# taz.de -- Schifffahrt: Versagen bei Ausbeutung auf See | |
> Der Bundestag hat ein neues Gesetz zum Seearbeitsrecht verabschiedet. Für | |
> den Juristen Rolf Geffken hätte im Gegenzug das Anheuern schlecht | |
> bezahlter ausländischer Seeleute verboten gehört. | |
Bild: Hätten sicher auch nichts gegen Bezahlung nach deutschem Tarif: philippi… | |
HAMBURG taz | Rolf Geffken ist entsetzt. Der Hamburger Fachanwalt für | |
Arbeitsrecht, Spezialist für Seemannsrecht, ist sauer auf seine Partei, die | |
Linke, und auf die Gewerkschaft Ver.di: Beide hätten sich nicht ausreichend | |
in die Debatte um das neue Seearbeitsgesetz eingemischt, das am Donnerstag | |
der Bundestag verabschiedet hat. Von einem „historischen Versagen“ schreibt | |
Geffken gar in einem Brief an Linksfraktionschef Gregor Gysi. | |
Es sei versäumt worden, das Deutsche Zweitregister zur Disposition zu | |
stellen. Überhaupt habe nicht mal die Fachöffentlichkeit von der Debatte | |
erfahren. Das Gesetz, so Geffken, „ist auch nicht zum Thema in den | |
betroffenen Küstenregionen gemacht worden“. | |
Das neue Seearbeitsgesetz ist fällig, seit 2006 das | |
Seearbeits-Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) | |
verabschiedet wurde. Mit diesem Abkommen endete ein jahrelanger Kampf der | |
Internationalen Transportarbeiterförderation (ITF) für faire Standards an | |
Bord von Seeschiffen. Um das Abkommen ratifizieren zu können, muss die | |
Bundesregierung dessen Normen in deutsches Recht kleiden. | |
Künftig sollen internationale Arbeits- und Ruhezeiten gelten und Reeder | |
beziehungsweise Eigentümer haftbar sein, auch wenn sein Schiff in Charter | |
unterwegs ist oder ein externes Personalmanagement die Crew angeheuert hat. | |
Gerichtsstandort für Deutschland bleibt eine spezielle Kammer für Seerecht | |
am Arbeitsgericht Hamburg. | |
Geffken zufolge hätte es nun die historische Chance gegeben, das sogenannte | |
Internationale Seeschifffahrtsregister (ISR) zu kippen, das 1989 die | |
schwarz-gelbe Bundesregierung durchbrachte – gegen den Protest der | |
Opposition sowie der Gewerkschaften ÖTV und DAG. Es ermöglicht Reedern, | |
ausländische Seeleute auf den im Zweitregister registrierten Schiffen unter | |
deutscher Flagge zu den Bedingungen ihres Heimatlandes zu beschäftigten. | |
Die Bremer Sloman-Neptun-Reederei war eine der ersten, die ihren Gastanker | |
„Zetagas“ in das mancherorts als „Billigregister“ bezeichnete Zweitregi… | |
eintragen ließ und die deutsche Besatzung gegen Philippiner austauschte. | |
Diese bekamen statt 3.500 Mark nur 1.000 Mark Monatsheuer – inklusive | |
Überstunden. Schleswig-Holstein und Bremen geißelten das ISR damals als | |
sozialstaats- und verfassungswidrig, mehrere Nordländer zogen vor das | |
Bundesverfassungsgericht, die Betriebsräte der Neptun-Reederei schalteten | |
den Europäischen Gerichtshof ein. Das Bundesverfassungsgericht wies die | |
Klage jedoch ab und ließ das ISR „unter Wirtschaftsvorbehalt“ zu: Die | |
Reeder hatten das Bild gezeichnet, andernfalls stünde die gesamte deutsche | |
Handelsflotte vor dem Aus. | |
Das sei lange her, sagt nun Geffken, inzwischen gehe es den Reedern wieder | |
gut. Im Bundestag hätte das ISR „zur Disposition gestellt werden müssen“, | |
findet er. Schließlich habe die Bundesregierung unter Druck gestanden, das | |
ILO-Abkommen endlich umzusetzen. Eine Zustimmung im Gesetzgebungsverfahren | |
hätte sich also abhängig machen lassen können von einer Abschaffung des | |
ISR. Das nämlich sei und bleibe „verfassungswidrig“, sagt Geffken. „Das … | |
mehrfach belegt.“ | |
Das Seearbeitsgesetz habe mit dem Zweitregister nichts zu tun gehabt, sagt | |
hingegen Karl-Heinz Biesold von der Abteilung Schifffahrt der Gewerkschaft | |
Ver.di. Das Zweitregister falle vielmehr unter das Flaggenrecht. | |
Und die Bundestags-Linke? „Es wäre sicherlich notwendig gewesen, dass sich | |
die Linke dieses Themas angenommen hätte“, sagt Christian Blümke, | |
Fraktionsmitarbeiter des Abgeordneten Wolfgang Neskovic, der taz. „Ich | |
konnte nicht ermitteln, warum beides unterblieben ist.“ | |
22 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Kai von Appen | |
## TAGS | |
Arbeitsrecht | |
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