| # taz.de -- Energiepolitik zur Wahl in Japan: Fukushima zählt nicht | |
| > Die Mehrheit der Japaner ist für einen Atomausstieg. Die Wahl beeinflusst | |
| > das kaum. Politiker gehen davon aus, dass sich die kritische Stimmung | |
| > wieder legen wird. | |
| Bild: Klare Worte auf japanisch: „Goodbye Nuclear Power“. | |
| TOKIO taz | Kein Lautsprecherwagen der Parteien fährt durch Odaka, kein | |
| Wahlplakat wurde in der Kleinstadt 20 Kilometer nördlich der Atomruinen von | |
| Fukushima geklebt. Dabei ist das Betreten von Odaka seit April zumindest | |
| tagsüber erlaubt. | |
| Doch als Einziger hat Sunao Kato seinen Friseurladen wieder geöffnet, | |
| obwohl er das Wasser zum Haarewaschen in Kanistern mitbringen muss. Die | |
| Wahl habe mit seinem Leben nichts zu tun, sagte der 62-jährige der Zeitung | |
| Asahi. Aber er fühle sich frustriert, wenn der mutmaßliche Wahlsieger | |
| Shinzo Abe die Wiederinbetriebnahme von Reaktoren ankündige: „Diese Leute | |
| haben kein Mitgefühl für die Menschen von Fukushima“, meinte Kato. | |
| Bei der ersten nationalen Wahl seit der Atomkatastrophe spricht zwar jeder | |
| Politiker über Japans Energiepolitik. Auch die freitäglichen | |
| Anti-Atom-Proteste vor dem Amtssitz des Premierministers gehen weiter. Doch | |
| die im Sommer erneuerte Grüne Partei, die den Atomausstieg fordert, hat | |
| davon nicht profitiert. | |
| Stattdessen dürfte die erst Ende November gegründete Partei für die Zukunft | |
| Japans die Stimmen vieler Atomgegner bekommen. Die Partei hat mehr Gewicht, | |
| da sie von der Gouverneurin der Präfektur Shiga, Yukiko Kada, gegründet | |
| wurde. | |
| ## „Moralisch nicht vertretbar“ | |
| Außerdem hat Ichiro Ozawa, Exchef der regierenden Demokraten, seine | |
| Wahlmaschine für die Zukunftspartei angeworfen. Die 62-Jährige will ab 2022 | |
| auf Atomkraftwerke verzichten. „Die Förderung von Atomenergie nur aus | |
| wirtschaftlichen Gründen ist moralisch nicht vertretbar“, erklärte Kada. | |
| Damit kritisierte sie das Argument der Wirtschaftslobby Keidanren, | |
| Atomenergie sei für eine bezahlbare und stabile Stromversorgung notwendig. | |
| Dieser Meinung der Industrie folgen auch die großen Parteien. Die | |
| regierenden Demokraten versprechen den Atomausstieg bis 2040, haben jedoch | |
| die Fortsetzung der Bauarbeiten an zwei halb fertiggestellten Reaktoren | |
| erlaubt. Der populäre Bürgermeister von Osaka und Gründer der | |
| Japan-Restaurationspartei, Toru Hashimoto, hat seine Kritik an Atomenergie | |
| nach dem Bündnis mit dem Nationalisten Shintaro Ishihara verwässert. | |
| Mehr als die Hälfte der Japaner möchte Umfragen zufolge zwar auf | |
| Atomenergie verzichten. Dennoch unterstützt die Mehrheit der Wähler das | |
| Comeback ausgerechnet der LDP, die den Atomstaat über Jahrzehnte aufgebaut | |
| hat. | |
| ## Kommt Zeit, kommt AKW | |
| Immerhin kaschieren die Liberaldemokraten, die nach einem alten Bonmot | |
| weder liberal noch demokratisch sind, ihre Pro-Atom-Haltung damit, dass sie | |
| über die AKW-Neustarts innerhalb von drei Jahren entscheiden wollen, wohl | |
| in der Erwartung, dass die atomkritische Stimmung mit der Zeit nachlässt. | |
| LDP-Generalsekretär Shigeru Ishiba und andere rechte Politiker wollen | |
| jedoch nicht auf Atomenergie verzichten, da Japan sonst die Option | |
| verliere, Atommacht zu werden. | |
| Die diffuse Energiepolitik illustriert die Besonderheit, dass die Parteien | |
| in Japan nur lose Koalitionen ohne scharfes Profil sind. „Das größte | |
| Geheimnis von Japans Politik ist, dass Inhalte keine Rolle spielen“, | |
| erklärt Jochen Legewie, Japan-Chef der deutschen Kommunikationsberatung | |
| CNC. Auch die Anti-Atom-Partei von Frau Shiga bestätigt das: Die | |
| Zukunftspartei besteht nämlich vor allem aus einer Abspaltung der | |
| regierenden Demokraten, die von Schwergewicht Ozawa gelenkt wird. | |
| Kein Wunder, dass den Evakuierten aus der Region Fukushima nur der Frust | |
| bleibt. Das Haus von Bäuerin Takako Kuroki steht in einem Gebiet der | |
| Kleinstadt Odaka, das wegen der hohen Strahlung als „unbewohnbar“ | |
| eingestuft ist. Der 57-Jährigen wird laut Asahi beim Politzank über den | |
| Atomausstieg ganz schlecht: „Diese Leute haben keine Ahnung, wie sehr wir | |
| leiden.“ | |
| 15 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Martin Fritz | |
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