# taz.de -- Andrea Nahles über SPD-Wahlkampf: „Große Koalition ist großer … | |
> Andrea Nahles will zur Bundestagswahl nur für Rot-Grün kämpfen, | |
> schließlich sei sie nicht „schizo“. Gespräch über Steinbrück, Blumens… | |
> und Heidi Klum. | |
Bild: SPD, SPD, SPD, SPD: Die Generalsekretärin Andrea Nahles (SPD). | |
taz: Frau Nahles, beim Nominierungsparteitag letzte Woche in Hannover hat | |
Peer Steinbrück sich ausdrücklich bei Ihnen bedankt für die herzliche | |
Aufnahme im Willy-Brandt-Haus. Was haben Sie in diesem Moment gedacht? | |
Andrea Nahles: Das hat einfach gutgetan. Ich kannte ja vorher sein | |
Redemanuskript, und da stand das nicht drin. | |
Sehen wir hier die neue Wahlkampfharmonie zwischen der Generalsekretärin | |
und dem Spitzenkandidaten? | |
Manchmal ist man in seiner Meinung über andere gefangen, das zu überwinden | |
bringt uns im Wahljahr wirklich weiter. | |
Sie sind nicht in Steinbrücks Kompetenzteam. Noch nicht? | |
Es gibt kein Kompetenzteam. Es gibt bisher nur eine Gruppe von Leuten, die | |
den politischen Wahlkampf managt. Diese leite ich. Eine Partei stellt doch | |
nicht ein Jahr vor der Wahl ein Kompetenzteam auf! | |
Angenommen, Sie wären doch drin. Was würden Sie mitbringen, was andere | |
nicht haben? | |
Da ich als Generalsekretärin anderen öffentlich auf die Pfoten gehauen | |
habe, die sich laut Gedanken übers Kompetenzteam gemacht haben, werde ich | |
Ihre Frage nicht beantworten. Es ist schlicht einige Monate zu früh. Eins | |
ist doch wohl klar: Wir haben keinen Mangel an guten Leuten, Männer wie | |
Frauen. Wichtig ist, dass wir die Wählerinnen und Wähler erreichen, und | |
dafür sind ganz andere Fragen relevant. | |
Zum Beispiel? | |
Die Leute müssen den Unterschied zwischen den Parteien klar erkennen | |
können. Und dazu hat Peer Steinbrück auf dem Parteitag eine Menge gesagt. | |
Er war sehr offensiv. Wir müssen jetzt darauf hinarbeiten, dass die | |
Menschen spüren, die SPD setzt auf Sieg und nicht auf Platz, die will es | |
wirklich wissen und mauschelt nicht mit der CDU herum. | |
Also Rot-Grün oder Untergang? | |
Unsere Politik ist nicht mit jedem beliebigen Partner möglich. Das muss | |
alles auf einer gemeinsamen Schnittmenge basieren, die beide Seiten richtig | |
finden. Und deswegen wollen SPD und Grüne zusammen diesen Wechsel. Ich | |
glaube, da mangelt es nicht an Gemeinsamkeiten. | |
Rot-Grün, sonst nix, sagt Peer Steinbrück. Es ist doch eine Zumutung, wenn | |
ein Kandidat sagt: Wenn’s nichts wird, müsst ihr ohne mich klarkommen. | |
Das sehe ich überhaupt nicht so. 54 Prozent der Deutschen sind mit | |
Schwarz-Gelb unzufrieden. Aber es gibt noch keine echte Wechselstimmung. | |
Wir erreiche ich die? Ich muss die Alternativen herausarbeiten. Wenn ich | |
nicht ganz klar sage, was ich genau will, kriege ich auch nicht den Spirit | |
hin, den man dafür braucht. Ich will nicht darüber spekulieren, was | |
passiert, wenn nicht eintritt, was wir wollen. Ich will, dass wir gewinnen! | |
Aber die Wähler wollen offensichtlich von der CDU-Kanzlerin regiert werden. | |
Wir werden dafür kämpfen, dass Rot-Grün gewinnt. Und wir haben gerade erst | |
