# taz.de -- Kommentar Grüne Doppelspitze: Die ostdeutsche Verheißung | |
> Es sind bekennende ProtestantInnen wie Göring-Eckardt, die dieser | |
> Gesellschaft Orientierung versprechen. Luthers Arbeitsmoral kommt eben | |
> gut ohne Kapitalismuskritik aus. | |
Bild: Göring-Eckardt als Präses der 11. EKD-Synode bei einem Gottesdienst im … | |
Und noch mehr Kirche. Nach der Bundeskanzlerin und Pfarrerstochter Merkel | |
sowie dem Bundespräsidenten und Prediger Gauck hat die grüne Basis jetzt | |
die Theologin Katrin Göring-Eckardt zur Spitzenkandidatin ihrer Partei | |
gewählt. Mit dieser Trinitas verspricht die hohe Politik jetzt noch mehr | |
ostdeutsche Verheißung. | |
Göring-Eckardt und Merkel sind zwei Frauen, die in der DRR stark wurden und | |
es ausgehalten haben, aufgrund ihres Glaubensbekenntnisses Außenseiterinnen | |
zu sein. Und die dann in ihre Ämter gewählt wurden, um die festgefahrenen | |
Strukturen aufzubrechen und ihre Parteien zu modernisieren. Merkel vor | |
zwölf Jahren, Göring-Eckardt an diesem Wochenende, an dem so mancher Grüne | |
vom Glauben abgefallen sein dürfte. Das sagt einiges darüber, welcher | |
Frauen- oder Männertyp derzeit erfolgreich ist und der grünen Sehnsucht | |
nach aufgeräumter Bürgerlichkeit entspricht. | |
Beginnen wir beim Mann und klaren Sieger, bei Jürgen Trittin. Mit fast 72 | |
Prozent der Stimmen wurde er an die Spitze des Spitzenkandidatenduos | |
gewählt. Stimmt, blickt man einzig auf die Zahlen. Erfolgversprechende | |
Nachwuchsgrüne wollten gegen den Obervater erst gar nicht antreten; | |
vielleicht hatten Cem Özdemir und Tarek Al-Wazir schlicht Sorge, dass ihnen | |
am Ende ein ähnliches Schicksal drohen würde wie Claudia Roth. | |
Katrin Göring-Eckardt indes war mutig, als sie ihren Hut in den Ring warf | |
und dafür müde belächelt wurde. Die Sehnsüchte der grünen Basis wurden | |
offensichtlich falsch eingeschätzt, der Wunsch nach einem | |
Generationenwechsel, aber auch nach einem anderen Politikertypus wurde | |
nicht erkannt. Niemand würde wollen, dass ein deutscher Politiker beim | |
Regieren die Hände zum Gebet faltet. Aber ganz offensichtlich gibt vielen | |
die deutlich benannte Verortung in einem protestantischen Wertesystem | |
Sicherheit. Und das passt zu dem derzeit beliebten linksliberalen | |
Pragmatismus, in dem die ehemalige Widerstandspartei in der Mitte der | |
Gesellschaft ein gutes Leben sucht. | |
Und es ist bemerkenswert, wie sicher Göring-Eckardt diese Karte spielt. | |
Weil sie ist, wie sie ist, weil sie redet, wie sie redet, und aussieht, wie | |
sie aussieht, kann sie sofort von der Gleichstellung von Schwulen und | |
Lesben sprechen, ohne die Bürgerin und den Bürger aufzuschrecken. Wenn sie | |
eine bessere Integration fordert, muss niemand Angst haben, dass sie damit | |
das christliche Abendland verraten will. Wenn sie mehr Klimaschutz | |
verlangt, ist sie ganz nah an der Bewahrung der Schöpfung und damit | |
anschlussfähig an ein konservatives Milieu. | |
Es sind bekennende ProtestantInnen, die dieser Gesellschaft, die ohne | |
Zweifel Halt sucht, Orientierung versprechen. Sicher auch, weil sie die | |
bürgerliche Mitte unangetastet lassen, die Verteilungsstrukturen bewahren | |
wollen, für die Agenda 2010 sind und Hartz IV für ein notwendiges Übel | |
halten. Luthers protestantische Arbeitsmoral kommt eben gut ohne | |
Kapitalismuskritik aus. | |
11 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Ines Pohl | |
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