# taz.de -- Ägyptens Präsident gibt nicht nach: Verhärtete Fronten statt Dia… | |
> Der ägyptische Machthaber Mursi bleibt bei der Ausweitung seiner Macht. | |
> Ägypten muss erst noch lernen, dass eine echt Demokratie aus Kompromissen | |
> besteht. | |
Bild: Die Opposition sammelt sich auf dem Tahrir-Platz in Kairo. | |
KAIRO taz | Ägyptens Präsident Mohammed Mursi will trotz des Widerstands | |
der Opposition und der Justiz nicht von seinem umstrittenen | |
Verfassungsdekret abrücken. Das erklärte sein Sprecher Jassir Ali am | |
Montagabend nach einem Treffen des Präsidenten mit Vertretern des Obersten | |
Richterrats. | |
Die Richter betonten anschließend, das Treffen sei gescheitert. Mursi ließ | |
allerdings unterstreichen, dass der Charakter seines Dekrets nur „temporär“ | |
sei, bis das Land sich eine neue Verfassung gegeben habe. Er versprach | |
ferner, seine Machtbefugnisse nicht zu missbrauchen. | |
Die Opposition erklärte dagegen, dass diese Erklärungen nicht ausreichend | |
seien. Mohamed ElBaradei, der ehemalige Chef der internationalen | |
Atomenergiebehörde und einer der Ikonen der liberalen Oppositionsbewegung, | |
erklärte erneut, dass es mit Mursi keinen Dialog geben wird, solange der | |
seine Entscheidung nicht vollständig zurücknehme. Die Opposition | |
mobilisiere weiter gegen das Dekret, das den Präsidenten in seinen | |
Entscheidungen praktisch unantastbar mache. | |
Vor der großen Demonstration der Opposition am Dienstagabend kam es in | |
Kairos Innenstadt zu vereinzelten Zusammenstößen zwischen Jugendlichen und | |
der Polizei. Die Polizisten seien in der Nähe des Tahrirplatzes mit Steinen | |
beworfen worden, hieß es. | |
Schon in den vergangenen Tagen hatte es viele Proteste gegeben, die teils | |
in Zusammenstößen zwischen Anhängern und Gegnern Mursis mündeten. Ein | |
Mensch war dabei ums Leben gekommen. Ursprünglich hatte auch die | |
islamistische Muslimbrüderschaft für Dienstag zu einer Kundgebung nahe der | |
Kairoer Universität im Viertel Gizeh auf der anderen Seite des Nils | |
aufgerufen. Sie sagte die Demonstration später aber wieder ab, um Gewalt zu | |
vermeiden. | |
## Der Ausgang ist nicht kalkulierbar | |
Damit überlassen die Muslimbrüder die Straße der Opposition. Die Regierung | |
hatte offensichtlich die Befürchtung, dass die Lage bei Demonstrationen | |
beider politischer Lager außer Kontrolle geraten könnte. Außerdem haben die | |
Muslimbrüder kalkuliert, dass sie eine Konfrontation auf der Straße derzeit | |
nicht gewinnen können. | |
In Mursis Erklärungen, dass das Verfassungsdekret nur das Thema „nationale | |
Souveränität“ beträfe und dazu gedacht sei, die „Institutionen und die | |
Revolution“ zu schützen, sieht die Opposition nur eine Nebelkerze, mit der | |
die Richterschaft beruhigt werden sollte. Doch wird die Richterschaft | |
ohnehin nicht als aufrichtigste Oppositionsgruppe gesehen. | |
Viele Richter hatten sich in der Mubarak-Zeit mit dem Regime arrangiert, | |
manche behaupten, die Richter hatten sich prostituiert. Zusammen mit der | |
Staatsanwaltschaft gilt ein großer Teil als Vertreter der alten | |
undemokratischen Zeit, die andere Ziele vertreten als die | |
Oppositionsbewegung aus Liberalen, Linken und liberalen islamischen | |
Parteien. | |
## Kein Ausweg in Sicht | |
Die fühlen sich derzeit im Aufwind. Sie profitieren von den politischen | |
Fehlern der Muslimbruderschaft, die mit ziemlicher Sicherheit das | |
Mursi-Dekret inzwischen bereut, aber keinen gesichtswahrenden Ausweg | |
findet. Die Opposition verbreitet das Gefühl, dass sich die | |
Machtverhältnisse gegen die Muslimbrüder wenden, weil diese das Land | |
bislang nicht aus der politisch und wirtschaftlich verfahrenen Situation | |
herausführen konnten. Doch sollte die Opposition den Muslimbrüdern einen | |
gesichtswahrenden Ausweg aus der jetzigen Krise ermöglichen. | |
Am Ende wird die Lektion der Episode des Muris-Dekrets für alle politischen | |
Strömungen im Land sein, dass die Zeiten vorbei sind, in denen Ägypten im | |
Alleingang beherrschbar ist. Das Nilland kann weder von Mursi allein noch | |
unter Ausschluss der Muslimbrüder regiert werden. | |
Der eigentliche Weg nach vorne bestünde eher darin, politische Bündnisse | |
entlang von Sachthemen zu schmieden. Aber das bedarf einer politischen | |
Reife, die im Moment sowohl bei den Muslimbrüdern als auch bei den | |
Liberalen noch fehlt. | |
27 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
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