angefangen. Ich habe doch keine gespaltene Persönlichkeit. Ich bin doch | |
nicht die Schizo-Generalsekretärin, die heimlich mit halben Auge guckt: was | |
könnten wir denn noch für eine Parallelkampagne machen. | |
Keiner spielt gern auf Platz. Aber ist die SPD-Strategie nicht zu riskant? | |
Wir sind ja nicht verrückt, nur mutig. Der Zweifel, den Wähler bis heute an | |
uns haben, weil wir in die große Koalition gegangen sind, diesen Zweifel | |
können wir nur überwinden, wenn wir klar machen, dass das nicht unser Ziel | |
ist. | |
Aber Opposition ist doch immer noch Mist. Oder? | |
Ja das stimmt, aber große Koalition ist großer Mist. Für die SPD war sie | |
ein großes Verlustgeschäft. Es gibt niemanden in der Parteispitze, der das | |
anstrebt. Unterschiede zu verwischen, wird gerade von den SPD-Wählern nicht | |
geschätzt. Ich bin sehr froh, dass wir da sehr früh Klarheit geschaffen | |
haben. Und nach meinem Eindruck haben die Grünen das auch getan. | |
Sie koordinieren als Generalsekretärin den Wahlkampf. Wie lautet dabei noch | |
mal genau Ihre Funktion? | |
Ich bin die politische Wahlkampfleiterin. Ich bin mit der Erstellung des | |
Regierungsprogramms beauftragt und ich habe eine Steuerungsfunktion im | |
Wahlkampf. | |
Wer entscheidet im Wahlkampf im Konfliktfall? | |
Der Kandidat hat das letzte Wort, das ist doch klar. Die Kampagne läuft | |
bereits in voller Fahrt. Wir haben hier zwei Großraumbüros freigeräumt, da | |
sitzen die Projektteams. | |
Die SPD plant einen Haustürwahlkampf nach US-amerikanischem Vorbild. Meinen | |
Sie, der Wähler freut sich, wenn Sie an seiner Tür klingeln? | |
Die Skepsis, die Sie formulieren, gab es natürlich auch bei uns. Wir haben | |
das intensiv getestet, und unsere Aktiven in den Wahlkämpfen in Frankfurt, | |
Bremen und Karlsruhe haben die Erfahrung gemacht: Das läuft super! | |
Wird es Giveaways geben? | |
Ja, man glaubt es kaum, aber am beliebtesten ist immer noch der | |
Kugelschreiber, da scheint in Deutschland ein Mangel zu herrschen (lacht). | |
Und für Kinder der aufgeblasene Luftballon. | |
Und speziell für Frauen? | |
Nichts speziell für Frauen, aber sehr beliebt in ländlichen Regionen sind | |
Blumensamen. Die gehen besonders bei Frauen weg wie nix. | |
Beim Parteitag in Hannover war ja deutlich zu spüren, dass sich Peer | |
Steinbrück plötzlich sehr um Frauen – Genossinnen und Wählerinnen – bem�… | |
Ehrlich oder pragmatisch? | |
Das ist ehrlich, ganz klar. Er sagt selbst, er hat dazugelernt. Wir waren | |
in der SPD bei Themen wie Quote oder Kinderbetreuung immer auf dem Platz. | |
Aber es braucht auch noch mehr Sichtbarkeit von Frauenpower. Damit haben | |
wir 2009 angefangen, im Netz und im realen Leben, es gibt jetzt zum | |
Beispiel bessere Anlaufstellen, den Frauensalon und … | |
Schön und gut, das waren Ihre Ideen. Aber was ist mit dem Frauenbild des | |
Kandidaten? | |
Peer Steinbrück vertritt sozialdemokratische Überzeugungen und hat sich von | |
Anfang an darauf eingelassen, wir mussten ihn da nicht überzeugen. Unterm | |
Strich ist doch nicht wichtig, ob Frau oder Mann, sondern ob jemand als | |
Frau und Kanzlerin nur darüber redet, was man machen könnte – oder ob | |
