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# taz.de -- Kommentar Demokratie in Ungarn: Hoffen auf die Finanzmärkte
> In Budapest kann die Regierung ihre Verfassung nach Gusto ändern. Rettung
> könnte höchstens noch von den Finanzmärkten kommen.
Wie Ungarns Premier Viktor Orbán, einem Terminator gleich, jede Niederlage
in einen Sieg verwandelt und alle Widersacher ausschaltet, ist schon
beeindruckend. Ungarn ist nicht das erste Land, wo offensichtlich
verfassungswidrige Gesetze in Verfassungsrang erhoben werden. Doch [1][was
da im Parlament in Budapest durchgezogen wurde], hat eine eigene Qualität.
Dass Verfassungsrichter, von denen eh schon so einige von der Regierung
selbst ausgewählt wurden, ernsthaft ihrer Pflicht nachgehen, ist wohl nicht
vorgesehen. Da ist es nur konsequent, dass man ihnen die Kompetenzen
entzieht. Was in Ungarn an Demokratieabbau betrieben wird, spielt sich im
Rahmen der Verfassung ab. Die Regierungsfraktion verfügt im Parlament über
die notwendige Zweidrittelmehrheit und kann ins Grundgesetz
hineinschreiben, was ihr beliebt, beziehungsweise was Orbán anordnet.
Rechtlich alles bestens, wie der Premierminister auf Kritik von außen stets
ausrichten lässt.
Dass der Totalumbau des Staates nach den Bedürfnissen eines autoritären
Charakters dem Geist der europäischen Idee und auch der ungarischen
Grundordnung widerspricht, hilft als Kritik nicht weiter. Geister sind
bekanntlich schwer zu fassen. Und die ungarische Bevölkerung, die wohl erst
in einigen Jahren begreifen wird, wie gründlich Orbán alle Andersdenkenden
entmündigt hat, verhält sich bisher gleichgültig. Bisher sind es nur
Minderheiten, die protestierend auf die Straße gehen.
Die potentesten Gegner Orbáns sind, ob man es wahrhaben will oder nicht,
die Finanzmärkte und Investoren. Sondersteuern für Banken und ausländische
Unternehmen, Restriktionen für Immobilienerwerb und neue Gesetze, von denen
viele rückwirkend in Kraft gesetzt werden, haben Investoren kopfscheu
gemacht. Die zunehmende Rechtsunsicherheit vergrault nicht nur gierige
Spekulanten, die aus billigem ungarischem Boden größtmöglichen Profit
schlagen wollen.
Der Forint ist in den letzten Tagen auf den Devisenmärkten wieder
abgestürzt, geplante Investitionen wurden gestoppt. Man erinnert sich, dass
auch Silvio Berlusconi nicht über Bunga-Bunga oder seine zahlreichen
Justizaffären gestürzt ist, sondern über den Einspruch der Finanzmärkte.
Orbáns Waterloo, das lässt sich voraussagen, wird kein politisches, sondern
ein wirtschaftliches sein.
12 Mar 2013
## LINKS
[1] /Parlament-in-Ungarn/!112630/
## AUTOREN
Ralf Leonhard
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