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# taz.de -- Kommentar Print gegen Online: Journalisten, die niemand will
> Die Angst vor dem Neuen gebiert Verachtung. So schauen noch immer viele
> Printredakteure auf ihre Onlinekollegen herab. Die reagieren mit Demut.
> Wie falsch!
Bild: Wehrt Euch, Ihr Hoodie-JournalistInnen!
Was ist ein Journalist? Beziehungsweise: Wer darf sich so nennen? Jemand
mit Ausbildung an einer Journalistenschule? Eine
Theodor-Wolff-Preisträgerin? Einer, der Nachrichten zusammenträgt, aber
nicht selbst findet? [1][Stefan Plöchinger], der Chef des Onlineauftritts
der Süddeutschen Zeitung, darf das jedenfalls nicht, so suggeriert es die
Medienkolumne „Die lieben Kollegen“ [2][aus der aktuellen Frankfurter
Allgemeinen Sonntagszeitung].
Dabei hat Stefan Plöchinger alles richtig gemacht – er ist in Bayern
geboren, hat bei der SZ und an der Deutschen Journalistenschule gelernt,
Stationen bei verschiedenen Zeitungen gemacht, er bloggt, isst Müsli und
leitet seit 2010 die Redaktion von [3][sueddeutsche.de]. Und eigentlich
soll er nun in die Chefredaktion der guten alten Tante SZ aufgenommen
werden. Doch scheint er Printkollegen zu haben, [4][die das nicht wollen].
Dahinter könnte Angst stecken. Eine Angst vor dem Neuen, das so neu
eigentlich nicht mehr ist. Eine Angst, die in Verachtung umschlägt und
diesen Leuten, die eine klassische Ausbildung genossen haben, einen geraden
Satz zusammenkriegen und sich trotzdem ins Internet gewagt haben, pauschal
die Eignung zum Journalisten absprechen.
Journalismus ist mehr als große Reportagen schreiben, mehr als bissig
kommentieren, mehr als Stimmen zum Spiel einholen. Journalismus ist, was
für ein wunderschönes, altes Wort: Blattmachen. Was eine Geschichte, was
eine Nachricht, was ein Aufhänger, was ein neuer Dreh ist – all das sind
Entscheidungen, die Blattmacher treffen müssen. Immer unter den
Voraussetzungen, die ihnen das eigene Medium bietet, immer unter
Berücksichtigung dessen, was gerade gebraucht wird. Das kann eine
Print-Seite-3-Geschichte sein oder ein kurzer schneller Onlinekommentar.
Oder eine opulente Webdoku oder eine kleine Glosse. Blattmachen im
Internetzeitalter, das heißt „eine Seite führen“, ein fluides Gebilde, das
sich nicht so leicht zähmen lässt wie die alten statischen Zeitungsseiten.
Kaum jemand muss so fähig sein zum Multitasking wie ein
Online-Chef-vom-Dienst. Kaum jemand im journalistischen Geschäft braucht
ein besseres Gespür für Timing und Ton.
## Die immer gleichen Vorwürfe
Noch immer muss man, wenn man als junger Journalist bei einem der großen
Medien hierzulande arbeiten will, das Printgeschäft lernen und verstehen.
Reine Onlinejournalisten haben es schwer, sie müssen sich auf Printrhythmen
einlassen, nachvollziehen, warum die Kollegen so und nicht anders arbeiten,
sie müssen rücksichtsvoll sein. Nur so funktioniert Zusammenarbeit. Das
wird nicht mehr lange gut gehen und die Lösung, die sich große
Verlagshäuser erlauben können, einfach die Redaktion doppelt zu besetzen,
dürfte aus finanziellen Gründen nicht für immer Bestand haben.
Als Onlinerin ist man es langsam leid, das eigene Medium gegen die immer
gleichen Vorwürfe mit den immer gleichen Argumenten zu verteidigen: Im
Internet verdient man kein Geld? Nur übers Internet können neue Leser
gewonnen werden und mit neuen Bezahlmodellen wird auch irgendwann das Geld
reinkommen. Im Internet geht es nur um das Schnelle und Witzige,
Ausgewogenes findet keinen Platz? Das wandelt sich gerade, man muss nur
wollen und die Leserzugriffe sagen etwas anderes. Und so weiter und so
weiter.
Demut gehe Plöchinger ab, soll es laut Zeit in den Gremien den Süddeutschen
Zeitung heißen. Demut ist das, was Onlineredakteure seit Jahren leben. Das
muss aufhören. Demut ist „in der Einsicht in die Notwendigkeit und im
Willen zum Hinnehmen der Gegebenheiten begründete Ergebenheit“, steht im
Duden. Wie ekelhaft. Solche Journalisten kann niemand wollen.
24 Mar 2014
## LINKS
[1] http://twitter.com/ploechinger
[2] http://twitter.com/dvg/statuses/447649232879886336
[3] http://www.sueddeutsche.de/
[4] http://www.tagesspiegel.de/meinung/stefan-ploechinger-chef-von-sz-de-wer-jo…
## AUTOREN
Frauke Böger
## TAGS
Online-Journalismus
Süddeutsche Zeitung
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Schwerpunkt Meta
Zeitungssterben
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Internet
Medien
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