| # taz.de -- Sozialdemokratie und Gewerkschaften: Steinbrücks Agenda 2013 | |
| > Der SPD-Kanzlerkandidat und der IG-Metall-Vize suchen den Schulterschluss | |
| > zwischen SPD und Gewerkschaften. Man sei sich näher als vor einigen | |
| > Jahren. | |
| Bild: Gute Stimmung: So nah soll Peer Steinbrück der Politik von Ex-Kanzler Sc… | |
| HAMBURG taz | Peer Steinbrück hat einmal verraten, warum er aus der | |
| mächtigen IG Metall aus- und in die pragmatische Gewerkschaft IG Bergbau | |
| Chemie Energie eingetreten ist: er habe keine Lust mehr gehabt, von der IG | |
| Metall immer wieder verbal verprügelt zu werden, so der | |
| SPD-Kanzlerkandidat. | |
| Prügel hatte Steinbrück am Sonntag nicht zu erwarten. In Hamburg übten sich | |
| der vielleicht künftige Bundeskanzler und der sehr wahrscheinliche nächste | |
| Chef der mächtigen IG Metall, Detlef Wetzel, lieber im vorsichtigen | |
| Austeilen von Streicheleinheiten. „Die Schnittmengen mit dem, was in der | |
| SPD diskutiert wird, sind größer als vor einigen Jahren, darüber bin ich | |
| froh“, so Wetzel, derzeit noch zweiter Vorsitzender hinter Berthold Huber, | |
| im Altonaer Theater. | |
| Dort versuchte Spiegel-Chefredakteur Georg Mascolo im vollbesetzten Saal | |
| auszuloten, ob der alte Schulterschluss zwischen Sozialdemokratie und | |
| gewerkschaftlich organisierter Industriearbeiterschaft wieder funktioniert. | |
| Steinbrück führt dafür gerne die halbe Rolle rückwärts in Sachen | |
| Agendapolitik, die die SPD hingelegt hat, noch einmal vor. „Beim | |
| Arbeitsmarkt bin ich nicht weit entfernt von Detlef Wetzel. Wir müssen uns | |
| fragen, was heißt es auf Dauer für eine Gesellschaft, wenn 25 Prozent | |
| atypisch Beschäftigte sind.“ Seine Rezepte: allgemeiner Mindestlohn, | |
| Regulierung der Leiharbeit, das Tarifsystem stärken – Gewerkschaftsmann | |
| Wetzel gefällt es, „auch wenn bei der SPD noch Luft nach oben ist“, wie er | |
| sagt. | |
| ## Wunden im Gewerkschafterfleisch | |
| Aber Wetzel hat gerade auch erst ein wütendes Buch geschrieben. Unter dem | |
| Titel „Mehr Gerechtigkeit wagen“ lässt er die letzten 40 Jahre sozial- und | |
| wirtschaftspolitischer Entwicklung in der Bundesrepublik Revue passieren. | |
| Es ist eine Erzählung von vergangenen Zeiten, in der das | |
| Aufstiegsversprechen noch für einen großen Teil der Gesellschaft galt. | |
| Auch wenn die ersten Risse darin in den 1980er Jahren auftauchten, wie | |
| Wetzel eingängig beschreibt: Die größten Wunden schlugen bis heute die | |
| rot-grünen Reformen unter Gerhard Schröder in das Gewerkschafterfleisch: | |
| „Die Agendapolitik war größter Blödsinn“, fasst Wetzel es auf dem Podium | |
| zusammen. | |
| „Man kann die Agenda 2010 nicht für alles an gesellschaftlicher Spaltung | |
| verantwortlich machen“, hält Steinbrück dann doch dagegen. Und überhaupt | |
| sei er erstaunt, sagt er unter Lachern des Publikums, „dass hier der | |
| Anpassungsdruck so eindeutig Richtung SPD verteilt wird“. Es gebe | |
| schließlich „völlig neue Arbeits- und Lebensverhältnisse, die lange Zeit | |
| von den Gewerkschaften gar nicht geschnallt wurden“. Und überhaupt sei er | |
| froh, dass Detlef Wetzel sich mittlerweile auch für einen „aktivierenden | |
| Sozialstaat“ erwärmen könne. | |
| ## Entscheidendes nur gestreift | |
| Doch jenseits der kleinen Nickligkeiten wird klar: Hier haben sich zwei | |
| beschnuppert, die miteinander könnten. Auch weil entscheidende Themen gar | |
| nicht oder nur oberflächlich gestreift werden. Steinbrücks | |
| Deregulierungspolitik an den Finanzmärkten vor dem Wirtschaftscrash kam | |
| nicht zur Sprache, das Herumgeeiere der SPD in Sachen Rentenpolitik wurde | |
| nur mit allgemeinen Floskeln behandelt. | |
| Viel lieber werfen sich Steinbrück und Wetzel charmant die Bälle zu – und | |
| lassen damit so manche Frage Mascolos ins Leere laufen. Da vermögen auch | |
| dessen Fragen nach Steinbrücks üppigen Vortragshonoraren die gute Stimmung | |
| nicht zu trüben. | |
| Offen blieb so die Frage, wie weit der Schulterschluss in den letzten | |
| Fragen der Agendapolitik wirklich reicht. Antworten darauf wird es erst | |
| geben, wenn – falls – Steinbrück ans Ruder kommt. Der Kanzlerkandidat | |
| streckte bei der Frage nach der berühmten Beinfreiheit, die er sich von | |
| seiner Partei in Sachen Regieren erbeten hat, zumindest schon einmal | |
| genüsslich die Füße aus und grinste. | |
| 12 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva Völpel | |
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