# taz.de -- Schiffs-Recycling in Deutschland: Vom Wrack zum Rohstoff | |
> Zwei deutsche Werften würden gerne hier Schiffe recyceln, doch die Hürden | |
> sind hoch. Bisher geschieht das unter schlechten Bedingungen in Südasien. | |
Bild: Mit „Beaching“ soll in Zukunft Schluss sein: Schiffsrecycling soll k�… | |
Hamburg taz | Das Abwracken von Schiffen ist ein schmutziges und viel | |
kritisiertes Geschäft, das vor allem in Südasien betrieben wird. Jetzt | |
schicken sich zwei deutsche Werften an, hierzulande sauber und sicher | |
ausgediente Schiffe zu recyceln. Das ist allerdings nicht ganz einfach. | |
„Hohe Lohnkosten, bürokratische Hürden sowie hohe Finanzierungsvolumina | |
stellen in Deutschland erhebliche Markteintrittsbarrieren dar“, heißt es in | |
einer Mitteilung des Deutschen Maritimen Zentrums, einer Organisation zur | |
Stärkung der Branche, in der die fünf Nord-Bundesländer und die großen | |
maritimen Verbände vertreten sind. | |
Mehr als 70 Prozent [1][aller außer Dienst gestellten Schiffe werden in | |
Indien, Pakistan und Bangladesch auf den Strand gesetzt und dort von Hand | |
zerlegt]. Umwelt- und Arbeitsschutzstandards spielen bei diesem „Beaching“ | |
kaum eine Rolle. „Arbeiter kommen zu Tode, sie verletzen sich oder | |
entwickeln Krankheiten aufgrund der gefährlichen Arbeitsbedingungen und der | |
Gifte, denen sie ausgesetzt sind“, [2][kritisiert die Brüsseler | |
Shipbreaking Platform], ein Zusammenschluss von Umwelt- und | |
Menschenrechtsgruppen. | |
Zudem schädige der unzulängliche Umgang mit giftigen Abfällen die lokalen | |
Ökosysteme und Gemeinden. Das Abwracken von Schiffen gehöre zu den | |
„gefährlichsten Arbeiten überhaupt, mit inakzeptablen Raten an Todesfällen, | |
Verletzungen und Arbeitskrankeiten“, [3][warnt die Internationale | |
Arbeitsorgansisation (ILO)]. | |
Das Problem ist schon lange bekannt. Schon 2009 hat die [4][Internationale | |
Schifffahrtsorganisation (IMO)] das sogenannte Übereinkommen von Hongkong | |
verabschiedet, nach dem von jedem größeren Schiff ein Gefahrstoffinventar | |
angelegt werden muss. Schiffe dürfen nur auf Werften verschrottet werden, | |
die nachweislich alle Umwelt- und Sicherheitsauflagen des | |
Hongkong-Übereinkommens erfüllen. Nachdem zuletzt Bangladesch und Liberia | |
beigetreten waren, kann das Abkommen am 26. Juni 2025 in Kraft treten. | |
## Im Durchschnitt 40 Jahre alt | |
Die Organisation Shipbreaking Platform sieht das Hongkong-Übereinkommen | |
kritisch. „Beinahe 100 Beaching-Plätze in Indien sind nach dem | |
Hongkong-Übereinkommen zertifiziert worden“, sagte die Gründerin und | |
Geschäftsführerin Ingvild Jenssen der taz. „Keiner von ihnen dürfte sich in | |
der EU bewerben.“ | |
Hinzu komme, dass das Hongkong-Übereinkommen für Flaggenstaaten gelte. | |
Fahren die Schiffe unter der Flagge eines Landes, das nicht beigetreten | |
ist, wie Palau, die Komoren oder die Mongolei, die ja noch nicht einmal | |
eine Küste hat, brauchen sie sich um die Vorgaben nicht zu scheren. „Die | |
Schiffe wechseln ihre Flagge einfach kurz bevor sie die Abwrackwerften in | |
Südasien anlaufen“, sagte Jenssen. Ihre NGO ermutige daher Firmen wie die | |
Bremer Leviathan und die Emder Werft sicherere und umweltfreundlichere Wege | |
zu finden, um Schiffe zu verschrotten. | |
Die Emder Werft und Dock GmbH (EDW) hat im März angekündigt, kleinere | |
Schiffe – von Behörden, Binnenschiffe, Küstenfähren – verschrotten zu | |
wollen. „Der Bedarf ist da“, stellte EDW-Geschäftsführer Björn Sommer fe… | |
Bei Hafenbetriebsgesellschaften oder der Wasserschutzpolizei hätten die | |
Schiffe ein Durchschnittsalter von mehr als 40 Jahren. | |
Die nötige Vorerfahrung habe die EWD. „Bei der Renovierung des | |
Museumsschiffs ‚Amrumbank‘ haben wir seinerzeit das Schiff komplett | |
entkernt und schon damals ist bei uns die Erkenntnis gewachsen, dass sich | |
