# taz.de -- Paywalls für Zeitungen: Die Mauer kann her | |
> Tageszeitungen, Zeitschriften und Magazine planen sie: Bezahlschranken | |
> sollen künftig für Einnahmen sorgen. Doch keiner will sie so richtig. | |
Bild: Das Zeitungssterben schreitet weiter voran. Sind Paywalls die Lösung? | |
BERLIN taz | Nach 15 Jahren reiner Werbefinanzierung wollen | |
deutschsprachige Zeitungen direkt Geld von ihren Nutzern bekommen. Sinkende | |
Kioskverkäufe, eine stetig steigende Mobilnutzerquote und zurückgehende | |
Abonnentenzahlen der Druckausgaben zwingen die Verlage zum praktischen | |
Nachdenken darüber, wie Journalismus in Zukunft finanziert werden soll. | |
Nachdem vergangene Woche die traditionsreiche aber bedeutungslos gewordene | |
Frankfurter Rundschau Insolvenz anmelden musste und sich voraussichtlich | |
heute das Schicksal der Gruner + Jahr Wirtschaftspresse, allen voran der | |
Financial Times Deutschland entscheiden wird, eine Einstellung aber sehr | |
wahrscheinlich ist, geht in vielen Verlagen die Angst um. | |
Kann man Journalismus noch finanzieren? Wenn ja, wie? „Nach dem Modell der | |
New York Times will Axel Springer zum Jahresende seine Paywall für die Welt | |
startklar haben“, sagt Konzernsprecherin Bianca Brandt gegenüber der taz. | |
Auf die Nachfrage, ob das auch den Start meint, heißt es: „Startklar.“ | |
Startklar, das Wort steht symptomatisch für die Situation. | |
Der US-Markt ist die Inspiration der deutschsprachigen Blätter. Das New | |
York Times-Modell, eine Mischung aus frei zugänglichen, bezahlpflichtigen | |
und Inhalten, die nur dann frei zugänglich sind, wenn man aus Social | |
Media-Anwendungen wie Twitter oder Facebook auf den Artikel gelangt, steht | |
für alle Überlegungen Pate. Auch andere US-Medien wollen ihre Nutzer mit | |
vergleichbaren Mischangeboten zum Bezahlen bewegen – alles auf | |
Bezahlinhalte umzustellen, traut sich dort kaum einer. Denn dann würde man | |
die Laufkundschaft verlieren. | |
## Positive Ergebnisse | |
Nach dem Vorbild der US-Medien macht es auch die Neue Zürcher Zeitung | |
(NZZ): „Wir sind mit den ersten sechs Wochen sehr zufrieden“, verkündet | |
Peter Hogenkamp, Leiter Digitale Medien, über die Zeit mit der | |
Digitalbezahlvariante. Die genaue Zahl der Digital-Abonnenten will er noch | |
nicht nennen, aber sie läge „deutlich über den Erwartungen“. Es habe kein… | |
öffentlichen Aufschrei der Empörung gegeben. | |
Das Digital-Abo der NZZ kostet regulär 428 Franken im Jahr, gut 350 Euro. | |
Ein Schnäppchen ist das nicht gerade. Allerdings: „Die Einnahmen aus dem | |
Digital-Abo werden wohl noch einige Jahre unter den Einnahmen aus | |
Onlinewerbung liegen“, gibt Peter Hogenkamp zu. Derzeit verdienen die | |
Schweizer über Werbung im Netz über alle an den Vermarkter NZZNetz | |
angeschlossenen Seiten, darunter auch einige Regionalseiten, rund 10 | |
Millionen Franken (etwa 8,3 Millionen Euro). | |
Das reicht für den Betrieb einer großen Redaktion bei weitem nicht. Ein | |
Grund, weshalb die Schweizer all jene stärker um den Abschluss eines | |
Abonnements bitten werden, von denen sie Emailadressen oder Telefonnummern | |
haben. Mit dem Telefon die Leute hinter die Paywall locken? | |
## „Leserclubs“ statt Paywalls | |
Paywall, Bezahlmauer, schon der Begriff gefällt Stefan Plöchinger, dem | |
Chefredakteur von Süddeutsche.de, überhaupt nicht. „Leserclubs“ seien | |
nötig, schrieb er kürzlich in sein Blog. Fast 14.000 E-Paper-Abonnenten hat | |
die SZ, was den Münchnern etwa 4,87 Millionen Euro pro Jahr in die Kasse | |
spülen dürfte. Ein Anfang, aber keine Rettung für die mehreren Hundert | |
Redakteure und Freie, die die Zeitung füllen. Gegenüber den 280.000 | |
Druckausgaben-Abonnenten ist das nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein. | |
Aber im Journalismus sind derzeit alle über jedes Tröpfchen erfreut. | |
Die Printausgabe mit ein paar Mehrwerten wie einer Audioversion mancher | |
gedruckter Artikel im Netz anbieten? Die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit | |
setzt digital 20.000 Exemplaren pro Woche ab. „Das eigene digitale Abo | |
funktioniert am besten, die Verkäufe über Amazon und iTunes funktionieren | |
ebenfalls gut“, erläutert Christian Röpke, Geschäftsführer von Zeit Onlin… | |
## Angst vor der Mauer | |
„Was überhaupt nicht funktioniert sind Shops oder eKioske ohne ein | |
weitergehendes Ökosystem.“ Die Texte bei Zeit.de stammen zu einem Großteil | |
nicht mehr aus der gedruckten Ausgabe der Hamburger Wochenzeitschrift, | |
sondern von der in Berlin ansässigen Onlineredaktion – wer das gleiche | |
lesen will, wie der Kioskkäufer oder Printabonnent, muss das e-Paper-Abo | |
abschließen. Die Anzeigenvermarktung entwickle sich „dynamisch“, aktuell | |
habe man „keinen konkreten Plan der Einführung einer Paywall für Zeit | |
Online“. Aber für die Zukunft könne man nichts kategorisch ausschließen. | |
Startklare, nicht auszuschließende Paywalls: die Branche droht den Lesern | |
mit einer Mauer – vor der sie selber Angst hat. Die Onlinevermarktung | |
bringt zwar nicht genug, aber doch merkliche Summen in die Kassen der | |
Verlage. Wer eine Bezahlschranke einführt, könnte die Leserschaft damit | |
massiv zum Abwandern bewegen und dadurch Reichweite und Werbeeinnahmen | |
schmälern. | |
Denn solange es frei zugängliche Alternativen gibt, gibt es für viele Leser | |
wenige Gründe, genau auf das Angebot des einen oder anderen | |
zurückzugreifen. Oder etwa doch? Oder nicht? Oder lassen sich die Nutzer am | |
Ende doch auf ganz andere Modelle ein und geben einfach freiwillig etwas | |
für Journalismus, der im Netz zugänglich ist? | |
21 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Falk Lüke | |
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