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# taz.de -- Abwracken in Indien: Die Spur der Schiffe
> Die Containerschiffe "Northern Dignity" und "Northern Felicity" liegen
> zum Abwracken an einem indischen Strand - doch wer hat sie dorthin
> verkauft?
Bild: Malerischer Weg zu einem gefährlichen Job: Pakistanische Arbeiter fahren…
HAMBURG taz | Es ist nicht schön, aber nicht verboten, wenn Reedereien
Containerschiffe, die sie loswerden wollen, an sogenannte „Broker“
verkaufen, die die Schiffe nach Indien bringen, wo sie unter
abenteuerlichen Bedingungen am Strand „abgewrackt“ werden. Mindestens acht
Arbeiter sind dieses Jahr allein in Bangladesch dabei gestorben, wie die
Nicht-Regierungsorganisation „Shipbreaking Platform“ in Brüssel mitteilt.
Hunderte von ausgemusterten Schiffen landeten jedes Jahr an südasiatischen
Stränden, verseuchten die Meere und gefährdeten die Arbeiter.
Im Fall der „Northern Vitality“ schlug der Versuch fehl, weil die
Norddeutsche Reederei H. Schuldt aus Hamburg versuchte, das Schiff von
Wilhelmshaven aus an einen Broker zu verkaufen – aus der EU heraus sind
solche Verkäufe verboten. Das niedersächsische Umweltministerium schritt
ein (taz berichtete).
Anders sieht es bei den Schiffen aus, die sich nicht in EU-Gewässern
befinden. So sind die Containerschiffe „Northern Dignity“ und „Northern
Felicity“ aus dem Umkreis derselben Reederei inzwischen vom Radar
verschwunden. Die letzten GPS-Signale sendeten sie aus den Gewässern vor
dem indischen Alang, wo sich einer der größten Abwrack-Strände befindet.
Beide Schiffe tauchten Ende August im wöchentlichen Bericht von GMS auf,
dem nach eigenen Angaben „weltgrößten Käufer von Schiffen fürs Recycling�…
Gezahlt wird Cash.
Auch die „Northern Vitality“ stand schon auf der GMS-Liste – offenbar
voreilig. Die Norddeutsche Reederei, eine Tochtergesellschaft der Hamburger
Unternehmensgruppe Norddeutsche Vermögen, hat das Schiff, nachdem die
Verkaufsabsichten öffentlich wurden, eilends an eine Schwestergesellschaft
verkauft. Die „Northern Vitality“ soll nun auf einer Werft im bulgarischen
Varna repariert werden, derzeit liegt sie hinter Gibraltar in einem
spanischen Hafen.
Nach Informationen der Shipbreaking Platform weisen die Spuren auch bei der
„Northern Dignity“ und bei der „Northern Felicity“ nach Hamburg. In der
Schiffsdatenbank „Lloyd’s List“, ist als „beneficial owner“ und als
„commercial owner“ der „Northern Dignity“ bis zum 16. September die
Reederei Karl Schlüter registriert, eine Tochter der Norddeutsche Vermögen.
Bei der „Northern Felicity“ ist als „beneficial owner“ bis 12. September
die „Norddeutsche Vermögensanlage“ eingetragen, als „commercial owner“…
Norddeutsche Vermögen Holding selbst.
Tatsächlich sind beide Schiffe nach wie vor auf der Homepage der
Norddeutsche Vermögen aufgeführt, unter der Rubrik „Schiffsfonds“. Beide
Schiffe sind Kommanditgesellschaften, private Investoren haben Anteile
gekauft, und die Norddeutsche Vermögen hat das vermittelt. Das bedeutet
allerdings nicht automatisch, dass sie die Schiffe auch managt. Der Manager
der Schiffe, der im Zweifelsfall den Verkauf abwickelt, ist in der „Lloyd’s
List“ als „technical operator“ aufgeführt: im Falle der „Northern Feli…
ist es die NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft GmbH mit Sitz in
Buxtehude, im Falle der „Northern Dignity“ die Norddeutsche
Vermögen-Tochter Norddeutsche Reederei H. Schuldt.
„Die ’Northern Felicity‘ wird nicht in unserem Hause betreut, es ist aber
bekannt, dass diese durch deren Manager verkauft wurde, wie im Übrigen auch
die ’Northern Dignity‘“, sagt der Geschäftsführer der Norddeutsche
Vermögen, Markus Hempel, auf taz-Anfrage, und: „Der Käufer der ’Northern
Dignity‘ hat diese nach unserem Eindruck wiederum weiterverkauft und das
Schiff wird nun abgebrochen.“
Hempel sagt, dass die Entscheidung über den Verkauf bei den Anteilseignern
liege, „das wäre ja sonst Verletzung der Eigentumsrechte“. Wer die
Anteilseigner sind, ist von außen nicht einsehbar. In der Branche gibt es
das geflügelte Wort von den „Zahnwälte-Schiffen“, das sind Schiffsfonds, …
die reiche Zahnärzte und Anwälte investieren – zuletzt haben sie dabei sehr
viel verloren, denn die Branche ist in der Krise.
Der Wunsch, das verlustbringende Schiff so schnell wie möglich zu
verhökern, ist vor diesem Hintergrund verständlich. „Uns fällt auf, dass in
letzter Zeit mehr Schiffe als sonst zum Abwracken nach Indien kommen“, sagt
Patrizia Heidegger von der Shipbreaking Platform. Für den 9. November hat
sie zu einer Informationsveranstaltung geladen – in die Brüsseler
Dependance des Europäischen Parlaments.
23 Oct 2012
## AUTOREN
Daniel Wiese
## TAGS
Schifffahrt
Indien
Indien
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