das Team mit Stoffen und Materialien und dem Rückbau eines Schiffes | |
auskennt“, sagte Sommer. Jetzt sei EDW fest entschlossen, in dieses | |
Geschäftsfeld einzusteigen. Das notwendige Zertifizierungsverfahren laufe. | |
## Roboter, KI und erneuerbare Energie | |
Ebenfalls einsteigen, aber beim Recycling großer Einheiten, will die Bremer | |
Firma Leviathan. Sie hat sich nicht weniger vorgenommen, als „das Drehbuch | |
für das Schiffsrecycling neu zu schreiben“. Zum Einsatz kommen sollen dabei | |
Roboter, KI, erneuerbare Energie und ein Schneideverfahren mit einem Strahl | |
aus Wasser und Sand. | |
Leviathan hat im September eine Fläche von der Hansestadt Stralsund | |
gepachtet, um „Deutschlands erste und nahezu emissionsfreie | |
Schiffsrecyclinganlage zu eröffnen“. Geschäftsführer Simeon Hiertz findet: | |
„Es braucht eine Lösung, die im positiven Sinne industrialisiert ist.“ Wie | |
er der taz sagte, sollen zunächst die Gefahrstoffe aus den Schiffen geholt | |
und diese davon durch Roboter von außen in normierte Teile zerlegt werden, | |
die wie am Fließband abtransportiert würden. | |
Hiertz hofft, auf diese Weise ein Schiff binnen zwei bis drei Wochen statt | |
vier bis sechs Monaten zurückbauen zu können. [5][Abnehmer könnte die | |
Stahlindustrie sein], die [6][mit dem hochwertigen Recyclingstahl ihren | |
CO2-Ausstoß verringern könnte]. | |
## Genehmigung dauert lange | |
Hiertz kritisiert, das Genehmigungsverfahren für das Schiffsrecycling | |
dauere übermäßig lange. Schließlich gebe es ja eine EU-Verordnung dazu. | |
Allerdings kommen hier mehrere Rechtsgebiete und Zuständigkeiten zusammen | |
oder infrage: das Bundesimmissionsschutzgesetz, das | |
Kreislaufwirtschaftsgesetz, das Abfallrecht, eventuell eine | |
Öffentlichkeitsbeteiligung. | |
Das Umweltministerium Mecklenburg-Vorpommerns kann Hierz’ Kritik nur | |
bedingt nachvollziehen. Leviathan sei 2022 mit der Idee einer Abwrackanlage | |
an das Ministerium herangetreten. Die Unterlagen für ein | |
Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz lägen | |
allerdings erst seit dem 11. März dieses Jahres vor. Weil eine Stelle | |
gerade nicht besetzt sei, könne der Antrag nicht sofort bearbeitet werden. | |
Für den gesamten technologischen Prozess der Schiffszerlegung gebe es keine | |
Erfahrungen, teilte das Ministerium mit. „Dies stellt an die | |
Genehmigungsbehörde, welche die Vermeidung umweltgefährdender Einwirkungen | |
zu beurteilen hat, außerordentliche Anforderungen dar“, sagte Sprecherin | |
Eva Klaußner-Ziebarth der taz. Allein schon Leviathans | |
Wasserstrahl-Schneideverfahren schließe weitere schädliche Umweltwirkungen | |
nicht aus. | |
4 Aug 2024 | |
## LINKS | |
[1] /Entsorgung-auf-Kosten-der-Umwelt/!5272282 | |
[2] https://shipbreakingplatform.org/our-work/the-problem/ | |
[3] https://www.ilo.org/resource/ship-breaking-hazardous-work-0 | |
[4] /Unternehmen-geben-Klimaziele-auf/!6006157 | |
[5] /Umbau-auf-Wasserstoffnutzung-unsicher/!5996468 | |
[6] https://www.leibniz-zmt.de/de/neuigkeiten/nachrichten-aktuelles/archiv-news… | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
## TAGS | |
Schifffahrt | |
Schiff | |
Recycling | |
Rohstoffe | |
Schifffahrt | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Entsorgung auf Kosten der Umwelt: Schiffe landen auf der Müllkippe | |
23 Schiffe deutscher Reeder sind im vergangenen Jahr unter katastrophalen | |
Bedingungen in Ostasien abgewrackt worden. | |
Zerlegen in Asien: Schrottkähne enden am Strand | |
68 Schiffe deutscher Reedereien sind 2013 in Südasien verschrottet worden. | |
Auch Frachter von Hamburger Reedereien sind dabei. | |
Größter Schiffsfriedhof der Welt: Schweröl im Wattenmeer | |
Am Strand des indischen Alang wurden seit den achtziger Jahren über 6.000 | |
Wracks zerlegt. Ein gutes Geschäft – auf Kosten von Umwelt und Arbeitern. |