# taz.de -- Kritik an Ungarn aus der EU: Grundrechte werden ausgehebelt | |
> Die EU-Kommission will die Novellierung des Grundgesetzes in Ungarn unter | |
> die Lupe nehmen. Premier Viktor Orban nimmt den Konflikt mit Brüssel in | |
> Kauf. | |
Bild: Protest im ungarischen Parlament bei der Abstimmung über die Verfassungs… | |
BRÜSSEL/BUDAPEST dpa | Die EU-Kommission hat die rechtskonservative | |
ungarische Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban wegen | |
[1][weitreichender Verfassungsänderungen] scharf kritisiert. „Diese | |
Änderungen werfen Bedenken auf bezüglich des Respekts für das | |
Rechtsstaatsprinzip, für das EU-Recht und die Standards des Europarates“, | |
schrieb Kommissionschef José Manuel Barroso am Montag in einer gemeinsamen | |
Erklärung mit dem Generalsekretär des Europarates, Thorbjörn Jagland. | |
Verfassungsexperten des Europarates und der EU-Kommission würden die | |
beschlossenen Novellierungen jetzt genauer prüfen, hieß es in der | |
Mitteilung. | |
Bundesaußenminister Guido Westerwelle forderte die Einhaltung europäischer | |
Grundwerte. „Wir sind in Europa eine Wertegemeinschaft. Und das muss sich | |
auch nach innen in der Verfasstheit der Länder zeigen“, sagte er vor einem | |
Treffen der EU-Außenminister in Brüssel. | |
Die vom ungarischen Parlament am Montag verabschiedete Novelle beinhaltet | |
unter anderen eine Beschneidung der Befugnisse des Verfassungsgerichts. | |
Damit kann die Regierung künftig in die Tätigkeit der unabhängigen Justiz | |
eingreifen. | |
Für die Vorlage stimmten die 265 Abgeordneten der Regierungspartei Fidesz | |
(Bund Junger Demokraten), was die nötige Zweidrittelmehrheit ergab. Elf | |
Abgeordnete stimmten dagegen, 33 weitere enthielten sich der Stimme. Die | |
Delegierten der oppositionellen Ungarischen Sozialistischen Partei (MSZP) | |
boykottierten das Votum. | |
## Festnahmen nach Sitzblockade | |
Die Verfassungsänderungen hatten schon im Vorfeld wegen ihrer | |
möglicherweise demokratieschädigenden Stoßrichtung in Ungarn für Proteste | |
und Besorgnis im Ausland gesorgt. Eine Anti-Terror-Einheit nahm | |
Montagmittag etwa 20 Schüler fest, die mit einer Sitzblockade einen Zugang | |
zum Parlament blockiert hatten. | |
Die 4. Verfassungsnovelle ergänzt das erst seit Anfang 2012 geltende neue | |
Grundgesetz. Unter anderen sieht sie vor, dass sich das Verfassungsgericht | |
künftig nicht mehr auf seine Spruchpraxis aus der Zeit vor Inkrafttreten | |
der neuen Verfassung stützen darf. Kritiker befürchten eine | |
Marginalisierung des obersten Gerichts, das sich zuletzt häufig auf seine | |
frühere Grundrechte-Interpretation berufen hatte, wenn es demokratisch | |
bedenkliche Gesetze außer Kraft setzte. | |
Darüber hinaus darf das Verfassungsgericht künftig vom Parlament | |
beschlossene Änderungen der Verfassung nur noch in verfahrensrechtlicher | |
Hinsicht, nicht aber inhaltlich prüfen. | |
Eine weitere Bestimmung sieht vor, dass die Präsidentin des Nationalen | |
Justizamtes - eine von Orban eingesetzte loyale Funktionärin - bestimmte | |
Fälle bestimmten Gerichten zuweisen kann. Diese Regelung war auch von der | |
EU-Kommission ausdrücklich kritisiert worden. | |
Andere Bestimmungen erheben Gesetze in den Verfassungsrang, die zuvor vom | |
Verfassungsgericht gekippt wurden. Darunter fallen die willkürliche | |
Zuteilung des Kirchenstatus durch die Regierungsmehrheit im Parlament und | |
das Verbot von Wahlwerbung im privaten Fernsehen. Außerdem wird | |
Obdachlosigkeit unter Strafe gestellt. | |
12 Mar 2013 | |
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