jemand das mit einer rot-grünen Bundesregierung nachher tatsächlich | |
durchsetzt. Wo kommt mehr für Frauen raus? Die Wette bin ich bereit zu | |
machen. | |
Frau Nahles, Sie sind doch lange genug Politikerin, um zu wissen, dass | |
Frauenthemen im Wahlkampf gern ganz oben auf die Prioritätenliste gesetzt | |
werden, danach aber schlagartig abfallen. Wer garantiert, dass Steinbrücks | |
Rede nicht nur plumpe Ranschmeiße war? | |
Das war keine Frauenranschmeißrede. Dieser Teil behandelte den Schwerpunkt | |
Gesellschaftspolitik. Da geht es nicht nur um Einzelfelder, sondern um | |
Arbeitsmarkpolitik, um Rente und Lohngleichheit. Und wo immer du ein | |
fortschrittliches Modell beschreiben willst, kommst du unweigerlich zur | |
Frauenfrage. | |
Seit Obamas Wahlkampf hat jeder verstanden, dass ohne Frauen kein Sieg zu | |
haben ist. Kann die SPD den Frauen versprechen, dass ihre Zeit ab Herbst | |
2013 realpolitisch tatsächlich anbricht? | |
Lohngleichheit, Steuerpolitik, Quoten, das können wir alles versprechen, | |
weil diese Themen eine Schnittmenge mit den Grünen bilden. Das ist das | |
Versprechen der rot-grünen Machtoption: die Gestaltungsoption. Im Gegensatz | |
zur amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung haben wir ganz konkrete | |
gemeinsame Ideen. Schauen Sie sich die Ergebnisse von Rot-Grün zwischen | |
1998 und 2005 an: Atomausstieg, Homoehe, neues Staatsbürgerrecht. Wir haben | |
zusammen gesellschaftspolitisch etwas bewegt. Und das geht immer auch | |
Frauen an. | |
Sie haben nach der Geburt Ihrer Tochter in einem viel beachteten | |
Brigitte-Interview laut über den Wunsch nachgedacht, als Spitzenpolitikerin | |
beides haben zu wollen: Karriere und Kind. War diese Offenheit die richtige | |
Entscheidung? | |
Ich war die erste Spitzenpolitikerin im Amt in dieser Situation. Unschöne | |
Pionierrolle, wenn man so will. Ich hatte mir das ja nicht ausgesucht. Ich | |
habe beschlossen, ich gehe damit offen um und spreche auch die Probleme an. | |
Es ist ja nicht so, dass alles nur supertoll ist. | |
Was kamen für Reaktionen auf diese Offenheit? | |
Die häufigste Reaktion ist ja gemeinhin Schweigen. Schweigen schützt vor | |
Kritik. Das wollte ich nicht. Das hat dann auch ganz schön geknirscht, | |
diese Reaktionen muss man aushalten können. Aber Heidi Klum, die sechs | |
Wochen nach der Geburt schon wieder über den Laufsteg schwebt, ist doch nun | |
wirklich kein Maßstab. Dann lieber die ehrliche Variante. Ich werde immer | |
noch auf Veranstaltungen darauf angesprochen. | |
Was kommt da? | |
Gerade Ältere, Männer wie Frauen, bedauern oft das Kind. Ich bin davon | |
jedes Mal neu getroffen, und das ärgert mich. Mir fällt da einfach nicht | |
der coole Spruch ein. | |
Sondern, was antworten Sie? | |
Ich sage, wie es ist, dass es dem Kind sehr gut geht. Ich merke, die meinen | |
das gar nicht böse, viele Ältere haben einfach ein anderes Lebensmodell | |
gelebt. Bei jüngeren Leuten habe ich gar kein Problem, die sind eher froh, | |
dass mal eine darüber spricht. | |
16 Dec 2012 | |
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Anja Maier | |
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