# taz.de -- Position der EU beim Weltklimagipfel: Beinahe lächerlich | |
> Ob Emissionshandel oder CO2-Ausstoß, Europas Position als | |
> Klimaschutz-Vorreiter bröckelt. Die EU ist isoliert, ihre aktuellen Ziele | |
> sind unambitioniert. | |
Bild: Runter vom Erdgas – das hat man auch außerhalb Europas inzwischen vers… | |
DOHA taz | Aus der Not eine Tugend machen – das ist jetzt die Strategie der | |
Europäischen Union bei der Klimakonferenz in Doha. Zwar gibt es keine | |
europäische Einigung über eine Reduktion der Treibhausgase um 30 Prozent | |
bis 2020 – „aber wenn wir zusammenrechnen, was wir in der Praxis tun, dann | |
landen wir 2020 bei minus 24 Prozent“, sagte am Montag EU-Klimakommissarin | |
Connie Hedegaard. | |
Die Beschlüsse zur Energieeffizienz, zum Verbrauch von Autos und Lkws, zu | |
anderen Treibhausgasen und Biosprit würden in der Zukunft so stark greifen, | |
dass auch ohne einen formellen Beschluss die Klimabelastung der EU um 24 | |
Prozent gegenüber 1990 abnehme. | |
Damit reagiert Hedegaard auf eine Zwickmühle: Entwicklungsländer, | |
Umweltgruppen und sie selbst fordern das 30-Prozent-Ziel, aber dafür gibt | |
es keine Mehrheit in der EU. Vor allem Polen bremst, aus Angst um seine | |
Kohleindustrie. So soll die Konzentration auf das, was „in der Praxis“ | |
geschieht, vom Stillstand bei den EU-internen Verhandlungen ablenken. | |
Darüber hinaus sollen am Mittwoch auf einem Treffen Klima-Vorreiterstaaten | |
aus der ganzen Welt zu einem Club zusammenfinden und ausloten, auf welchen | |
Feldern es ohne die komplizierten UN-Verhandlungen vorangehen kann: bei | |
anderen Treibhausgasen, Effizienz, Erneuerbaren oder dem Abbau von | |
Subventionen. | |
## „Acht Jahre lang nichts tun?“ | |
Europas Position in Doha ist deshalb beinahe lächerlich: Bis 2020 ist die | |
EU bereit die Emissionen um 20 Prozent zu reduzieren – bisher sind | |
allerdings bereits 18 Prozent erreicht. Und rechnet man die Minderungen aus | |
Klimaprojekten in Entwicklungsländern dazu, wie es die Umweltverbände tun, | |
sind die 20 Prozent für 2020 bereits geschafft. „Wollen wir in Doha | |
versprechen, acht Jahre lang nichts zu tun?“, fragt deshalb WWF-Expertin | |
Regine Günther. | |
Noch im Vorjahr hatten die europäischen Klimadiplomaten durch hartes und | |
geschicktes Verhandeln den Aktionsplan von Durban erreicht, der vorsieht, | |
bis 2015 ein weltweites Klimaabkommen zu verhandeln. Doch seitdem ist | |
Brüssel nicht weiter gekommen: Das 30-Prozent-Ziel scheitert regelmäßig am | |
polnischen Veto, und mehr Geld für den Klimaschutz ist in der europäischen | |
Finanzkrise auch nicht drin. Ein Antrag unter anderem von Deutschland, | |
Großbritannien und der Kommission, die Klimahilfen ab 2013 höher als die | |
bisherigen Zahlungen von etwa 2,4 Milliarden ausfallen zu lassen, fand bei | |
den EU-Finanzministern keine Mehrheit. | |
Und auch beim dritten wichtigen Punkt, einer UN-Regelung beim | |
Schadensersatz für Klimaschäden, gibt es keine einheitliche europäische | |
Position, kritisiert die Entwicklungsorganisation Germanwatch. Dazu kommt: | |
[1][Der Emissionshandel liegt am Boden], weil die Preise für | |
CO2-Zertifikate durch die Wirtschaftskrise und die allzu großzügige Vergabe | |
der Lizenzen in den Keller gerutscht sind. | |
Gekniffen hat die EU auch im Konflikt um den Emissionshandel für | |
Fluglinien. Ab 2013 sollten eigentlich auch außereuropäische Airlines die | |
Abgabe zahlen, was zu massiven Drohungen aus den USA, China, Russland und | |
Indien geführt hatte. Im November nun legte die EU ihre Pläne für ein Jahr | |
auf Eis, weil die UN-Luftfahrtorganisation ICAO bis dahin eine Lösung | |
angekündigt hat – etwas, das sie seit zwanzig Jahren nicht geschafft hat. | |
## Enttäusche Inselstaaten | |
„Da sind wir eingeknickt, das war ein Misserfolg“, sagt der Vorsitzende des | |
Umweltausschusses im EU-Parlament, Jo Leinen (SPD). Was ein „Aufbruch vor | |
Kopenhagen“ war, das europäische Energie- und Klimapaket, dürfe nicht zum | |
„Abbruch in Doha“ führen. Aber ohne Partner sei die EU eben isoliert. Und | |
ohne eine Allianz mit den Inselstaaten und den ärmsten Ländern wie in | |
Durban wird es keinen Fortschritt geben. Gerade diese Länder aber sind von | |
der EU enttäuscht, weil sie etwa bei den Finanzen im Moment andere Sorgen | |
hat. | |
Die Probleme der EU sind groß: Es gibt 27 verschiedene Energiestrategien | |
der Mitgliedsstaaten, die in dieser Frage ausdrücklich unabhängig sind. Die | |
Kommission hat auch ihre eigenen Ideen und teilt sich diese auch noch | |
zwischen den Kommissaren für Energie (Günter Oettinger) und Klima (Connie | |
Hedegaard) auf. | |
Dann besitzt die EU nur ein wenig ehrgeiziges Kurzfristziel (minus 20 | |
Prozent in 2020) und ein sehr ambitioniertes Langfristziel (minus 80 | |
Prozent bis 2050) – aber keine Einigung darüber, wie der Weg dahin aussehen | |
soll. Und schließlich wird 2014 eine neue Kommission gewählt. Bald ist die | |
jetzige Brüsseler Zentrale dann flügellahm. | |
Dabei wird das EU-Modell gerade kopiert: Ab Januar führt der US-Bundesstaat | |
Kalifornien, immerhin die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt, einen | |
Emissionshandel ein. | |
5 Dec 2012 | |
## LINKS | |
[1] /EU-nimmt-Klimazertifikate-vom-Markt/!105429/ | |
## AUTOREN | |
Bernhard Pötter | |
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