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# taz.de -- Debatte Wahl in Israel: Ein gefährliches Experiment
> Die Rechte sollte nach den Knesset-Wahlen die Chance bekommen, ihre
> verrückten Ideen umzusetzen. Nur dann werden die USA aufwachen.
Bild: Naftali Bennett, Parteichef von Beit Yehudi macht Wahlkampf in einer Bar …
Die Nachrichten vor der israelischen Wahl sind sehr ermutigend. Moshe
Feiglin (Likud-Kandidat) will Arabern Geld geben, damit sie das Land
verlassen; Yuli Edelstein (Minister für Information und die Diaspora,
Likud), Zeev Elkin (Knesset-Abgeordneter, Likud) und Yariv Levin
(Knesset-Abgeordneter, Likud) versprechen die Annektion der Westbank;
Naftali Bennett (Shootingstar der israelischen Politik und Spitzenkandidat
der Partei „Habajit Hajehudi“) verspricht, sich mit den Medien und dem
Obersten Gerichtshof auseinanderzusetzen; und Yair Shamir (Platz 2 auf der
Liste der Partei von Avigdor Lieberman, Yisrael Beiteinu) verspricht, dass
es keinen neuen Staat „für Millionen von Menschen“ geben wird.
Das sind die besten Nachrichten, die wir seit langem hatten. Nun müssen wir
nur noch darauf hoffen, dass diesen Leuten und ihren Gesinnungsgenossen
endlich eine Chance gegeben wird, ihre Versprechen wahr zu machen. Die
nächste Regierung muss eine der extremen Rechten sein – ohne Schminke oder
Süßstoff, und vor allem ohne dass sich die Mitte-links-Parteien aus Gründen
der politischen Balance daran beteiligen.
## Partner im Verbrechen
Lasst den rechten Flügel und das Bennett-Feiglin-Team gewinnen. Wenn die
israelischen Wähler dies wollen, ist es das, was sie verdienen. Die
angemessene Regierung für Israel ist eine, der die selbsternannte
Menschenrechtsaktivistin Orit Struck (Platz 10 auf der „Habajit
Hajehudi“-Liste, eine der wichtigsten VertreterInnen der militanten
Siedlerbewegung) aus der Avraham-Avinu-Siedlung in Hebron angehört. Sie
wird sicherlich adäquater sein als die scheidende Regierung, mit der
Arbeitspartei als Partner bei ihren Verbrechen, einem angeblich moderaten
Verteidigungsminister Ehud Barak und all den Dan Meridors
(stellvertretender Premierminister, Likud) und Michael Eitans (Minister,
Likud) als Zierde.
Nur mit einer Regierung von Danny Danon (Likud-Abgeordneter, der sich gegen
die Zwei-Staaten-Lösung ausgesprochen hat) und Tzipi Hotovely
(Likud-Abgeordnete, die den Kampf der Palästinenser als religiösen Kampf
des Islam bezeichnete) wird die Welt und Israel das wahre Gesicht das
Landes erkennen. Nur mit einer Lieberman-Shamir-Regierung werden all die
verrückten Ideen endlich in der Praxis getestet.
Nur mit einer Regierung von Benjamin Netanjahu und Miri Regev
(Likud-Abgeordnete, die die afrikanischen Migranten in Israel als
„Krebsgeschwür“ bezeichnete) werden endlich alle aufgeweckt werden. Schluss
mit all den doppelzüngigen Regierungen; wir wollen endlich die wahre Liebe,
nach der sich die meisten Israelis sehnen.
## Schlafende Schönheit Europa
Wenn Feiglin transferiert, Elkin annektiert und Bennett sich mit Medien und
dem Obersten Gerichtshof auseinandersetzt, wird sich die Welt einmischen.
Dann – und nur dann – werden die Israelis von ihren Wahnvorstellungen
lassen und aus ihrem Winterschlaf aufwachen. Wenn der erste Bus mit
Vertriebenen den Jordan überquert, wenn die erste Annektierung legalisiert
und israelischen Arabern verboten wird, zu wählen, und 60.000 afrikanische
Migranten in die Flugzeuge gesetzt werden, werden wir ein völlig anderes
Land haben, und die Welt wird angemessen reagieren. Eine extremistische
Regierung wird auch der Schlüsselfigur in dieser Auseinandersetzung,
US-Präsident Barack Obama, den nötigen Schubs geben, und sie wird die
schlafende europäische Schönheit aufwecken.
Bevor dieser Wahnsinn realisiert wird, wird nichts davon geschehen. Wir
sprechen hier nicht von dem simplen marxistischen Ansatz „Je schlechter es
wird, desto besser“. Wir reden über die Notwendigkeit, die Wahrheit
auszusprechen und nach ihr zu handeln. Die extreme Rechte muss endlich,
endlich den wahren Willen des Landes abbilden und zeigen, wohin sie uns
führen will.
Es ist ein gefährliches Experiment, aber das andauernde wilde Gebaren bei
dem gegenwärtigen Maskenball ist unendlich gefährlicher. Es ist betäubend,
und die Zeit, die währenddessen verstreicht, verbaut jede mögliche Lösung.
Wir werden sehen, was am Tag nach dem Transfer und der Nacht nach der
Annektierung geschehen wird. Wir werden sehen, ob wir wirklich in einem
Land ohne Journalismus leben wollen, ohne Menschenrechtsgruppen und ohne
den Obersten Gerichtshof, ohne Araber, ohne den Chef der Palästinensischen
Autonomiebehörde, Mahmud Abbas, ohne Migranten und mit Apartheid als
erklärter Politik.
Wir werden sehen, wie man in einem Land lebt, dem aus dem Weg gegangen und
das boykottiert wird, ohne Unterstützung der Vereinigten Staaten und aus
Europa. Nicht mal die Färöer-Inseln werden uns helfen. Wir werden sehen, ob
wir einen solchen Staat am Leben erhalten können.
## Regierung ohne Weißwäscher
Nach all den Jahren, in denen Israel stolz darauf war, die einzige
Demokratie im Nahen Osten zu sein – und als solche unendlichen Kredit und
endlose Geduld vom Rest der Welt geschenkt bekam und dieser Stolz seinen
Bürgern eine scheinheilige Selbstzufriedenheit verschaffte –, wird eine
extrem rechte Regierung mit alldem Schluss machen.
Es sollte keine Kollaborateure geben. In diese Regierung sollten keine
Weißwäscher kriechen, keine mäßigenden Elemente, niemand, der das Pack
koscher machen will. Nur ohne die Arbeitspartei, ohne Hatnuah (die neue
Mitte-links-Partei der früheren Außenministerin Tzipi Livni) und ohne Yesh
Atid („Es gibt eine Zukunft“, die Partei des früheren Fernsehmoderators
Yair Lapid) in der Regierung wird es eine Zukunft geben.
Das Pendel, das in den letzten Jahren die israelische Gesellschaft in die
Untiefen der Rechten geführt hat, wird nur gestoppt werden, wenn der
Rechten die Chance gegeben wird, ihre Drohungen wahr zu machen. Sobald sie
dies tut, wird es eine fassungslose, aber beständige Bewegung in die andere
Richtung geben. Bis dahin hält eine Orit-Struck-Regierung das größte
Versprechen von allen für uns bereit.
Übersetzung aus dem Englischen: Martin Reeh
Erläuterungen in Klammern zu den Personen: taz
15 Jan 2013
## AUTOREN
Gideon Levy
## TAGS
Israel
Naftali Bennett
Zweistaatenlösung
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