# taz.de -- Zweistaatenlösung offen abgelehnt: Rechtsruck in Israel | |
> Offen fordern Likud und Israel Beitenu vor den Wahlen das Ende der | |
> Zweistaatenlösung. Doch schon 2016 werden die Palästinenser die Mehrheit | |
> in Israel stellen. | |
Bild: Rechtsaußen Mosche Feiglin. | |
JERUSALEM taz | Was bis vor Kurzem niemand laut zu sagen wagte, wird | |
plötzlich gesellschaftsfähig: die Ablehnung der Zweistaatenlösung. Man | |
müsse sich nur einmal eine Landkarte ansehen, meinte Jair Schamir, Kandidat | |
der rechtslastigen Israel Beteinu, um zu verstehen, dass „ein weiterer | |
Staat zwischen Israel und Jordanien undenkbar ist“. | |
Offiziell bleibt Regierungschef Benjamin Netanjahu bei seinem | |
Verhandlungsangebot mit den Palästinensern, doch in der Partei denken viele | |
anders als ihr Chef. Diese Woche forderten Likud-Politiker unumwunden die | |
Annektierung des Westjordanlands. „Wir werden versuchen, so viel Land unter | |
unsere Kontrolle zu bringen wie möglich“, meinte der Vorsitzende der | |
Regierungsfraktion Seev Elkin. | |
Ahmad Kurei, ehemals palästinensischer Regierungschef, verurteilte die | |
Annektierungsvorschläge des Likud, die den „Extremismus und die Gefahr der | |
Regierungsposition“ enthüllten. In den vergangenen Tagen gab es im | |
Westjordanland erneut heftige Auseinandersetzungen. Mindestens 30 Menschen | |
trugen in der Nähe von Jenin Verletzungen davon, als ein israelisches | |
Sonderkommando in Zivil einen Aktivisten des Islamischen Dschihad | |
verhaftete. | |
Einer der neuen Rechtsaußenpolitiker auf der Kandidatenliste des Likud ist | |
Mosche Feiglin. Er gehört zu den wenigen, die nicht nur vom Ende der | |
Zweistaatenlösung predigen, sondern auch Ersatzmodelle parat halten. Ginge | |
es nach ihm, sollten auswanderungswillige Palästinenser belohnt werden. | |
Nicht weniger als eine halbe Million Dollar schlägt der rechtsnationale | |
Politiker für jede arabische Familie vor, die das Westjordanland freiwillig | |
verlässt. | |
## Von Gott versprochen | |
Mit dem Transfer palästinensischer Familien solle die jüdische Mehrheit in | |
dem von Gott versprochenen Eretz Israel sichergestellt sein, das Israel und | |
Palästina zusammen meint. Aktuellen Zahlen des palästinensischen | |
Statistikbüros zufolge holt die arabische Bevölkerung im Heiligen Land auf. | |
Noch hält die jüdische Bevölkerung von rund 200.000 Menschen, doch | |
spätestens bis 2016 soll ein Gleichstand erreicht sein. Das Statistikamt | |
rechnete aus, dass bei aktueller Geburtenrate bis Ende des Jahrzehnts 7,2 | |
Millionen Palästinenser auf dem Gebiet zwischen Mittelmeer und Jordan leben | |
werden gegenüber 6,9 Millionen Juden. | |
Niemanden sollten die demografischen Verschiebungen stärker alarmieren als | |
die Israelis, findet PLO-Politikerin Hannan Aschrawi. Eine Einstaatenlösung | |
sei weder für Israel noch für die Palästinenser wünschenswert. „Wenn die | |
Entwicklungen andauern, werden wir am Ende die Mehrheit stellen, aber wir | |
geben Israel eine Chance, wahrzunehmen, dass die Palästinenser einen | |
demokratischen Staat an ihrer Seite haben sollten.“ | |
Trotz der neuen radikalen Gesichter auf der Likud-Liste weht dem | |
rechtslastigen Bündnis von Likud und Israel Beteinu, die zusammen bei den | |
Wahlen antreten, kalter Wind von rechts entgegen. Naftali Bennett heißt der | |
neue Politstar, der mit seiner national-religiösen Partei Habajit Hajehudi | |
(Jüdisches Haus) unter den Siedlern große Beliebtheit genießt. Auf 18 | |
Mandate soll es Bennett laut jüngsten Umfragen schaffen. Damit zieht er mit | |
der Arbeitspartei gleich. „Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich | |
einen palästinensischen Staat in unserem Land kategorisch ablehne“, meinte | |
der 40-jährige Unternehmer. | |
3 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Susanne Knaul | |
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