# taz.de -- Parlamentswahl Japan: Die Rückkehr der Hardliner | |
> Bei der Wahl am Sonntag haben rechte und nationalistische Parteien gute | |
> Chancen auf einen Sieg. Die Wähler sind enttäuscht von ihrer Regierung. | |
Bild: Der japanische Premierminister Yoshikoko Noda bei einer Wahlveranstaltung… | |
TOKIO taz | So unverblümt wie immer bringt Shintaro Ishihara seine | |
Botschaft auf den Punkt: „Japan ist wie die ’Titanic‘ – da spielte das | |
Orchester ebenfalls während des Untergangs“, ruft der stramme Nationalist | |
vom Dach seines Wahlkampfbusses am Bahnhof von Yokohama Hunderten Zuhörern | |
zu. | |
Dann verlangt er ein „starkes Japan, das nicht untergeht“ und die | |
Abschaffung des „Feudalismus“ von Elitebeamten. Seit einem halben | |
Jahrhundert predigt der inzwischen 80-Jährige solche Sprüche. Doch bei der | |
Parlamentswahl am kommenden Sonntag wittert der alte Fuchs eine historische | |
Chance, seine alte Agenda doch noch durchzusetzen. | |
Im September hatte der frühere Schriftsteller durch eigenes Vorpreschen | |
Premierminister Yoshihiko Noda zum Kauf von drei Inseln gezwungen, die auch | |
China beansprucht. Das löste die bisher schlimmsten antijapanischen Unruhen | |
im Reich der Mitte aus. | |
Ishihara, der einst mit Blut einen Pakt gegen die Aufnahme diplomatischer | |
Beziehungen mit Peking unterzeichnete, genügt das nicht. Er könne nicht | |
sterben, bevor „sein Japan, das von China zum Narren gehalten und von den | |
USA als Mätresse benutzt wird, wieder zu einer stärkeren, schöneren Nation“ | |
werde, erklärte er. Deshalb gab Ishihara im Oktober sein Amt als Gouverneur | |
von Tokio nach 13 Jahren auf und kehrte auf die nationale Bühne zurück. | |
Dort könnte er zusammen mit dem charismatischen Bürgermeister von Osaka, | |
Toru Hashimoto, zum Zünglein an der Waage werden. | |
Wenn die Umfragen stimmen, werden Japans Wähler nämlich am Sonntag nach | |
rechts schwenken. Die frühere liberaldemokratische Dauerregierungspartei, | |
die LDP, erlebt nach nur drei Jahren in der Opposition ein Comeback, weil | |
sich die Wähler von den Reformern der Demokraten (DPJ) bitter enttäuscht | |
fühlen. | |
„Die DPJ hat kaum etwas von ihren Versprechungen verwirklicht“, räumt der | |
linke Publizist Minoru Morita ein. Der Ausbau des Wohlfahrtsstaats | |
scheiterte am Geldmangel, für die Beschneidung der Bürokratenmacht fehlte | |
die Erfahrung, in drei Jahren wechselte die heterogene Partei ihren Premier | |
dreimal aus. Bei Tsunami-Katastrophe und Atomunfall erwies sich die | |
DPJ-Regierung überfordert. So kehren viele Wechselwähler reumütig in den | |
Schoß der LDP zurück, die Japan zwischen 1955 und 2009 fast ununterbrochen | |
regierte. | |
Der Frust der Bürger verschafft LDP-Chef Shinzo Abe eine zweite Gelegenheit | |
für seine nationalistische Agenda. Der Spross einer Politikerdynastie war | |
bereits 2006 ein Jahr lang Premierminister. Patrick Köllner, Direktor des | |
Hamburger Instituts für Asienstudien, beschreibt Abe als „konservativen | |
Hardliner“. Das rechte Lager treffe bei substanziellen Teilen der | |
Bevölkerung auf Zustimmung. | |
## „Normalisierung“ gab es auch in Deutschland nicht | |
Abe will die von den USA während der Besatzungszeit oktroyierte Verfassung | |
reformieren, die Japan zum Pazifismus verpflichtet. Die | |
„Selbstverteidigungsstreitkräfte“ sollen künftig „Armee“ heißen und … | |
UN-Einsätzen zurückschießen dürfen. Eine solche „Normalisierung“ hat es | |
auch nach der Wiedervereinigung in Deutschland gegeben. | |
Doch Abe verbindet dieses Projekt mit nationalistischen Untertönen. So | |
leugnet er japanische Kriegsverbrechen wie die Versklavung von Tausenden | |
Frauen zur Prostitution. Und er will Japan aufrüsten, um Chinas | |
Vormachtstreben zu begrenzen. Demonstrativ warf Abe im November Peking den | |
Fehdehandschuh hin, indem er sich mit dem Dalai Lama traf. | |
Den letzten Umfragen zufolge könnte die LDP zusammen mit ihrem | |
Koalitionspartner Neue Komeito die absolute Mehrheit gewinnen. Schließt Abe | |
zudem einen Pakt mit Ishihara, reicht es gar für eine Zweidrittelmehrheit, | |
mit der er das von der Opposition kontrollierte Oberhaus überstimmen und | |
die Verfassung ändern könnte. | |
Der Altpolitiker Ishihara hat die Führung der Japan-Restaurationspartei von | |
Osakas Bürgermeister Hashimoto übernommen, der ebenfalls von der | |
Desillusionierung der Japaner profitieren will. „Politiker tun nichts für | |
das Volk und sagen nie die Wahrheit“, ruft Hashimoto neben dem doppelt so | |
alten Ishihara vom Wahlkampfbus herunter. | |
Um zur „dritten Kraft“ zu werden, haben die seltsamen Bettgenossen ihre | |
Differenzen übertüncht. Hashimoto setzt sich für den Atomausstieg ein, | |
während Ishihara Japan zur Atommacht machen will. | |
Trotzdem sagten die Auguren dem Protestgespann zuletzt 35 bis 50 Sitze | |
voraus. Das wäre genügend Masse für jene Zweidrittelmehrheit im Parlament, | |
die Japan noch weiter nach rechts drängen würde, als es Abe ohnehin schon | |
vorhat. | |
16 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
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