# taz.de -- Entsorgung auf Kosten der Umwelt: Schiffe landen auf der Müllkippe | |
> 23 Schiffe deutscher Reeder sind im vergangenen Jahr unter katastrophalen | |
> Bedingungen in Ostasien abgewrackt worden. | |
Bild: Lief besser als befürchtet: Die auf dem Atlantik in Brand geratene „MS… | |
HAMBURG taz | Jetzt ist die „Northern Vitality“ doch noch in den indischen | |
Sand gesetzt worden. Wie die Brüsseler [1][Shipbreaking Platform], ein | |
Zusammenschluss von Umwelt- und Menschenrechtsgruppen mitteilte, ist das | |
Schiff der [2][Norddeutschen Vermögen Holding] mit Sitz in Hamburg im | |
südindischen Alang auf einem Abwrackplatz gestrandet. Dort werden die | |
Schiffe unter Missachtung von Umweltschutz und Arbeitsschutzstandards | |
zerlegt. Eine EU-Verordnung, die das verhindern soll, erweist sich als | |
zahnlos. | |
Die „Northern Vitality“ hatte vor gut drei Jahren für Schlagzeilen gesorgt, | |
weil sie in Wilhelmshaven an die Kette gelegt worden war. Die Norddeutsche | |
Reederei H. Schuldt aus Hamburg, eine Tochterfirma der Norddeutschen | |
Vermögen, hatte vor, das Schiff an einen Zwischenhändler zu verkaufen. Aus | |
der EU heraus sind solche Verkäufe jedoch verboten. Das niedersächsische | |
Umweltministerium schritt ein. „Es besteht der Verdacht der illegalen | |
Abfallentsorgung“, teilte das Ministerium damals mit. | |
Das Schiff durfte schließlich weiterfahren unter der Versicherung, dass es | |
im bulgarischen Varna repariert und weiter in Dienst gehalten werde. Jetzt | |
ist es doch auf einem indischen Abwrackplatz gelandet. | |
Direkt am Meer zerlegen Arbeiter mit Schweißbrennern dort Schiffsrümpfe. | |
Kaum geschützt holen sie Öl, Farben, Asbest und Schwermetalle aus den | |
stillgelegten Ozeanriesen. Das Zeug vergiftet das Meer und die Arbeiter. | |
Schwere Unfälle sind häufig: Allein in Bangladesch sind nach Angaben der | |
Shipbreaking Platform im vergangenen Jahr 16 Arbeiter durch Explosionen und | |
Stürze umgekommen. 22 weitere wurden schwer verletzt. | |
Die Shipbreaking Platform vermutet, dass die Norddeutsche Vermögen das | |
Schiff an eine Gesellschaft verkauft hat, die es nur zum Abwracken erwarb. | |
Einige Kleinstaaten wie St. Kitts oder die Komoren mit schwachen Regularien | |
bieten den Eignern gerade für solche Fahrten zum Schrottplatz ihre Flagge | |
zum Schleuderpreis an. „Jedenfalls ist die ‚Northern Vitality‘ ein | |
hervorragendes Beispiel dafür, wie Schiffseigner das Gesetz zu umgehen | |
versuchen“, so die Plattform. | |
Die EU hat 2013 eine [3][Verordnung] erlassen, nach der Schiffe, die unter | |
einer EU-Flagge fahren nur in einer von der EU-Kommission genehmigten | |
Einrichtungen recycelt werden dürfen. Diese können auch außerhalb der EU | |
liegen. Zudem müssen alle Schiffe, die europäische Häfen anlaufen, ein | |
Verzeichnis aller gefährlichen Stoffe mitführen, die sie enthalten. Die | |
Verordnung enthält jedoch ein Schlupfloch: Die zu verschrottenden Schiffe | |
können in Staaten außerhalb der EU verkauft werden. Was dort geschieht, | |
entzieht sich ihrem Zugriff. | |
Der [4][Verband Deutscher Reeder] (VDR) weist darauf hin, dass es seit 2009 | |
das Hongkong-Übereinkommen über sicheres und umweltverträgliches Recycling | |
von Schiffen gebe. Es enthält ebenfalls Qualifizierungskriterien für | |
Recyclingwerften und die Pflicht, eine Schadstoffliste für Schiffe zu | |
erstellen. Bisher haben aber nur wenige Länder die Konvention ratifiziert. | |
Der VDR appelliert an die Bundesregierung, das zu tun. „Ein europäische | |
Insellösung würde die Arbeitsbedingungen in den südasiatischen | |
Recyclingstaaten nicht verbessern“, sagt der VDR. | |
Der Shipbreaking Platform ist das zu wenig. Die „Northern Vitality“ sei | |
zwar an einer nach dem Hongkonger Übereinkommen zertifizierte Abwrackwerft | |
übergeben worden, sagt Patrizia Heidegger von der Plattform. Das bedeute | |
aber nicht, dass diese Abwrackplätze EU-Umweltschutzstandards erfüllten. | |
Dass die Reeder eine Wahl haben, zeigt das Beispiel der Hamburger Reederei | |
Hapag Lloyd. Sie hat vor gut einem Jahr beschlossen, ihre Schiffe nach | |
europäischen Standards in China verschrotten zu lassen. Beim ersten Schiff, | |
dass Hapag Lloyd auf diese Weise entsorgte, einem Containerschiff für 3.000 | |
Boxen, musste die Reederei gegenüber einer optimalen Verwertung auf | |
Einnahmen von zwei Millionen Dollar verzichten. | |
8 Feb 2016 | |
## LINKS | |
[1] http://www.shipbreakingplatform.org/ | |
[2] http://www.norddeutsche-vermoegen-holding.de | |
[3] http://www.eu2013.ie/news/news-items/20130627shiprecycling/ | |
[4] http://www.reederverband.de/ | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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