt, brauchte die Partei eine neue Chefin. | |
| Linke Frauen, die aus dem Stand Führung übernehmen können, gibt es jedoch | |
| nicht viele. Am ehesten käme dafür Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke | |
| infrage. Die wird jedoch in ihrem aktuellen Job als Wahlkampfleiterin | |
| gebraucht – und ihr Verhältnis zum Kovorsitzenden Cem Özdemir ist – | |
| vorsichtig formuliert – angespannt. Beim Gedanken an ein solches Gespann | |
| verschluckt sich manch Grüner am Telefon vor Schreck. | |
| Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern haben sie übrigens gewonnen. Mit satten | |
| 8,7 Prozent zog eine grüne Fraktion in den Schweriner Landtag ein. An | |
| diesem Montag lässt Claudia Roth ihre Partei wissen, ob sie auch in Zukunft | |
| mit ihr rechnen kann. | |
| 11 Nov 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.facebook.com/Roth/posts/10151299606810664 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrich Schulte | |
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| Stefan Raab | |
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