# taz.de -- Kommentar Siedlungspolitik: Israelis denken anders | |
> Die meisten Israelis wissen nicht, wie der Siedlungsbau die Palästinenser | |
> beeinträchtigt. Das Mantra der ungeteilten jüdischen Hauptstadt ist | |
> Desinformation. | |
Bild: Don't touch: Jüdische Siedlung Maale Adumim im Westjordanland. | |
Was Benjamin Netanjahu wohl meint, wenn er sagt, er fühle sich dem Frieden | |
verpflichtet? Wen will er davon überzeugen, dass er bei der Entscheidung | |
über den Neubau mehrerer Tausend Wohnungen für Israelis im Westjordanland | |
ein reines Gewissen hat? Was in New York und Straßburg schwierig zu | |
verstehen ist, funktioniert zu Hause ganz gut. In Israel glaubt man gern, | |
was Botschafter Ron Prosor den UN-Staaten verkündete: „Die Siedlungen sind | |
kein Hindernis für den Frieden.“ | |
Man habe es schließlich versucht, so das Argument. Auch als Netanjahu den | |
Siedlungsbau für zehn Monate auf Eis legte, sei man mit den Palästinensern | |
keinen Schritt weitergekommen, was leider stimmt. Die Mehrheit der Israelis | |
erkennt nicht, dass mit jedem neuen Haus auf palästinensischem Land die | |
Zwei-Staaten-Lösung utopischer wird und Platz macht für den binationalen | |
Staat, den im Grunde keiner will. | |
Die Mehrheit der Israelis weiß nicht, wie unmittelbar fast jeder Neubau das | |
Leben der Palästinenser beeinträchtigt. In Bethlehem wird seit Jahren nur | |
noch vertikal gebaut, weil die Stadt umzingelt ist von Siedlungen. Givat | |
Hamatos, wo demnächst 2600 Wohnungen entstehen sollen, ist eine davon. Die | |
Mehrheit der Israelis weiß auch nicht, dass die in Beit Safafa geplante | |
Straße „nur für Siedler“ die palästinensischen Bürger der Stadt von | |
Kindergärten und Läden abschneidet, die heute noch einen Fußweg entfernt | |
sind. | |
## Unterschätzte Religion | |
Die gezielte Fehl- und Nichtinformation der israelischen Bevölkerung paart | |
sich mit der verbreiteten Haltung, dass etwas nicht stimmt, wenn Juden zwar | |
in Manhattan oder Berlin leben dürfen, aber ausgerechnet dann ins | |
Schussfeuer der internationalen Kritik geraten, wenn sie im biblischen | |
Eretz Israel bauen, dem Land, das laut Altem Testament Gott selbst einst | |
Abraham versprach. | |
„Wir werden uns von niemandem verbieten lassen, in unserer Hauptstadt zu | |
bauen“, sagt Netanjahu. Warum sollte er. Kein Regierungschef würde sich | |
hineinreden lassen, wenn es um die Planung der Stadt geht, in der die | |
Regierung ihren Sitz hat. Jerusalem hingegen gilt nur in den Köpfen der | |
Israelis als Hauptstadt. Für den Rest der Welt besteht hier unverändert | |
Klärungsbedarf. | |
Das Mantra der ungeteilten, ewig jüdischen Hauptstadt ist Teil der | |
kollektiven Gehirnwäsche. Jerusalem nicht zu teilen, wäre nicht nur | |
demografisch unklug für den Judenstaat mit demokratischen Ambitionen. Von | |
der Uni auf dem Skopusberg abgesehen und dem Justizministerium, das in | |
Ostjerusalem beherbergt ist, zieht es nur israelische Extremisten in die | |
palästinensische Hälfte. Selbst in die Altstadt trauen sich viele Israelis | |
nicht. | |
Netanjahus Politik verkauft sich gerade im Wahlkampf gut. Auf | |
innenpolitischen Widerstand braucht in New York niemand zu hoffen. Es ist | |
eine Illusion zu glauben, man könne allein mit Abmahnungen auf die Politik | |
in Jerusalem Einfluss nehmen. | |
20 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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