# taz.de -- Homo-Ehe: So was soll Kinder adoptieren dürfen? | |
> Niemand hat mehr etwas gegen die Homo-Ehe? Die CDU nicht und das | |
> links-alternative Milieu schon gar nicht? Das soll wohl ein Witz sein. | |
Bild: Der völligen Gleichstellung steht nur noch das Bauchgefühl im Weg. | |
Liebe heterosexuelle LeidensgenossInnen, | |
nun geben Sie es schon zu. Sie haben es doch auch, dieses komische zwar, | |
aber eindeutige Bauchgefühl. Schwulenehe. Schwulenadoption. Da schrillen | |
bei Ihnen doch auch die inneren Alarmsirenen, da schüttelt es sie doch | |
schon bei der Vorstellung, zwei schwule Männer würden einem kleinen Mädchen | |
– oder schlimmer: Jungen! – den Schafanzug anziehen, ihn schnell ins Bett | |
bringen, nur um anschließend in so einer schwulen Sexhölle – bei Heten | |
„Schlafzimmer“ genannt – Analverkehr zu haben. | |
Tunten, Ledernacken, Fummeltrienen: Jeder Vierte bekommt irgendwann Aids, | |
monströse Dildos, Litertuben Cremes, kiloschwere Cockringe und ständig beim | |
Urologen wegen der Gratis-Prostatamassage. Um Himmels willen, so was soll | |
Kinder adoptieren dürfen? Ja, genau, schwule Eltern, das sind doch die, die | |
ihre Kinder statt zum Karneval mit zum Christopher Street Day nehmen. | |
Sie sind gerade gefühlsmäßig richtig eingestiegen? Abscheu, Ekel und | |
Widerwillen angesichts von Gleichstellung und Adoptionsrecht? Willkommen im | |
Club. Aber nun denken Sie bitte kurz an diese netten Schwulen. Jeder kennt | |
doch welche. Nachbarschaft, Verwandtschaft, „Bauer sucht Frau.“ | |
Mensch, was war das für eine herzzerreißende Liebesgeschichte, als sich der | |
schwule Landwirt Philipp in seinen Veit verliebte. Und fast so lustig wie | |
Hape Kerkeling neulich in der ausverkauften Stadthalle. Na bitte. Geht | |
doch. Und wie nett und spießig die alle sind. Und wie süß diese jungen | |
Quotenschwulen, diese Küblböcks bei Dieter Bohlen. Ganz harmlos! Jetzt | |
ehrlich, dem devoten Schwulen von nebenan würde man doch sogar mal für ein | |
halbes Stündchen seine Kinder anvertrauen, oder? Na ja, zumindest kleine | |
Mädchen. Jungen dann lieber doch nicht. | |
## No way! | |
Und da hat man gleich wieder Bilder im Kopf, da fängt dann wieder dieses | |
Magengefühl an. Da sieht man sich plötzlich selbst als potenzieller | |
Grünen-Wähler in der Umarmung mit der CSU. Diese kernigen Bayern, das sind | |
doch die Letzten, die noch auf ihr gesundes Bauchgefühl hören. Da nützt es | |
dann auch einem Andreas Derleth aus Haßfurt in Bayern wenig, dass er Mister | |
Gay World 2012 geworden ist. Deswegen ein Empfang auf dem Münchner | |
Rathausbalkon? No way! | |
Nun kann so ein Bauchgefühl am Beginn einer inneren Auseinandersetzung | |
stehen,eines inneren Faktenchecks. Aber da können wir noch so wühlen und | |
wüten, es will sich einfach kein vernünftiges Argument finden, keine | |
Dialektik, die neben diesem Bauchgefühl gegen die Gleichstellung von | |
Homosexuellen und gegen ein Adoptionsrecht für Homosexuelle ins Feld | |
geführt werden könnte. Ein letzter Ausweg vielleicht: die Flucht nach vorne | |
ins Monotheistische. | |
Da wird es ganz einfach. Homosexualität ist dort widernatürlich. Und der | |
Katechismus der katholischen Kirche eindeutig: Homosexuelle Handlungen | |
verstoßen gegen das natürliche Gesetz, denn die Weitergabe des Lebens | |
bleibt beim homosexuellen Geschlechtsakt ausgeschlossen. Homosexualität ist | |
in keinem Fall zu billigen. | |
