# taz.de -- DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig: „Ich bin froh, dass es die … | |
> Der neue DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig fordert Vereine, Fans und | |
> Polizei auf, ihre Machtspielchen zu beenden. Er fühlt sich im Stadion | |
> sicher. | |
Bild: Gegenseitige Vorwürfe: Viele Fans lehnen das Sicherheitskonzept ab | |
taz: Herr Rettig, manche Politiker stellen Ihre Amtszeit unter ein | |
Leitmotiv. Haben Sie auch eines? | |
Andreas Rettig: Nur gemeinsam geht’s. Das gilt sowohl für das Miteinander | |
von DFL und DFB als auch für unser Verhältnis zu den Fans. | |
Zuletzt war die Debatte um die Sicherheit in den Stadien allerdings | |
reichlich verfahren. | |
Das Problem ist, dass jeder seinen Ausschnitt wahrnimmt und meist auch | |
legitime Interessen hat. Die große Kunst wird es sein, dass alle aus der | |
Vogelperspektive auf die Probleme draufschauen. | |
Zumal viele Fans bestreiten, dass es überhaupt ein Sicherheitsproblem gibt. | |
Der Internet-Aufruf „ich fühl’ mich sicher“ wurde zigtausendfach | |
unterschrieben. | |
Den hätte ich auch unterschrieben! Was uns wirklich Kummer bereitet, | |
betrifft ja auch nur einen kleinen Teil der Zuschauer. Das gilt auch für | |
die umstrittensten Maßnahmen wie die Kontrollen in separaten Zelten: Selbst | |
beim Spiel Bayern München gegen Frankfurt, bei dem die Kontrollen so hohe | |
Wellen geschlagen haben, wurden maximal 30 Leute untersucht. Und keiner von | |
denen musste sich auf die Unterhose ausziehen. Ich sage aber auch: Von | |
allen Seiten wurde nicht so kommuniziert, wie das im Sinne einer | |
Deeskalation hilfreich ist. | |
Und danach haben Vereine, Fans und Polizei ihre Sicht der Dinge ventiliert. | |
Schuld waren die jeweils anderen. | |
Das ist die selektive Wahrnehmung, die wir aufbrechen müssen. Die | |
Fan-Vertreter haben damals nur über die Zeltkontrollen geklagt. Der | |
Veranstalter hat vor allem hervorgehoben, dass er dank der verschärften | |
Sicherheitsmaßnahmen Messer, Schlagringe und andere Waffen entdeckt habe – | |
und dabei verschwiegen, dass die Waffen nicht in den Zelten gefunden | |
wurden. Das eigentliche Thema, dass nämlich bei einem Fußballspiel mehr als | |
ein Dutzend Messer gefunden wurden, ging dabei völlig unter. | |
Ein Glück, mag mancher sagen, Otto Normalverbraucher glaubt ja schon ohne | |
konkreten Anlass, dass Stadien lebensgefährliche Orte sind. | |
Stimmt, die öffentliche Wahrnehmung hat zurzeit wenig mit der Realität zu | |
tun. | |
Wie erklären Sie sich das? | |
Nehmen Sie den Platzsturm in Düsseldorf. Da gingen Bilder um die Welt, die | |
als Symbol für Gewalt gewertet wurden. Dabei gab es gar keine Gewalttaten. | |
Das war ein Ausdruck von Freude, auch wenn Platzstürme und der Gebrauch von | |
Pyrotechnik natürlich grundsätzlich zu verurteilen sind. Ich habe | |
allerdings auch den Eindruck, dass zuletzt viele über Sicherheit geredet | |
haben, die mit dem Schirm in die VIP-Loge eskortiert werden. | |
Wieder so eine selektive Wahrnehmung. | |
Unbedingt. Heute herrscht Druck in den Familien. Die Lehrer resignieren | |
zunehmend. Weder Polizei noch Schiedsrichter werden als Autorität | |
wahrgenommen, die Kirchen schon gar nicht. Zudem gibt es eine große | |
Politikverdrossenheit. Ich glaube, die Bedeutung der Ultras rührt auch | |
daher, dass sie eine Anlaufstelle sind – in Zeiten, in denen vieles | |
erodiert. In dieser Gruppe hält man zusammen und geht durch dick und dünn. | |
Also verrät man seine Kumpels auch nicht. | |
Klingt nach Ganovenehre. | |
So meine ich das aber nicht. Ich bin sogar froh, dass es die Ultras gibt – | |
solange sie sich an den gesetzlichen Rahmen halten. Was mich allerdings | |
stört: Ich kann nicht aus meinem Engagement ableiten, dass ich mich | |
überhöhen darf, und anderen absprechen, echte Fans zu sein. | |
Ein echtes Problem hatte die DFL mit dem Konzept „Sicheres | |
Stadionerlebnis“, das die Fankurven bundesweit ablehnten. Dabei steht darin | |
nichts Bahnbrechendes. Ziemlich viel Ärger für ein Papier, das offenbar vor | |
allem die Politik besänftigen sollte. | |
Ich kann nicht bestreiten, dass es auch politischen Druck gab, aber wir | |
haben den an den entsprechenden Stellen durchaus zurückgewiesen. Politiker | |
sollten sich auf ihre Kernkompetenz konzentrieren und den Fußball den | |
Fachleuten überlassen. | |
Die Schärfe kam also nicht zuletzt durch mediale Überzeichnungen und den | |
Druck der Politik zustande? | |
Stimmt. | |
Warum dann also das Papier? | |
Weil es viel Positives beinhaltet, denken Sie an die Qualifizierung der | |
Ordnungsdienste. Die richtig neuen Dinge sind ja die positiven, alles | |
andere war schon vorher möglich. Ich glaube, das Papier hatte bei den | |
Protesten eher eine Stellvertreterfunktion. Ich habe aber den Eindruck, | |
dass sich in der Winterpause alle Beteiligten ein wenig beruhigt haben und | |
dass wir uns jetzt besonnener unterhalten können. Alle Seiten sollten jetzt | |
die Machtspielchen beenden. | |
6 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Christoph Ruf | |
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