# taz.de -- Neuwahlen in Japan: Absturz aus Prinzip | |
> Weil er es der Opposition versprach, löst Japans Premier das Parlament | |
> auf. Bei Neuwahlen wird seine Partei wohl nur noch Juniorpartner einer | |
> Koalition. | |
Bild: Verbeugung zum Abschied: Japans Premierminister Yoshiko Noda. | |
TOKIO taz | In Japan hat Premierminister Yoshihiko Noda das Unterhaus | |
vorzeitig aufgelöst und damit ein Versprechen an die Opposition erfüllt. | |
Viele Abgeordnete seiner Demokratischen Partei (DPJ) reagierten auf die | |
Entscheidung mit Entsetzen und Unverständnis, da man in Meinungsumfragen | |
weit hinter der oppositionellen Liberaldemokratischen Partei (LDP) | |
zurückliegt. | |
Bis zum Wahltag am 16. Dezember dürfte die DPJ nur wenig Boden gutmachen | |
können und ihre Mehrheit im Unterhaus verlieren. Ihr vor drei Jahren | |
begonnenes Reformprojekt, Politik „für Bürger“ statt „für Unternehmen�… | |
machen, wäre gescheitert. Die frühe Neuwahl wird daher als Kamikaze-Aktion | |
bewertet. Knapp ein Dutzend Parlamentarier erklärte schon den Austritt aus | |
der DPJ. | |
Doch Regierungschef Noda ist ein Mann mit festen Prinzipien, dem die | |
Zukunft des Landes näher am Herzen liegt als die eigene Karriere und | |
Partei. Seit dem Frühjahr hatte Noda sein Amt von der Verdoppelung der | |
Mehrwertsteuer von fünf auf zehn Prozent abhängig gemacht. Durch die | |
Mehreinnahmen kann Japan sein gefährlich hohes Verschuldungstempo | |
abbremsen. | |
Seine Vorgänger hatten sich vor der Erhöhung gedrückt oder waren über das | |
Vorhaben gestürzt. Doch Noda holte die Opposition mit dem Angebot | |
vorzeitiger Neuwahlen in sein Boot. Das von der LDP kontrollierte Oberhaus | |
ließ die Steuererhöhung im Sommer passieren. | |
Seitdem wartete Noda auf bessere Umfragewerte. Vielen Wählern ist der | |
riesige Steuersprung, der 2014 und 2015 in zwei Schritten kommt, nämlich | |
übel aufgestoßen. Außerdem spekulierte Noda darauf, dass der neue LDP-Chef | |
Shinzo Abe sich verstolpern würde. Als Premierminister von 2006 bis 2007 | |
hatte der Neo-Konservative wenig politisches Fingerspitzengefühl gezeigt | |
und eine Oberhauswahl verloren. Aber der inzwischen 58-jährige scheint | |
dazugelernt zu haben. Seine LDP blockierte ein Gesetz zur Ausgabe neuer | |
Staatsschulden. Japans Staatskassen wären Ende November leer gewesen. | |
## Eine dritte Kraft verhindert | |
Mit der schnellen Neuwahl kann Noda zumindest verhindern, dass sich neben | |
DPJ und LDP eine schlagkräftige dritte politische Kraft in Japan formiert. | |
Die „Restaurationspartei für Japan“ des populären Bürgermeisters von Osa… | |
Toru Hashimoto, verhandelt derzeit mit der „Sonnenaufgangspartei“ des | |
nationalistischen Ex-Gouverneurs von Tokio, Shintaro Ishihara, über eine | |
Fusion zu einer neuen Reformpartei. Nun bleibt den Parteiführern kaum noch | |
Zeit, ein tragfähiges Bündnis zu schmieden, da sie sich bisher bei | |
wichtigen Fragen wie der Steuererhöhung und der Zukunft der Atomkraft nicht | |
einig sind. | |
Den Meinungsumfragen zufolge dürfte die LDP stärkste Kraft werden, aber | |
vermutlich auf einen Koalitionspartner angewiesen sein. Dann käme Noda | |
wieder zurück ins Spiel. Dessen ungeachtet tritt Abe schon wie der künftige | |
Premierminister auf und verlangte einen Gewaltakt in der Geldpolitik. Mit | |
einem Inflationsziel von zwei bis drei Prozent, negativen Zinsen und | |
höheren Staatsausgaben möchte Abe der Deflation, die seit einem Jahrzehnt | |
Preise und Löhne in Japan sinken lässt, den Garaus machen. | |
16 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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