Aber immerhin, Homosexuelle sind in der Kirche ebenso willkommen wie | |
Drogensüchtige und Kriminelle. Den Reumütigen wird vergeben. Notfalls eben | |
in jeder Beichte neu. Und ist Ihnen auch schon aufgefallen, dass beinahe | |
jeder Homo-Ehe- und Homo-Adoptionsgegner in Talkshows ein Kirchenmann ist? | |
Wurde da schon mal ein gleichdenkender Atheist eingeladen? | |
Aber was macht nun eigentlich das Bauchgefühl aus? Homosexualität ist doch | |
längst eine akzeptierte Sexualität. Wir haben sogar einen homosexuellen | |
Außenminister. Das weiß man. Aber was ist an dem Mann erkennbar | |
homosexuell? Haben Sie den schon mal öffentlich seinen Freund küssen sehen, | |
so wie Obama seine Michelle? | |
## Schwule Normalität | |
Nein, denn was wirklich auf den Magen schlägt – und der Außenminister will | |
seinen heterosexuellen Landsleuten nicht mehr auf den Magen schlagen als | |
sowieso schon – ist nicht Homosexualität, sondern homosexuelle Lebensart. | |
Daran stößt man sich. An der Werbung in eigener Sache. An einer schwulen | |
Normalität. Am Konkurrenzmodell. Am neuen Wettbewerb, wo man immer das | |
unangefochtene Alleinstellungsmerkmal besaß. | |
Das ist doch das Neue, das sich im Magen so gern zu einer subtilen | |
Bedrohung zusammenbrauen will: Homo-Ehe und Homo-Adoption werden als | |
Propaganda für homosexuelle Lebensart empfunden. Und eben nicht als | |
Ausdruck einer selbst gewählten sexuellen Ausrichtung, die doch längst in | |
der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Nur eben ohne dort wirklich | |
sichtbar zu werden. Es geht also nicht um Homophobie, sondern um Angst vor | |
Verdrängung. Um Verlustängste. | |
Oder wie es Birgit Kelle, vierfache Mutter und Verfechterin einer neuen | |
Frauenrolle bei „Hart aber fair“ formuliert hat, als es um das Für und | |
Wider schwuler Weihnachtsmärkte ging: Bei Christopher-Street-Day-Paraden | |
„frage ich mich auch immer, ob es für die Schwulen- und Lesbenbewegung | |
hilfreich ist, dass man sich immer separiert, dass man sich ganz anders | |
gibt. […] Als Heterosexuelle begeben wir uns mit solchem Verhalten ins | |
Abseits. Da läuft man eher Gefahr, dass man verhaftet wird, wegen Störung | |
der öffentlichen Ordnung.“ | |
Zunächst sei mal festgehalten, dass Kelle bereits den Begriff „anders“ | |
verwendet, wo man vor wenigen Jahren noch ungeniert „unnormal“ sagte. Denn | |
meint Birgit Kelle nicht letztlich, wenn sie eine Separation von Schwulen | |
im Anderssein moniert, eine für fie unangemessene Propagierung schwuler | |
Lebensart? Empfindet die konservative Aktivistin hier aus dem Bauch heraus | |
einen Angriff auf das Alleinstellungsmerkmal des heterosexuellen | |
gesellschaftlichen Lebens? | |
Wenn Birgit Kelle ein Bauchgefühl hat, dann teilt sie das mit Millionen | |
anderen. Der Bauch, Heimat der inneren Stimme, des siebten Sinnes, der | |
Intuition. Da, wo auch die Zweifel zu Hause sind, wo gleichzeitig | |
Schmetterlinge fliegen und Geschwüre wachsen, wo Gut und Böse als Schmerz | |
versus Wohlgefühl identifiziert werden. | |
Der völligen Gleichstellung von Homo-Ehen und Homo-Adoption steht also nur | |
noch ein Bauchgefühl im Wege. Aber eines, das man nicht unterschätzen | |
sollte. Denn es entzieht sich logischen Argumentationen. Es argumentiert | |
eigentlich überhaupt nicht. | |
1 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Alexander Wallasch | |
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