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# taz.de -- Tokio beugt sich Wirtschaftslobby: Ausstieg aus dem Atomausstieg
> Der vor wenigen Tagen verkündete Atomaustieg bis 2040 ist vom Tisch.
> Japans neue „Energie- und Umweltstrategie“ ist auf Druck der Industrie
> zustande gekommen.
Bild: Vergeblich demonstriert. Der Atomausstieg ist vorerst verschoben.
TOKIO taz | Der Druck der Wirtschaftslobby zeigt Wirkung: Japans Regierung
hat den gerade erst verkündeten Ausstieg aus der Atomkraft wieder auf Eis
gelegt. Die am Freitag vorgelegte „Innovative Energie- und
Umweltstrategie“, die den Atomausstieg bis 2040 fordert, wurde vom Kabinett
am Dienstag nicht verabschiedet.
Die Strategie sei nur ein Referenzpunkt für einen langfristigen
Energieplan, erklärte Wirtschaftsminister Motohisa Furukawa. Es sei zu früh
für eine Einschätzung, ob Japan den Atomausstieg bis 2040 schaffen könne.
Nun sollen vom Industrieministerium ernannte Experten entscheiden.
Großer Widerstand der Unternehmen hat die Kehrtwende erzwungen. „Die
Wirtschaft kann diese Strategie absolut nicht akzeptieren“, hatte Hiromasa
Yonekura, Chef der Firmenlobby Keidanren, den Ausstiegsplan kommentiert.
Der Energieplan müsse komplett neu geschrieben werden.
Die Automobilhersteller warnten vor der Abwanderung von Jobs ins Ausland.
„Eine bezahlbare und stabile Stromversorgung ist notwendig, um eine
Aushöhlung der Industrie zu verhindern“, verlangte ihr Verband. Wie zur
Bestätigung forderte der Stromriese Tepco am Mittwochmittag 500
Firmenkunden zum Sparen auf. Wegen Wartungsarbeiten an Kraftwerken reiche
der Strom nicht aus.
Auch die USA fühlten sich überrumpelt. Bisher ist Japan ein wichtiger
US-Partner für Atomtechnologie. Der größte US-AKW-Hersteller Westinghouse
ist eine Tochterfirma von Toshiba. „Wenn Japan die Atomkraft aufgibt und
China der weltgrößte Hersteller wird, dann kann Japan nicht mehr
glaubwürdig für die Nichtverbreitung von Spaltmaterial eintreten“, warnte
John Hamre, Präsident des Zentrums für Strategische Studien. Auch
Frankreich und Großbritannien reagierten besorgt. Ihre Botschafter
verlangten die Rücknahme hochradioaktiver Abfälle von Tokio.
## Mehrheit aus der Atomlobby
Unterdessen setzte Premierminister Yoshihiko Noda die neue Atomaufsicht
ein. Als Lehre aus dem Fukushima-Desaster ist sie nicht mehr dem
Industrieministerium untergeordnet. Jedoch stammen drei der fünf
Führungskräfte, darunter der Vorsitzende Shunichi Tanaka, aus dem Umfeld
der Atomwirtschaft.
Nach Ansicht von Greenpeace verstößt dies gegen ein Gesetz von Juni, wonach
die obersten Aufseher zuvor nicht für die Atomlobby gearbeitet haben
dürfen. Der 67-jährige Tanaka ist Ex-Vize-Chef der Atomenergiekommission.
Die neue Behörde entscheidet über den Neustart der 48 abgeschalteten AKWs.
Zuvor hatte Industrieminister Yukio Edano den Weiterbau von zwei Reaktoren
mit je knapp 1.400 Megawatt Leistung genehmigt. Der dritte Block im
AKW-Komplex Shimane ist so gut wie fertig, vom Reaktor in Oma steht mehr
als ein Drittel.
Seit Fukushima ruhten die Arbeiten. Bei einer Betriebsdauer von 40 Jahren
würden diese Meiler noch Mitte der 2050er Jahre Strom produzieren. Die
Begrenzung der Laufzeit scheint die Regierung aber ernstzunehmen. Drei
Reaktoren in Fukui sollen stillgelegt werden, da sie über 40 Jahre laufen.
Die letzte Entscheidung ist aber der neuen Atomaufsicht vorbehalten.
19 Sep 2012
## AUTOREN
Martin Fritz
## TAGS
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Schwerpunkt Atomkraft
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