# taz.de -- Bundesgerichtshof schränkt Biopatent ein: Kein Patent zum Töten | |
> Der Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle ist enttäuscht. Er erhält nur | |
> ein stark eingeschränktes Patent zur Herstellung von Nervenzellen. | |
Bild: Der Stammzellforscher Oliver Brüstle in seinem Institut für Rekonstrukt… | |
KARLSRUHE taz | Wenn bei der Gewinnung von Stammzellen menschliche | |
Embryonen zerstört werden, kann dieses Verfahren nicht patentiert werden. | |
Das entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) und stutzte einen | |
Patentantrag des Bonner Stammzellforschers Oliver Brüstle zusammen. Mit | |
seinem Hilfsantrag auf ein eingeschränktes Patent hatte Brüstle dagegen | |
Erfolg. Greenpeace freute sich dennoch: „Die Entscheidung stärkt die | |
ethischen Grenzen im Patentrecht.“ | |
Brüstle hatte 1997 in Deutschland ein Patent zur Herstellung menschlicher | |
Nervenzellen angemeldet. Dabei wird zunächst eine menschlichen Eizelle | |
befruchtet. Einige Tage danach werden Stammzellen entnommen, aus denen | |
sogenannte Vorläuferzellen des Gehirns hergestellt werden. | |
Sie sollen später ins Nervensystem transplantiert werden. Eines Tages | |
könnten mit Hilfe dieser Methode Krankheiten wie Parkinson oder Multiple | |
Sklerose behandelt werden, hoffte Brüstle. Er erhielt das Patent 1999. | |
Einige Jahre später klagte jedoch Greenpeace gegen das Patent und wollte es | |
für nichtig erklären lassen. Die Organisation berief sich dabei auf das | |
deutsche Patentgesetz und die EU-Biopatent-Richtlinie. Danach ist „die | |
Verwendung von Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken“ nicht | |
patentierbar. Was damit konkret gemeint ist, wollte der Bundesgerichtshof | |
vom EU-Gerichtshof in Luxemburg wissen und bekam Ende 2011 eine ziemlich | |
weitgehende Antwort. | |
Das Patentverbot solle immer gelten, sobald die notwendige Achtung der | |
Menschenwürde beeinträchtigt werden könnte, so der EuGH. Deshalb sei der | |
Begriff des Embryos weit auszulegen – wie weit, müssten die nationalen | |
Gerichte klären. Der BGH entschied nun, dass die bloße Verwendung einer | |
Stammzelle noch nicht unter das Patentierungsverbot fällt. Aus ihr könne | |
sich ohne weitere Manipulation noch kein Mensch entwickeln. | |
## Nicht entwicklungsfähige Embryonen | |
Vor allem aber hatte der EuGH vor einem Jahr auch alle Verfahren von der | |
Patentierung ausgeschlossen, bei denen Embryonen verbraucht werden oder im | |
Vorfeld zerstört wurden. Hier war am BGH umstritten, ob dies auch Verfahren | |
betrifft, bei denen Stammzellen aus sogenannten irreversibel arretierten | |
Embryonen gewonnen werden. Damit sind Embryonen gemeint, die sich nicht | |
mehr weiterentwickeln. | |
„Die sind tot, aus denen entwickelt sich kein Mensch mehr“, argumentierte | |
Brüstles Anwalt Friedrich-Wilhelm Engel. Hier dürfe das Patentverbot | |
deshalb nicht gelten. | |
Greenpeace-Anwalt Robert Schnekenbühl kritisierte schon die Annahme, dass | |
es Embryonen gebe, die sich sicher nicht mehr weiterentwickeln. Jedenfalls | |
dürfe an solchen Embryonen aber nicht geforscht werden. | |
Der Vorsitzende Richter Peter Meier-Beck betonte zu Beginn der Verhandlung, | |
dass ein Patentverbot weitergehen könnte als konkrete Forschungsverbote. | |
„Ein großes Stoppschild, das eine starke symbolische Wirkung haben soll, | |
kann eine überschießende Tendenz haben.“ | |
## Brüstles Hilfsantrag bestätigt | |
Im Urteil blieb der Senat dann aber eher unbestimmt. Es genüge, wenn der | |
Patentinhaber das Patentbegehren „mit einer allgemein gefassten | |
Einschränkung versieht“, dass keine Embryonen zerstört werden sollen. | |
Ein solches Patent beantragte Brüstle nun mit seinem Hilfsantrag und bekam | |
es vom BGH bestätigt. Ob dieses Patent auch Verfahren mit arretierten | |
Embryonen umfasst, ließ Peter Meier-Beck letztlich offen, weshalb sich am | |
Ende beide Seiten zu Siegern erklärten. | |
Im Großen und Ganzen war allerdings Greenpeace erfolgreicher. Doch die | |
wesentlichen Einschränkungen bei Stammzell-Patenten hat bereits der EuGH | |
vor einem Jahr vorgenommen. | |
27 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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