# taz.de -- Journalist über seinen Ausstieg: „Man hört nur noch Gemecker“ | |
> Er war Redakteur bei „GQ“ und „Max“. Dann liefen Michalis Pantelouris… | |
> Träume davon. Nun handelt er mit Olivenöl – und will nebenbei die Welt | |
> verbessern. | |
Bild: „Der Weltmarkt für Olivenöl ähnelt der Entwicklung im Onlinejournali… | |
taz: Herr Pantelouris, Sie sind aus dem Journalismus ausgestiegen und | |
machen jetzt in Olivenöl. Wie kommt’s? | |
Michalis Pantelouris: Ich bin seit anderthalb Jahren geradezu obsessiv | |
angefixt von Olivenöl. Damals habe ich über den Olivenölmarkt recherchiert | |
und den Chef von Artefakt, meinem neuen Arbeitgeber, kennengelernt. Aber | |
ich hätte mir nicht vorstellen können, dass ich den Beruf wechsle. | |
Sie haben als freier Journalist für große Magazine wie Geo geschrieben, gut | |
bezahlte Corporate-Publishing-Jobs gehabt und neue journalistische Konzepte | |
entwickelt. Was hat Ihnen gefehlt? | |
Ich hatte es wahnsinnig gut, es war ein privilegiertes Leben für ein | |
Semi-Migrantenkind wie mich, ich habe immer genug Geld verdient. Aber ich | |
war irgendwann nicht mehr motiviert. Und man muss für seinen Beruf | |
motiviert und vor allem überzeugt sein, dass er einen bestimmten Nutzen | |
hat. Wenn man glücklich sein will, muss man an das Produkt glauben, das man | |
herstellt. Das hatte ich verloren. Jetzt habe ich etwas gefunden, das | |
meinem Weltbild entspricht und mich auf neue Art glücklich macht. | |
Sie waren also unglücklich? | |
In der Branche wird es schwieriger, man hört nur noch Gemecker, ich habe da | |
auch mitgemacht. Und mir liefen die Träume davon. Als ich anfing, wollte | |
ich fürs SZ-Magazin schreiben und für Geo. Hat beides geklappt. Und dann | |
wollte man vielleicht noch Redakteur bei Spiegel oder beim Stern werden – | |
das sind heute die frustriertesten Menschen, die ich kenne. | |
Gab es den Moment, in dem Sie wussten: Ich schmeiße hin? | |
Absolut. Der Artefakt-Chef sagte, er sei in Hamburg, wolle sich treffen. | |
Als wir uns sahen, hatte ich eine neue Interviewreihe im Kopf und wollte | |
ihn dabeihaben, ich sagte: Ich habe da mal eine Frage. Da sagte er: Nee, | |
ich habe erst mal eine: Willst du bei uns einsteigen? Bis zu dieser Sekunde | |
war mir nicht klar, dass das eine Möglichkeit ist. Klar, ich habe immer | |
wieder darüber nachgedacht, was anderes zu machen, aber ich kann ja nichts | |
anderes. Betriebswirtschaft wird er mir beibringen, hat er gesagt. Sechs | |
Wochen später habe ich unterschrieben. | |
Und was ist nun Ihr Job? | |
Wir handeln mit hochwertigem Olivenöl und wollen dafür sorgen, dass das | |
beste Olivenöl der Welt produziert wird. Die Firma ist in Bremen, aber viel | |
kann ich im Home-Office machen, neben Reisen nach Spanien, Italien und | |
Griechenland. Gerade war ich in Apulien auf einer Fortbildung, da waren | |
auch unsere Oliviers aus Griechenland. | |
Unsere Oliviers? | |
Olivenbauer. Weinbau studiert man vier Jahre lang – eine solche Ausbildung | |
für Olivenbauern gibt es nicht, da wird das Wissen vom Vater zum Sohn | |
weitergereicht. Dabei ist die Olive so komplex wie die Traube. Die Idee von | |
Artefakt ist, dieses Wissen zu verbreiten, um das Potenzial der einzelnen | |
Frucht komplett auszuschöpfen. Mein Job ist, dass diese Idee die nächste | |
Generation erreicht. Das fängt schon bei der Website an: Momentan ist die | |
gemacht für Leute, die über Kataloge bestellen. Das muss sich ändern. | |
Was könnten die Medien von der Olivenölbranche lernen? | |
Der Weltmarkt für Olivenöl ähnelt der Entwicklung im Onlinejournalismus: Es | |
geht um Masse statt um Klasse, Klickstrecken statt Inhalte. Artefakt | |
beweist, dass Kunden gewillt sind, mehr Geld für ein authentisches | |
Qualitätsprodukt zu zahlen. Im Journalismus gibt es diese Qualitätsprodukte | |
ja: The Economist oder der New Yorker. Die dürfte es gemäß den | |
Marktgesetzen, die der Springer-Verlag propagiert, gar nicht geben. Aber | |
ich weiß mittlerweile: Ich bin nicht in der Lage, den Journalismus neu zu | |
erfinden. | |
Zumindest in der Medienbranche ist Ihr Öl ja nun bekannt. | |
Ich war überrascht von der Resonanz, ich hätte nicht gedacht, dass sich | |
Leute außerhalb meines Freundeskreises dafür interessieren. Aber ich nutze | |
natürlich jeden PR-Effekt schamlos aus. | |
Sie haben Ihren jetzigen Chef über Ihre Recherche kennengelernt. Klingt | |
nach großer Nähe. | |
Ich halte das Bonmot von Hajo Friedrichs [Hanns Joachim Friedrichs, | |
Ex-Fernsehjournalist, Anm. d. Red.] für grandiosen Schwachsinn, man dürfe | |
sich als Journalist mit keiner Sache gemein machen. Wir sind schon Partei, | |
wenn wir sagen: Das ist ein Thema. Und wir sind doch der Meinung, dass | |
Medien wichtig für die Demokratie sind. Wenn man die Welt nicht verbessern | |
will, wird man nicht Journalist. Und ich mache das jetzt mit anderen | |
Mitteln. | |
Der Journalismus ist abgehakt? | |
Ich würde nicht behaupten, dass ich mich vom Journalismus abkehre. Ich bin | |
in der glücklichen Situation, es als Amateur betreiben zu können. | |
Sie behalten etwa Ihre Kolumnen in Emotion und GQ. Was sagten die Kollegen? | |
Die finden das spannend und crazy. Jeder kennt das Gefühl, sein Leben wie | |
eine Generalprobe zu leben, aber so ist es natürlich nicht. Mag sein, dass | |
ich eine aufkommende Midlife-Krise habe. | |
Das Stichwort hatte ich mir auch notiert. | |
Als 16-Jähriger wollte ich ein cooler Typ werden. Und kein zynischer, | |
leicht verfetteter Vater, der alles damit rechtfertigt, eine Familie | |
ernähren zu müssen. Wir haben jetzt weniger Geld, aber wir kommen klar. Ich | |
mache das, was ich machen würde, wenn ich im Lotto gewonnen hätte – nur | |
eben ohne Lottogewinn. Mir scheint, alles ist auf diesen Punkt hingelaufen: | |
Meine Wurzeln sind in Griechenland, als Journalist habe ich über die Krise | |
in diesem Land berichtet – und jetzt kann ich mithelfen, dass es Familien | |
dort besser geht. Wie es der alte Grieche Platon gesagt hat: Glück ist die | |
wiederkehrende Teilnahme an etwas Erfüllendem. | |
15 Aug 2013 | |
## AUTOREN | |
Anne Haeming | |
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