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# taz.de -- Indien und UN-Klimakonferenz: Klimapolitik ist wieder out
> Weil sich der Emissionshandel für Indien nicht mehr rentiert, ist
> Klimawandel kein Thema mehr. Trotz Monsunregen und Gletscherschmelze.
Bild: Mit CO2-Zertifikaten lässt sich in Indien nichts mehr verdien. Die Folge…
Es gab Zeiten, da schien Indien den Klimawandel ernst zu nehmen. Als Beleg
dafür diente die U-Bahn in Delhi. Alle Beteiligten sind heute noch stolz
auf sie. Die Bahn galt als Kind einer erfolgreichen Klimapolitik. Diese
beruhte auf dem alten Kiotoer Klimaabkommen von 1997. Das Abkommen führte
das Geschäft mit Zertifikaten für die CO2-Emissions-Reduzierung ein (CDM –
Clean Development Mechanism).
Sparte man eine Tonne CO2-Ausstoß in Indien, konnte man die Einsparung an
die Industrieländer verkaufen, die dafür Zertifikate bekamen, ihren
Klimaverpflichtungen im Rahmen des Kioto-Abkommens nachgekommen zu sein.
Das klappte eine Weile gut, der Klimahandel blühte – insbesondere zwischen
Indien und Europa.
Beispiel U-Bahn: Weil man ja ausrechnen konnte, dass die U-Bahn in Delhi
viele Tonnen Emissionen einsparen würde, konnten jede Menge Zertifikate
verkauft werden, die in Europa dankbar abgenommen wurden. Die zusätzlichen
Einnahmen wurden dann dazu verwandt, die U-Bahn in Delhi mit einem
besonders energiesparenden Hybridantrieb auszustatten. Damit hatte Delhi
ein Prestigeprojekt, und alle Seiten verdienten daran.
In diesen Zeiten aber, als Indien an die Klimapolitik zu glauben schien,
gab es nicht nur die U-Bahn. Annähernd 500 Millionen Euro an CDM-Geldern
flossen nach Indien. Doch wo blieb das Geld? Wo konnte am Ende tatsächlich
nachgewiesen werden, wie viele Tonnen CO2-Emission eingespart wurden?
## 32 neue Kohlekraftwerke
Ein falsches CDM-Spiel der Inder fiel kürzlich auch dem Stockholmer
Umweltinstitut (SEI) auf: Gleich für 32 neue indische Kohlekraftwerke hat
man CDM-Millionen bereitgestellt, weil diese angeblich mit modernerer
Technik ausgerüstet sind und deshalb die Emissionen von CO2 reduzieren.
Doch die Wissenschaftler aus Stockholm behaupten nun, dass Indiens neue
Kohlekraftwerke allenfalls marktüblich seien und keine zusätzlichen
Emissionseinsparungen bedeuten. Die CDM-Gelder müssten also wieder
gestrichen werden.
Doch selbst wenn Indien die Kraftwerke bauen und möglicherweise die
CDM-Finanzierung verlieren würde: Der indischen Politik würde es nicht
weiter wehtun. Denn mit den leichten Nebeneinkünften aus dem Klimageschäft
ist es sowieso vorbei.
Ab Januar will die EU als größter Abnehmer Klimageschäfte nur noch mit
Entwicklungsländern, nicht mehr mit Schwellenländern tätigen. Außerdem ist
der Preis für die Einsparung einer Tonne CO2 jetzt drastisch gesunken.
Damit lässt sich in Indien längst nicht mehr ordentlich verdienen.
Das alles aber sind entscheidende Gründe für das neue indische Desinteresse
an der Klimapolitik. Denn wer indischen Politikern keine Nebeneinkünfte
belässt, von denen sie leben, wird von ihnen bestraft.
Früher, als der Klimahandel noch funktionierte, war das anders. Zum
Beispiel im Jahr 2009, als rechtzeitig zur Klimakonferenz in Kopenhagen ein
neuer, starker Umweltminister in Delhi auftrat. Jairam Ramesh, ein
gelernter Chemiker und Ingenieur, setzte den Klimawandel selbstbewusst auf
die Tagesordnung der indischen Politik. Er war ein Vertrauter der
regierenden Gandhi-Familie und durfte anecken.
## Nationales Interesse
Ramesh erzählte den Indern, sie selbst würden die größten Opfer des
Klimawandels. Das indische Monsunklima sei für die Erderwärmung besonders
anfällig, die Gletscherschmelze im Himalaja würde Indiens Wasserwirtschaft
zerstören, der Anstieg des Meeresspiegels riesige indische Gebiete
überschwemmen. Ramesh betonte damals, dass von allen großen Nationen
deshalb Indien das größte Interesse am Klimaschutz hätte.
Mit solchen Tönen fuhr er nach Peking und schmiedete dort eine
indisch-chinesische Klimaallianz, die auf der Konferenz in Kopenhagen
fordernd, aber nicht destruktiv gegenüber dem Westen auftrat.
Machtpolitisch wirkte Kopenhagen daher wie eine Zeitenwende: Erstmals
begegneten sich Industrie- und Schwellenländer auf Augenhöhe.
Doch die Zeiten, als Indien den Klimawandel ernst zu nehmen schien, sind
vorbei. Heute ist Ramesh Minister für ländliche Entwicklung, und die Inder
haben andere Sorgen. Ihre Wirtschaft lahmt, es fließen keine Investitionen
mehr ins Land, Inflation und Korruption bringen viele zur Verzweiflung.
Klima ist kein Thema mehr. Da passt es ins Bild, dass das
Regierungskabinett in Delhi vergangene Woche vorauseilend beschloss, auf
der laufenden Klimakonferenz in Doha keinerlei Zugeständnisse gleich
welcher Art zu machen.
28 Nov 2012
## AUTOREN
Georg Blume
Georg Blume
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