| # taz.de -- Wahlrecht in Ungarn: Klatsche für Premier Viktor Orbán | |
| > Das Verfassungsgericht hebt die von der Regierung geplante Registrierung | |
| > von Wählern auf. Ohnehin sind 80 Prozent der Ungarn gegen die Reform. | |
| Bild: Vom Verfassungsgericht vorerst gestoppt: Viktor Orbán. | |
| WIEN taz | Rückschlag für Ungarns Regierungschef Viktor Orbán: Das | |
| Verfassungsgericht in Budapest hat am Freitag die verpflichtende | |
| Wählerregistrierung aus formalen Gründen aufgehoben. Staatspräsident János | |
| Áder hatte die Prüfung Anfang des Monats beantragt. Die Höchstrichter | |
| beanstandeten, dass diese wesentliche Neuerung, die das Wesen des | |
| Wahlrechts berührt, vom Parlament in Übergangsbestimmungen verpackt wurde. | |
| Inhaltlich setzten sich die Richter nicht mit dem umstrittenen Gesetz | |
| auseinander. | |
| Dieses sieht vor, dass nur jene Wahlberechtigten ihre Stimme abgeben | |
| dürfen, die sich vor der Wahl eigens registrieren lassen. Kritiker sehen | |
| darin den Versuch, die weniger disziplinierten Wählerschichten von der | |
| Beteiligung auszuschließen. Jüngste Umfragen haben bestätigt, dass die | |
| Sympathisanten der regierenden rechtsnationalistischen FIDESZ sich | |
| mehrheitlich einschreiben würden. Anhänger anderer Parteien zeigten sich | |
| weniger diszipliniert. | |
| Orbán verteidigt sein Projekt damit, dass so die 2,5 Millionen | |
| Auslandsungarn eine bessere Chance bekämen, sich an Wahlen zu beteiligen. | |
| Sie dürfen sich brieflich registrieren. Wer in Ungarn lebt, muss persönlich | |
| bei den Behörden erscheinen. Auch in Ländern wie den USA, so argumentiert | |
| die Regierung, müßten sich Wähler einschreiben. | |
| Allerdings verfügen die Vereinigten Staaten, anders als Ungarn und die | |
| meisten europäischen Staaten, über kein allgemeines Melderegister. | |
| Befürchtungen von Kritikern, dass die verbindliche Wählerregistrierung vor | |
| allem Arme, Junge und Angehörige von Minderheiten, insbesondere Roma, von | |
| Wahlen fernhalten würde, werden von den Erfahrungen aus den USA genährt. | |
| Dort sind es vor allem diese Gesellschaftsgruppen, die nicht zu den Urnen | |
| kommen. | |
| ## 80 Prozent sind gegen das Projekt | |
| Orbáns Projekt, das ihm wohl trotz schwindender Popularität den Machterhalt | |
| nach den Parlamentswahlen 2014 sichern soll, kommt nicht einmal bei den | |
| eigenen Anhängern gut an. In einer Umfrage sprach sich mehr als die Hälfte | |
| der Fidesz-Gefolgschaft dagegen aus. Insgesamt wird die neue Hürde von fast | |
| 80 Prozent der Ungarn abgelehnt. | |
| Attila Mesterházy, Chef der oppositionellen Sozialdemokraten (MSZP), | |
| begrüßte die Entscheidung des Verfassungsgerichtes. Seiner Ansicht nach | |
| dürfen die beanstandeten Verfügungen nicht als Teil des Grundgesetzes | |
| angesehen werden. Diese Meinung teilt auch Ex-Premier Gordon Bajnai, der | |
| kürzlich eine neue Oppositionsplattform "Gemeinsam 2014" gegründet hat. Er | |
| warnte Viktor Orbán vor Tricks, um seinen Willen doch noch durchzusetzen. | |
| Genau das scheint der Premier aber zu planen. Er schickte seinen | |
| Europa-Abgeordneten József Szájer vor, der ankündigte, man werde nun | |
| einfach die Registrierungspflicht aus den Übergangsbestimmungen | |
| herausnehmen und in das Corpus der Verfassung selbst einfügen. "Es gibt | |
| keinen Konflikt mit dem Verfassungsgericht." | |
| In diesem Fall will sich die Opposition an Brüssel wenden, um prüfen zu | |
| lassen, ob das neue Gesetz den europäischen Grundwerten entspricht. Der | |
| Verfassungsgerichtshof hat der Regierung schon mehrmals bei ihren | |
| Reformplänen in die Suppe gespuckt. So wurde die Herabsetzung des | |
| Pensionsalters für Richter als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz | |
| beanstandet. Kurz vor Weihnachten erklärten die Richter den in der | |
| Verfassung verankerten Familienbegriff - Vater, Mutter, Kind - als zu eng | |
| definiert. Lebensgemeinschaften, Patchworkfamilien und homosexuelle | |
| Partnerschaften seien dadurch ausgeschlossen. | |
| 30 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ralf Leonhard | |
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