# taz.de -- Dekontamination in Fukushima: Strahlungsmüll in Wasser und Wald | |
> Die Umgebung von Fukushima wird mit viel Geld und wenig Effektivität | |
> gesäubert. Strahlender Müll wird einfach irgendwo abgeladen. | |
Bild: Die japanischen Bürger haben keine Lust mehr auf Atomkraft – ihre Regi… | |
TOKIO taz | Bei der Dekontamination der ehemaligen Sperrzone um die | |
zerstörten Atommeiler von Fukushima geht es nicht mit rechten Dingen zu. | |
Wie die Zeitung Asahi aufdeckte, missachten einige Reinigungsfirmen | |
regelmäßig die Auflagen des Umweltministeriums. Kameras dokumentierten, wie | |
eingesammeltes Material in Flüssen und abgelegenen Waldstücken landete. | |
Bei der Reinigung von jeweils zwanzig Meter breiten Streifen entlang den | |
Straßen werden verstrahltes Gras, Laub und Unterholz teilweise einfach | |
außerhalb dieser Zonen deponiert. „Das ist verantwortungslos“, meinte | |
Tomoya Yamauchi, Strahlungsexperte der Universität Kobe und ein früher | |
Kritiker des Projekts. | |
Dächer und Wände von Gebäuden dürfen eigentlich nur mit der Hand | |
dekontaminiert werden, damit sich die Strahlung nicht weiter verbreitet. | |
Stattdessen kommen Hochdruckreiniger zum Einsatz. Das ablaufende Wasser mit | |
den radioaktiven Teilchen, das eigentlich aufgefangen werden muss, läuft in | |
die Kanalisation. | |
Erneut zeigen sich Japans Behörden beim Umgang mit Radioaktivität | |
überfordert. „Wir müssen herausfinden, warum das passiert“, gab sich ein | |
Umweltbeamter kleinlaut. Unter der Hand rechtfertigen die Baufirmen ihre | |
Methoden mit Zeitdruck. „Anders können wir niemals die Frist bis Ende März | |
einhalten“, erklärte ein Firmensprecher. Für die vorschriftsgemäße | |
Reinigung eines Wohnhauses bräuchten fünf Arbeiter drei Tage, mit einem | |
Hochdruckreiniger nur zwei Stunden. | |
Für die erwarteten 29 Millionen Kubikmeter Abfall – 33 Sportstadien voll – | |
gibt es kein Zwischenlager, sodass überall große Haufen von schwarzen | |
Plastiksäcken herumliegen. Viele Arbeiter fühlen sich angesichts ihrer | |
Sisyphosarbeit frustriert. Regen und Wind könnten die gereinigten Zonen | |
jederzeit neu kontaminieren. Daher gebe es ein moralisches Vakuum bei der | |
Beachtung der Vorschriften. | |
## Primitive und ineffektive Methoden | |
Die ganze Dekontaminierung scheint sich zum Selbstzweck entwickelt zu | |
haben. Für umgerechnet sechs Milliarden Euro werden Gebäude, Plätze und | |
Straßen in vier von elf der am meisten verstrahlten Orte gereinigt. Die | |
Radioaktivität soll dort langfristig auf unter zwei Millisievert pro Jahr | |
sinken. | |
Doch die angewandten Methoden sind primitiv und ineffektiv. Zwar wurden | |
einige neu entwickelte Verfahren der Dekontaminierung offiziell für | |
tauglich befunden. Aber den Zuschlag erhielten am Ende Baukonzerne wie | |
Kajima, der ironischerweise auch die Reaktorgebäude von Fukushima errichtet | |
hatte. Die Konzerne haben mehr Mitarbeiter und Ressourcen und erfordern | |
weniger offizielle Betreuung. | |
„Das Ganze ist eine Schande“, klagt man bei einer kleinen Firma, die eine | |
Cäsium-Reinigung ohne Wasser erfunden hat. Auch ausländische Fachfirmen | |
durften den Behörden erprobte Entstrahlungsverfahren vorführen, kamen | |
jedoch ebenfalls nicht zum Zug. | |
## Täuschungsmanöver der Regierung | |
Mit ihrer Aktion will die japanische Regierung die Öffentlichkeit davon | |
überzeugen, dass die Folgen des Atomunfalls beherrschbar sind und ihr das | |
Schicksal der vertriebenen AKW-Anwohner am Herzen liegt. Inzwischen sieht | |
es aber so aus, als behielten Kritiker wie Greenpeace recht, die von einem | |
Täuschungsmanöver ausgehen. | |
Dafür sprechen Aussagen von Arbeitern, wonach gezielt die Zonen in 20 Meter | |
Umkreis der Messstationen gereinigt werden. Dadurch erhält die Regierung | |
die notwendigen Erfolgsdaten. Das offizielle Ziel, dass die Evakuierten | |
neues Vertrauen gewinnen und in ihre gesäuberten Wohnorte zurückkehren, | |
scheint unter diesen Umständen derzeit kaum erreichbar. | |
9 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Martin Fritz | |
Martin Fritz | |
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