# taz.de -- Urteil zu Stammzellen: Kein Patent erlaubt | |
> Der Europäische Gerichtshof verbietet Patente auf embryonale Stammzellen | |
> und legt damit den Schutz von Embryonen weit aus. Das Urteil schmälert | |
> die Aussicht auf Profite. | |
Bild: Auch ein eAusnahme für die bloße wissenschaftliche Forschung wurde abge… | |
FREIBURG taz | Verfahren zur Herstellung menschlicher Stammzellen dürfen in | |
Europa nicht patentiert werden - wenn dabei Embryonen zerstört werden. Dies | |
entschied am Dienstag der Europäische Gerichtshof in Luxemburg. Eine harte | |
Niederlage für den Bonner Stammzellforscher Oliver Brüstle. | |
Brüstle hatte 1997 in Deutschland ein Patent zur Herstellung menschlicher | |
Nervenzellen angemeldet. Dabei werden aus Stammzellen, die einer | |
menschlichen Eizelle einige Tage nach der Befruchtung entnommen wurden, | |
sogenannte Vorläuferzellen des Gehirns hergestellt, um sie später ins | |
Nervensystem zu transplantieren. Eines Tages könnten mithilfe dieser | |
Methode Alzheimer, Parkinson oder Multiple Sklerose behandelt werden, hofft | |
Brüstle. | |
Einige Jahre später klagte jedoch Greenpeace gegen das Patent und wollte es | |
für nichtig erklären lassen. Die Organisation berief sich dabei auf das | |
deutsche Patentgesetz und die EU-Biopatent-Richtlinie. Danach ist "die | |
Verwendung von Embryonen zu industriellen und kommerziellen Zwecken" nicht | |
patentierbar. Was damit konkret gemeint ist, wollte der Bundesgerichtshof | |
Ende 2009 vom EU-Gerichtshof in Luxemburg wissen und bekam nun eine | |
ziemlich weitgehende Antwort. | |
## BGH soll über Blastozyten entscheiden | |
Das Patentverbot solle immer gelten, sobald "die der Menschenwürde | |
geschuldete Achtung beeinträchtigt werden könnte". Deshalb sei der Begriff | |
des Embryos weit auszulegen. So gilt für den EuGH nicht nur die befruchtete | |
Eizelle als menschlicher Embryo. Auch bestimmte Formen unbefruchteter | |
Eizellen seien vom EU-rechtlichen Verbot der Patentierung erfasst. Ein | |
Beispiel: wenn in eine unbefruchtete Eizelle ein Zellkern aus einer | |
ausgereiften menschlichen Zelle implantiert wird. | |
Ob Stammzellen, die aus Blastozyten - einer sehr frühen Zellform - gewonnen | |
werden, auch schon als Embryo gelten, ließ der EuGH offen. Das solle der | |
BGH selbst entscheiden. | |
Das nützt Forscher Brüstle aber wenig, da nach der Entscheidung des EuGH | |
auch alle Verfahren von der Patentierung ausgeschlossen sind, bei denen | |
Embryonen beschädigt werden oder im Vorfeld zerstört wurden. Und das ist | |
bei der Gewinnung von Stammzellen aus Blastozyten der Fall. Der EuGH macht | |
dabei keinen Unterschied danach, wie weit im Vorfeld der zu schützenden | |
Erfindung ein Embryo zerstört wurde. Es sei auch egal, ob die Zerstörung | |
eines Embryos in der Patentschrift ausdrücklich erwähnt werde oder nicht. | |
Nur eine Ausnahme vom Patentverbot lassen die EU-Richter gelten: Wenn die | |
Erfindung diagnostisch oder therapeutisch dem menschlichen Embryo konkret | |
nützt. Das ist aber kein echtes Zugeständnis. Zum einen steht die Ausnahme | |
schon in der Begründung der EU-Richtlinie, zum andern leiden Embryonen ja | |
noch nicht an Parkinson und Alzheimer. Die Forschung kommt ihnen also fast | |
nie "persönlich" zugute. Die von Brüstle gewünschte Ausnahme für bloße | |
wissenschaftliche Forschung lehnte der EuGH ab. | |
18 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Stammzellen | |
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