| # taz.de -- Kommentar Grünen-Parteitag: Soziales für die Symbolik | |
| > So inbrünstig die Grünen das Soziale betonen: Eine Bedeutung hätten ihre | |
| > Beschlüsse nur, wenn sie auch ein Sozialministerium entern würden. | |
| Grüne Sozialpolitik ist stets paradox. Das wird auch am Samstagmorgen, wenn | |
| die Grünen auf dem ihrem Parteitag in Hannover über Gesundheit, Rente, | |
| Arbeitsmarkt debattieren, wieder zu besichtigen sein. | |
| Denn kaum eine Partei wirbt so stark damit, dass sie zwar weitreichende, | |
| aber reell finanzierbare Versprechen macht. Ob höherer Hartz IV-Satz oder | |
| Kindergrundsicherung: Stolz wie einen Pokal präsentieren die | |
| FachpolitikerInnen ihre Berechnungen, woher das notwendige Geld dafür | |
| kommen wird. | |
| In Kontrast zu diesem Zahlenfleiß steht dabei das Bewusstsein, welche bösen | |
| Überraschungen die Euro- und Finanzkrise für die öffentlichen Haushalt noch | |
| bergen dürfte. Allerspätestens am Wahltag 2013 wird niemand mehr fragen, | |
| welcher Prozentanteil der Erlöse aus der Abschaffung des | |
| Ehegattensplittings genau in die Hartz IV-Erhöhung fließen sollte. Oder so. | |
| Vor allem aber wird die Grünen sowieso niemand fragen. Denn es ist | |
| unwahrscheinlich, dass die Grünen eines der Sozialministerien bekommen | |
| wollen – und bekommen werden. | |
| Regierungserfahrung haben die Grünen im Sozialbereich zuletzt mit Andrea | |
| Fischer als Gesundheitsministerin gemacht. Die aber trat so schnell zurück, | |
| dass sich heute niemand mehr daran erinnern mag, zuallerletzt die Grünen | |
| selbst. Der Zugriff auf ein Ministerium aber entscheidet am Ende darüber, | |
| ob eine Partei bei einem Thema wirklich etwas zu sagen haben wird. | |
| Der Grund für die besondere Inbrunst, mit der seit dem Gang in die | |
| Opposition 2005 bei den Grünen über Soziales gestritten wird, ist nicht, | |
| dass sie die rot-grünen Reformen unterm Namen Agenda 2010 maßgeblich | |
| verantwortet hätten. Die grünen Arbeits- und Sozialpolitikerinnen – | |
| darunter die neue Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt –, hatten damals | |
| insgesamt nicht viel zu sagen in dem Spektakel zwischen Regierungsbänken | |
| und Unions-beherrschtem Bundesrat. | |
| Die Grünenspitze aber beschloss, aus mangelndem sachlichen Einfluss | |
| wenigstens einen symbolischen Erfolg zu machen: Die Grünen, das sollten die | |
| Beweglichen, die Bessermacher, die Marktgängigeren sein. Man nannte sich | |
| "Reformmotor", und das klang damals schon so ebenso arrogant und grotesk | |
| wie heute. | |
| Daran, die positiven Bestandteile dieses Images zu retten – flexibel, | |
| lernfähig, handlungsbereit –, und gleichzeitig wieder sozial zu werden, | |
| arbeitet die Partei bis heute. Aus dem festen Willen zur | |
| Arbeitgeberfreundlichkeit ist bei den Realos der feste Wille zur | |
| „Bürgerlichkeit“ geworden. Diese wird nun eben auch durch deutliche soziale | |
| Versprechen definiert. Nicht nur der linke Flügel, auch der Zeitgeist will | |
| es jetzt so. | |
| Das Bekenntnis zu 420 Euro Hartz IV oder sogar zu einer grundstürzenden | |
| Rentenreform sind sind daher wichtig für die Überarbeitung der grünen | |
| Symbolik. Eine Rolle werden sie eines Tages bestenfalls aber spielen, wenn | |
| eine Göring-Eckardt das Arbeits- und Rentenministerium verlangt – und | |
| bekommt. | |
| 16 Nov 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ulrike Winkelmann | |
| Ulrike Winkelmann | |
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