# taz.de -- „Neue Zürcher Zeitung“ expandiert: First we take Vienna | |
> Zeitungssterben? Von wegen: Bevor der deutsche Markt erobert werden soll, | |
> versucht die „Neue Zürcher Zeitung“ erst mal in Österreich Fuß zu fass… | |
Bild: Will auf dem deutschen Markt expandieren: Die NZZ. | |
WIEN taz | Es erfordert schon eine gewisse Waghalsigkeit, wenn man | |
ausgerechnet einen Mann, der gerade ein Buch namens „Die Zeitung – Ein | |
Nachruf“ geschrieben hat, mit der Entwicklung einer neuen Zeitung | |
beauftragt. So geschehen letzte Woche in Zürich. | |
Die renommierte Neue Zürcher Zeitung (NZZ), geplagt von schwindenden | |
Abonnentenzahlen in der Schweiz, will auf dem deutschsprachigen Markt | |
expandieren. Österreich soll dabei so eine Art Versuchskaninchen abgeben | |
bevor die Eroberung Deutschlands unternommen wird. So hat es NZZ-Boss Veit | |
Dengler angekündigt. Der österreichische Diplomatenspross und gelernte | |
Betriebswirt setzt dabei auf Qualitätsjournalismus. | |
Auf dem österreichischen Tageszeitungsmarkt wäre tatsächlich noch Platz. | |
Die beiden überregionalen Qualitätsblätter Der Standard (linksliberal) und | |
Die Presse (katholisch konservativ) drucken täglich je um die 120.000 | |
Exemplare. Der Kurier mit seinen fast 230.000 Stück Druckauflage bedient | |
eine Leserschaft, der der Boulevard zu schmierig ist und der die | |
anspruchsvolleren Zeitungen zu trocken sind. | |
Als erfolgreiche Neugründungen konnten sich in den letzten Jahren nur | |
Gratisblätter etablieren. Die U-Bahn-Zeitung Heute und das Boulevardblatt | |
Österreich, das man auch kaufen kann. Denen will Dengler keine Konkurrenz | |
machen. | |
## Nichts zu verschenken | |
„Man kann nicht sein eigentliches Produkt verschenken, wie wir in der | |
Branche das in der Vergangenheit gemacht haben. Journalistische Arbeit ist | |
wertvoll. Es kostet sehr viel, dieses Produkt herzustellen. Wir sind davon | |
überzeugt, dass es einen Markt gibt von Leuten, die für | |
Qualitätsjournalismus bezahlen“, so der NZZ-CEO in einem Interview mit dem | |
Standard. | |
Eine solide Wirtschaftsberichterstattung, ein Feuilleton, das diesen Namen | |
verdient, und qualifizierte Kommentare sind in der derzeit verfügbaren | |
Presse rar. Ob es genügend Leserinnen und Leser gibt, die dafür auch zu | |
zahlen bereit sind, muss sich erst zeigen. | |
„Wir sind davon überzeugt, dass es in Österreich genügend Kundinnen und | |
Kunden gibt, die das Angebot eines liberalen Qualitätsjournalismus à la NZZ | |
zu schätzen wissen“, gab sich deren Chefredakteur Markus Spillmann in einem | |
Kommuniqué überzeugt. Die geplante grenzüberschreitende Expansion liegt in | |
seiner Verantwortung. Ob das neue Produkt nur digital verfügbar sein oder | |
auch gedruckt werden soll, ist noch nicht entschieden. | |
Genausowenig ist ausgemacht, ob die Österreich-NZZ im Wochenrhythmus oder | |
doch täglich erscheinen soll. Konkrete Vorschläge erwartet sich Dengler von | |
Michael Fleischhacker und der Agentur Mindworker. Fleischhacker, der vor | |
zwei Jahren als Chefredakteur der Presse gefeuert wurde, hat sich seither | |
als Kolumnist verdingt und jüngst einen Nachruf auf die Zeitung verfasst. | |
## Bunter Hund der österreichischen Politik | |
Die Agentur Mindworker wird von Rudolf Fußi geleitet. Er ist ein bunter | |
Hund der österreichischen Politik, der vor zwölf Jahren ein Volksbegehren | |
gegen den Ankauf von Abfangjägern initiierte, vergeblich die SPÖ zu | |
modernisieren versuchte, mit seiner Partei Die Demokraten grandios | |
gescheitert ist und zuletzt als Berater bei der Startup-Partei des | |
Milliardärs Frank Stronach zu finden war. Mindworker spezialisiert sich auf | |
PR, Social Media, personalisierte Kommunikation und politische | |
Kommunikation. | |
Das Einzige was Michael Fleischhacker im Telefonat mit der taz ausschließen | |
kann, ist ein „Printprodukt ohne digitale Komponente“. Kollegen, die sich | |
bei ihm als Mitarbeiter angeboten haben, musste er vertrösten. Das Team | |
werde er erst rekrutieren, wenn das Konzept steht. Man darf gespannt sein, | |
mit welchem die Blattmacher dann antreten werden. | |
Aber da müssen wir noch etwas warten: Fleischhacker und Fußi dürfen sich | |
die Zeit nehmen, die sie brauchen. | |
30 Mar 2014 | |
## AUTOREN | |
Ralf Leonhard | |
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