# taz.de -- Homo-Ehe: Moderne Zeiten für die Union | |
> Die CDU will Homosexuellen mehr Rechte geben. So einfach wie der | |
> Atomausstieg wird das aber nicht. Schließlich geht es um die Familie. | |
Bild: Heikle Sache: die gleichgeschlechtliche Ehe. | |
BERLIN taz | Vielleicht haben sich das die Kanzleramtsmitflüsterer dann | |
doch zu einfach vorgestellt: dass man, natürlich mit stiller Billigung der | |
Kanzlerin, aus der Union heraus dem dauerjuristischen Debakel um die Ehe | |
für Homosexuelle dadurch entkommt, dass die schwarz-gelbe Regierung selbst | |
Initiative ergreift. Mit der Union an der Spitze. | |
Debakel? Verfassungsrecht? Ja klar. Absehbar ist doch, dass Klagen auf | |
Gleichstellung der Homoehen mit der klassischen Heteroehe günstig | |
beschieden werden – darauf haben sowohl der ehemalige konservative | |
Verfassungsrichter Hans-Jürgen Papier als auch der jetzige Vorsitzende des | |
Karlsruher Verfassungsgerichts Andreas Voßkuhle hingewiesen. | |
Papier teilte bereits Anfang der Woche durch die Bild-Zeitung mit, mit der | |
Prüfung auf Verfassungskonformität der eingetragenen Lebenspartnerschaft | |
vor inzwischen elf Jahren seien die Privilegien der Heteroehe | |
(Steuersplitting beispielsweise) rechtslogisch nicht begründbar. | |
Mit anderen Worten: Im Kanzleramt weiß man kühlerweise längst, was | |
Karlsruhe Jahr für Jahr in Urteilen öffentlich verkündet: Die eingetragene | |
Lebenspartnerschaft darf nicht der Ehe gegenüber minderprivilegiert sein. | |
Denn wie auch heterosexuelle Eheleute müssen auch die LebenspartnerInnen | |
finanzielle Pflichten übernehmen – da sei es rechtssystematisch nicht | |
begründbar, die entsprechenden Rechte zu verwehren. | |
## Kluge Opportunistin | |
So müssen sie gedacht haben – auch homosexuelle Abgeordnete in der Union, | |
die noch im Dezember auf dem CDU-Parteitag eine Niederlage erlitten mit | |
ihrem Antrag, die Homoehe der Heteroehe gleichzustellen. Und so ebenso die | |
Kanzlerin, die natürlich als Parteichefin keine veröffentlichte Meinung | |
hat. Das müsste doch so laufen wie bei dem Atomding kurz nach Fukushima. | |
Die Union, eiskalte Verfechterin von Atomenergie und entsprechenden | |
Kraftwerken, killt einfach die eigene Realpolitik, weil sie beim wählenden | |
Volk nicht mehr respektiert wird. | |
Fukushima, da war die Kanzlerin ganz kluge Opportunistin, war der | |
atmosphärische Grund, etwas zu lassen, was man eben noch wollte. Politik | |
ist eben überwiegend kein moralisches Geschäft, sondern eines der guten | |
(oder schlechten) Gelegenheiten. | |
Aber so wie beim Atom geht es bei Sexuellem und Familiärem eben nicht. In | |
der Union läuft es heiß momentan, und dass die ProtagonistInnen dieser | |
kleinen stimmungsheischenden Revolte Erika Steinbach, Katherina Reiche oder | |
Wolfgang Bosbach heißen, dass man ihnen also eine gewisse Unwichtigkeit | |
attestiert, trifft eben nicht. | |
Diese drei, die beinah rasend allein das Ansinnen auf Gleichstellung der | |
Homoehe von sich wiesen, stehen für einen Teil der Unionswählerschaft, die, | |
wie es leider die zu keiner kühlen, anschlussfähigen Analyse fähige Gertrud | |
Höhler formulierte, für Werte steht. | |
Und zwar einerlei, was sie gesellschaftlich insgesamt bedeuten: In der | |
Union heißt Ehe, dass nur Mann und Frau sie eingehen dürfen, Schwule und | |
Lesben nicht umgebracht werden, aber sichtbar und ansprüchlich dürfen sie | |
auch nicht sein. | |
## Moderne Zeiten | |
Familie, mit anderen Worten, kennen schwarze Schafe, und diese Rollen | |
dürfen Homos übernehmen – aber eben nicht jene, in der sie auf die Idee | |
kommen könnten, von Schwiegereltern, gar von (adoptierten) Kindern zu | |
erzählen oder mit ihnen zu sein – [1][eine Sicht, die nicht nur in der | |
konservativen Szene herrscht]. | |
Die Eliten der Union (die eben schwarz-grün gefärbt zur gleichen | |
Caffè-Latte-Kultur gehören wie die anderen Eliten der konkurrierenden | |
Parteien auch) und ihre verständlichen Avancen, sich von Karlsruher | |
Verfassungsrichtern nicht mehr dauernd vorführen zu lassen, wollen etwas, | |
was ein Gros der Kernwählerschaft der Union nur schwer goutiert: moderne | |
Zeiten. | |
Bislang, Wähleranalysen belegen das, profitiert die Union davon, dass sie | |
ihr Elektorat zu mobilisieren vermag. Wenn sie aber signalisiert, dass sie | |
in einer für die ultrakonservativen Wähler zentralen Frage (Favorisierung | |
des Heterosexuellen, Entwertung des Homosexuellen), und sei sie noch so | |
sehr von gestern, wankelmütig wird, könnte es auf die Wahl überhaupt | |
verzichten. Die eigene Stammwählerschaft aber nur schwer noch zur Wahlurne | |
bewegen zu können – dieses Leid kennt die SPD seit vielen Jahren heftig. | |
So oder so: Karlsruhe wird nicht umhinkönnen, Homosexuelle (Paare) | |
gleichzustellen, was auch immer die Steinbachs, Reiches und Bosbachs davon | |
halten. Aber alle drei würden lieber gezwungen sein, dieses Recht umsetzen | |
zu müssen, nicht es selbst zu forcieren. | |
1 Mar 2013 | |
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## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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